Der Jenseitige Mensch
Emil Mattiesen

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Kap L . Objektive Wirkungen von Phantomen.         (S. 538)

In Wahrheit freilich sind die wichtigsten Kriterien jener strittigen Objektivität bisher noch kaum berührt worden. Was liegt zB. näher, als zu fragen, ob nicht Gespenster Wirkungen an den Sachen im Raum her- vorbringen, ob sie nicht zB. materielle Gegenstände bewegen oder zerstören können,'" und etwa dann durch solche Leistungen auch jenes eigene innere Leben bekunden, das für gewisse Phantome durch das eigene Bewußtsein des Exkurrierenden verbürgt scheint?

Wir sind dieser Frage bisher am nächsten gekommen, als von Berührungen durch Phantome die Rede war. Immerhin ist es vor allem der Laie, der eine Berührung nicht ebenso leicht als Halluzination betrachten zu können glaubt, wie eine Gesichtswahrnehmung; eine Abneigung, die sich freilich nur steigern kann, wenn die Berührung die extreme Form empfangener Hiebe annimmt, wenn zB. auf die Wahrnehmung eines Schattens und die Empfindung seines Gewichtes ein Schlag zwischen die Augen folgt, der des Perzipienten - man möchte hier sagen: des Rezipienten Nase anschwellen läßt. [1]

Aus einem Spukhause stammt die Angabe einer Mrs. W., daß während sie 'abends im Dunkeln die Treppe herabkam, [sie] einen kräftigen Klaps auf dem Rücken fühlte. . .' In demselben Hause war zu verschiedenen Malen die Gestalt eines Mannes gesehen und gesprochene Worte - 'ich kann es nicht finden' - von Mehreren gleichzeitig gehört worden. [2] -

In Flammarions Sammlung behauptet ein gewisser A. Michel, er habe als 12jähriger Knabe 'genau um die Stunde', da seine Großmutter starb, gegen 1/2 8 Uhr abends, als er bereits ins Bett gesteckt war, 'eine Ohrfeige von außerordentlicher Gewalt erhalten. Ich habe auf der rechten Backe über 6 Monate lang den Eindruck einer rechten Hand behalten, der besonders nach dem Spiel bei gerötetem Gesicht sehr deutlich war, wie Hunderte von Personen feststellten, indem der Abdruck der Hand weiß abstach.' [3]

Kann aber nicht einmal das Verbleiben einer Spur - die schon fast einer objektiven Wirkung ähnelt - einen zwingenden Grund gegen die halluzinatorische Natur solcher Berührungsempfindungen liefern, wenn wir an die stigmatisierende Wirkung mancher Suggestionen, also subjektiver Vorstellungsgebilde denken, so erst recht nicht die bloße 'Kraßheit' solcher Erfahrungen.

Den Weg von hier zu strenger gegenständlichen Wirkungen von Phantomen möchte ich nun über gewisse Beobachtungen nehmen, die zunächst den Begriff des gehörten Gespenstes nicht überschreiten. Gehörte Phantome

[1] Crowe 285.
[2] Pr III X03f. Einen Fall von 'sehr deutlichen' Berührungen an verschied. Körperstellen als 'Todesanzeige' s. Owen, Footfalls 276. Vgl. auch Pr X 204f.
[3] Flammarion 183f. (Nr. CLV). Vgl. die 'Ohrfeige', welche M. D. ... in einem Spukhause nahe Castelnaudary erhielt: Rev. Spirite III (1860) 50, und den Bericht BP III 182 ('fernwirkende' Fauststöße einer in 'magnetischem Schlafe' Liegenden).


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lernten wir bisher nur als redende kennen, und fanden es leicht, das Hören als Halluzinieren zu deuten. Das gehörte Gespenst, von dem hier die Rede ist, kann auch als ein halluziniertes gedacht werden, unter- scheidet sich aber von jenem durch den Inhalt seiner Geräusche, die sich als Geräusche von objektivem Tun an den Dingen darstellen und zudem unmerklich in Beobachtungen von solchem Tun an sich überführen.

Ich erwähne zunächst jene Spukgeräusche (häufig verbunden mit gesehenem Spuk), die über rein menschliche Laute, wie Atmen, Stöhnen, Sprechen, Schreien hinausgehen. Man kann auch den Klang von Schritten zu diesen gegenständlichen Geräuschen zählen [1] - beiläufig einer der häufigsten Bestandteile von Spuken -, wiewohl man da, wo eben nur Schritte beobachtet werden, die illusionierende Umdeutung irgendeines häufigen und regelmäßigen Geräusches, wenn auch an sich spukigen Charakters, vermuten mag. [2]

In einem Fall, von Miss Morris 1888, 6 Jahre nach den Erlebnissen berichtet, finden wir diese Fußtritte massenhaft auftreten. Am Abend des Tages, an welchem Miss M. mit den Ihrigen das Haus bezogen hatte, hörte sie, während sie mit einem Buch im Saale saß, 'schwere Fußtritte um den Tisch gehen, an dem ich las'.

Die bald darauf eintretende Schwester machte dieselbe Wahrnehmung, glaubte aber, die Schritte kämen vom obern Stock her, der wie das ganze Haus von den M.s gemietet war, wo sich aber z. Zt. niemand befand, außer einem kleinen schlafenden Kinde. 'Diese Nacht konnte ich gar nicht schlafen, denn unablässig hörte ich diese ... unermüdlichen Fußtritte im Zimmer herum und die Treppen auf und nieder gehen.

Schlief ich ein, so weckten sie mich wieder. . . und ich fühlte, daß jemand im Zimmer sei... Dieselbe Erfahrung hatte ich jede Nacht.' Drei Wochen später, eines Nachmittags, als Miss M. singend und tänzelnd auf das Notenpult zuschritt, um einige Walzer ans Klavier zurückzutragen, sah sie plötzlich 'die Gestalt einer Frau, vom Kopf bis zu den Füßen in ein schweres, tiefschwarzes Gewand gehüllt; ihr Gesicht war tieftraurig und totenbleich.

Sie stand da und blickte mich starr an.' Eine ähnliche Gestalt wurde später in Verbindung mit sehr starken Klopf tönen in Tür und Fußboden gesehen. [3]

Selbst wo 'Schritte' das einzig Beobachtete sind, will der Beobachter häufig über das Unzweideutige, ja Persönlich-Charakteristische des Geräusches keinen Zweifel zulassen.

Kein Geringerer als Linne vermochte zB. den folgenden Bericht zu verfassen: 'Um 12 Uhr in der Nacht vom 12. auf den 13. Juli 1765 hört meine Frau, daß Jemand lange und mit schwecen Tritten in meinem Museum auf und ab geht und weckt mich.

Ich höre es auch sehr gut, obgleich ich weiß, daß Niemand dort ist, die Türen verschlossen sind und der Schlüssel bei mir. Nach einigen Tagen erhalte ich Nachricht, daß mein besonderer, vertrautester Freund, der Kommissar Karl Clerk, zur selben Zeit gestorben sei, und wahrlich, der Gang war dem seinigen so gleich, daß, wenn ich in Stockholm ihn gehört, ich Clerk am Gange erkannt haben würde.' [4]

[1] S. zB. Pr I 107. 109f.; II 146f.; III 122f. 135.
[2] Mrs. Sidgwick in Pr III 80. Später folgende Fälle werden zeigen, daß eine solche Illusion zuweilen kaum in Frage kommt.
[3] Pr VI 256-8.
[4] Aus Linnés Nemesis divina bei Perty, Spir. 210.


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Natürlich kann nur die hervorragende Beobachtungsgabe des Berichtenden einigermaßen über die Fraglichkeit solcher Ähnlichkeiten des Schrittes hinweghelfen. Immerhin ist gegenüber den Schwächen des Falls die doppelte Perzeption zu beachten.

Nächst 'Schritten' wird kein anderes Spukgeräusch so sehr verdächtig scheinen, als das häufig beobachtete Rascheln, Streichen, Schleifen, Knistern, [1] das der in diesen Dingen Unbelesene unbedenklich für Erzeugnisse trocknender Wände, wehender Lüfte, berstender Tapeten, .laufender Ratten u. dgl. erklärt.

Es ist nur die Verbindung mit andern Erscheinungen, was auch diesen Geräuschen ihren typischen Spukcharakter sichert. Andere gehen indessen in Kraßheit, Deutlichkeit und Gegenständlichkeit noch weit hierüber hinaus.

Ein Geräusch, als ob Möbel, Kisten u. dgl. umhergeschoben würden, wird nicht ganz selten berichtet. [2] Miss B. beschreibt ein anderes Geräusch, 'als ob ein großes Schlüsselbund heftig auf den Ankleidetisch geschleudert würde'. [3]

Eine Perzipientin gibt an, sie habe einen Stein, der gegen eine Tür lehnte, 'deutlich' fortbewegen und ebenso deutlich die Tür in den Angeln sich drehen gehört; und doch wurde bei sofortiger Nachprüfung der Stein an seinem Platz und die Tür geschlossen gefunden. [4]

Auch solche krassere Arten des Spukgeräusches werden sehr häufig nicht nur kollektiv wahrgenommen, sondern verbinden sich auch in ganz realistisch-natürlicher Weise mit der Wahrnehmung von Phantomen oder doch mit Geräuschen von ausgesprochen 'menschlicher' Art.

So hörte Miss K. B. in einem Hause, das seit einem Selbstmorde spukig geworden war, das Geräusch von umhergeworfenen 'mächtigen eisernen Kisten und andern schweren Gegenständen; dann, wie das Küchenfeuer einige Minuten lang heftig geschürt und gestochert wurde, und unmittelbar danach das ganz fürchterliche und quälende Husten eines Mannes, sehr laut und heftig'.

Dies verband sich zu andern Zeiten mit der Wahrnehmung von Fußtritten und schließlich derjenigen eines Phantoms. [5]

Über den Spuk in der Familie T. in West Brompton (London), wo wiederholt und von Mehreren ein Phantom gesehen wurde, meldet der ausführliche Bericht: Fußtritte wurden gehört. . . ; Türen wurden zugeschlagen, wo keine Türen oder nur verschlossene Türen waren; ein Lärm wurde gehört, als würde ein metallenes Teebrett die Treppe hinabgerollt...

Ein Geräusch, als würde ein Streichholz angezündet, wurde später mehrfach bei Nacht und bei Tage und von mehreren Personen gehört.' [6]

Während des Spuks im Z.schen Hause, wo Phantome eine beträchtliche Rolle spielten (1885-86), berichtet W. L., der butler, über erheblichen Lärm im Keller. 'Es klang, möchte ich sagen, als würden eine Menge Fässer gerollt und Bretter gestapelt.'

Alles war an seinem Platz und in Ruhe, wenn er der Sache auf den Grund zu gehen suchte. 'Ich hörte Türen zuschlagen und vor meiner Tür einen Lärm, als ob zweie miteinander rängen.' (Dieses Geräusch eines' Handgemenges' wurde

[1] S. zB. Perty, Spir. 309f.
[2] S. zB. Pr I 112; II 147; X 341 (in Verbindung mit Fußtritten, Phantomen usw.).
[3] Pr II 143; vgl. 145. 148f.
[4] APS II 245.
[5] Pr X 341f.
[6] Pr III 135. 136.


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Kap L . Objektive Wirkungen von Phantomen.         (S. 541)

auch vom Kindermädchen beschrieben.) 'Der Lärm wuchs so sehr an, fährt der butler fort, daß ich nicht im Bette bleiben konnte, sondern aufstand, um nach der Ursache zu forschen. Aber ich konnte nichts sehen, obgleich der Lärm unverändert anhielt. [Während ich dastand,] knallte die Tür der Vorratskammer zu, aber ich konnte nichts sich bewegen sehen.

Ich ging ins Bett zurück, und in weniger als zwei Minuten hörte ich Fußtritte auf der Treppe [am Kopfende meines Bettes] auf und nieder gehen.' Am 9. März 1886 sah er eine Gestalt, die ihn angeblich mit kalter Hand berührte, als er floh. Diese Gestalt wurde öfter gesehen und man trat schließlich auf mediumistische Weise mit ihr in Verkehr, wobei sie gewisse Wünsche äußerte. [1]

Alles dies ist massenhaft belegbarer, typischer 'Spuk': das örtlich wahrgenommene Klangbild bestimmter klar beschreibbarer Verrichtungen. ohne daß doch am Orte der Wahrnehmung irgendetwas Derartiges wirklich geschieht. Dabei nehmen fast immer alle in Hörweite Befindlichen an der Wahrnehmung teil, und es ist meist ein vergangener 'dramatischer' Ausgangspunkt des Spuks zu entdecken, der diese 'kollektiven Halluzinationen' sinnvoll dem Ort ihres Auftretens verbindet.

Aber über die Möglichkeit der Anwendung dieses Begriffes zwingt uns das Vorgebrachte offenbar noch nicht hinaus, mag es uns auch nötigen, den wahren Ursprung solcher kollektiver Halluzinationen dem spukenden 'Toten' zuzuschreiben.

Ich könnte scheinen noch einen Schritt zurück zu machen, wenn ich hier in besonderer Gruppe die mehr unartikulierten Klopf- und Schlagtöne anführe, die in Verbindung mit manchen Spukphantomen auftreten. Es wird sich indessen bald zeigen, daß und weshalb wir mit dieser Gruppe tatsächlich dem Tatbestande der Objektivität uns nähern.

Etwas fragwürdig zwar (im Sinne des Subjektivisten) muten mich hier die Fälle an, in denen eine Gestalt außerhalb eines Fensters stehend gesehen wird, an das sie anscheinend angeklopft hat, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken; [2] oder in denen der Perzipient durch lautes Klopfen geweckt wird und, nachdem er die Augen geöffnet, das Phantom an seinem Bette stehen sieht. [3]

Legt sich in jenen der Verdacht einer abrundenden Gedächtnisillusion nahe, so in diesen der andere, daß die Klopftöne als Teilerscheinung des Erwachens traumhafter Natur gewesen, - auch wenn das Phantom selbst telepathischen Sinn hat. - Indessen steigert das Phänomen sich nicht nur mitunter zu außerordentlich krassen Formen, sondern wird auch in der überzeugendsten Weise kollektiv wahrgenommen.

In einem von H. B. Garling mitgeteilten Falle war die Erscheinung eines soeben Gestorbenen, von dessen Tode die Perzipienten aber noch nichts wußten, im Laufe

[1] Pr VI 276ff. Vgl. den sonderbaren Bericht aus StanS (Schweiz) bei Daumer, Reich 83, und den Fall bei Jung, Theorie 332f., bes. 338f.
[2] S. den von Dr. Lindsay Johnson, F.R.C.S. berichteten Fall APS III 252ff. und Rev. M. Frost in Pr X 225.
[3] S. zB. Gurney I 452.


Kap L . Objektive Wirkungen von Phantomen.         (S. 542)

des Tages auf der Straße gesehen worden und verschwunden, und erst abends er- folgten von allen Anwesenden gehörte 'fürchterliche Schläge', unter denen 'die Tür im Rahmen zu zittern schien', und die einige schlafende Dienstboten aus dem hintern Teil des Hauses herbeiriefen; während ein Terrier gegen seine sonstige Gewohnheit sich zitternd unter das Sofa verkroch. [1]

In Spukfällen wird ähnliches nicht selten, und zwar mit der größeren Ruhe und Ausführlichkeit beobachtet und beschrieben, wie gehäufte Wiederholung sie ermöglicht.

Klopflaute bilden zB. den weitaus überwiegenden Bestandteil einer sorgfältigen, tagebuchmäßig durchgeführten Beobachtung des Generals J. D. Campbell. So notiert er am 13. Nov. 1882:'...hörte drei sehr laute Krache in meinem Schlafzimmer, etwa eine Minute nach Betreten des Bettes.

Der Ton war nicht zu beschreiben, - etwa ein Mittelding zwischen dem Zerspringen eines Baumstammes durch Blitz, dem plötzlichen Brechen eines dreizölligen Brettes über einem festen Stützpunkt und dem Knall einer Büchse, aber länger andauernd...' Von solchen Tönen erschollen meist drei zur Zeit, und General C. erblickte darin eine Andeutung von Verstand, da er wiederholt das Ansuchen um diese Zahl gestellt hatte.

Die Klopflaute wie auch das gelegentliche unerklärliche Anschlagen der Glocken wurden von mehreren Personen gehört. General C. vernahm bei einzelnen Gelegenheiten undeutliches leises Weinen und hörte seinen Namen rufen, und ein anderer Perzipient sah zweimal eine Gestalt. [2]

In einem andern gutbezeugten Falle, den Prof. Barrett sammelte, sahen mehrere Einwohner eines Hauses, unabhängig voneinander und ohne gegenseitige Verständigung, die Gestalt einer alten Frau in grauem Umlegetuch.

'Wir wurden', berichtet aber H. C. S. B. gleichzeitig, 'Nacht für Nacht durch das Erklingen starker Schläge geweckt, wie ich sie beim Zerkleinern von Torf mit dem Spalthammer habe hervorbringen hören, und vernahmen bei Tage und bei Nacht schwere Fußtritte, die treppauf und treppab gingen. ..

Eines Nachts, als ich infolge eines schmerzhaften Fußes völlig wach lag, erfolgte ein lauter Ton neben meinem Bett, wie vom Fallen eines schweren Körpers, ja das ganze Zimmer erzitterte von dem Fall. Meine Schwester [die neben mir schlief] fuhr aus tiefem Schlaf und rief im Tone der Angst aus: 'Was ist es? Was ist es?' Was hast du gehört, fragte ich.

'Etwas Schweres, das dort fiel', sagte sie und deutete auf den Fleck, an dem ich es gehört hatte, welches genau der Fleck war, an dem [die Gestalt] mir erschienen war. Sie stand auf und durchsuchte das Zimmer, fand aber keine Erklärung... Häufig ist in diesem Zimmer, sowohl bei Tage als auch spät abends, mein Kleid gezerrt worden, wie von einer greifenden Hand.' [3]

Mit der letzterwähnten Einzelheit gelangen wir zu Berichten von objek- tiven Leistungen der Phantome, wie wir sie normalerweise nur durch Hände ausgeführt denken können. Hier wäre zunächst die Gewissenhaftigkeit vieler Gespenster zu rühmen, welche sich über ihre natürlichen Ansprüche auf Durchdringung der Materie hinwegsetzen und bei ihrem Eintritt und

[1] Vgl. die Fälle bei Gurney II 130 und Flammarion 67ff. (Gen. Parmentier).
[2] Pr V 477-85.
[3] as if grasped by a hand. - Pr II 141-4.


Kap L . Objektive Wirkungen von Phantomen.         (S. 543)

oft auch Abschied die Zimmertür öffnen und schließen. [1] Etwas sehr Gewöhnliches ist das Auf- und Zugehen von Türen in Spukhäusern, wenn auch nicht immer in unmittelbarer Verbindung mit den örtlichen Phantomen. Ich möchte, zunächst ohne alle kritischen Bemerkungen, zwei Fälle kurz wiedergeben, in denen sich diese Einzelheit mit andern bereits besprochenen verbindet.

Mrs. G., die vor etwa 14 Tagen (im Winter 1887) umgezogen ist, hört eines Nachts Schluchzen und Stöhnen, dazwischen ein schweres Aufschlagen, und von einer sehr angenehmen Stimme die Worte: .'0 vergib mir'. Sie weckt die Magd und führt sie ins Zimmer.

Das Schluchzen und Stöhnen beginnt wieder, mit schwerem Trampeln von Füßen und 'solchen Schlägen, als würden schwere Kisten mit Geschirr umhergeworfen'. Von der Zeit ab hören die Kinder häufig Ähnliches und sehen ein Gesicht 'um die Ecke der Tür gucken'.

Es folgen schwere Schläge gegen die Schlafzimmertür, Erzittern des Bettes, weitere Erscheinungen eines Mannes, Angstanfälle des Hundes, das Geräusch von Fußtritten, das anscheinende Niederdrücken von Türklinken, weiße Lichter, wiederholtes Sichöffnen und -schließen der Türen 'von selbst', Läuten der Hausglocke, Weinen und Sprechen.

Über diese Beobachtungen liegt ein gleichzeitig von Mrs. G. geführtes Tagebuch sowie ein längerer zusammenhängender Bericht vor. Die Magd und einige Herren, die der Sache auf den Grund zu kommen suchten (aber nicht kamen), bezeugen unabhängig einige dieser Tatsachen, namentlich die kollektive Wahrnehmung einer Gestalt.

Auch Miss Morris, die frühere lnhaberin des Hauses, hatte dieselben Erfahrungen gemacht, insbesondere auch 'eine Gestalt in Schwarz, mit sehr blassem Gesicht und trostlosem Blick' gesehen. Urkundliche Beweise liegen vor, daß am 28. März 1879 eine Mrs. M. F., 42 Jahre alt, sich in diesem Hause erhängt hatte. [2]

'Mir selbst geschah es häufig', berichtet eine andere Perzipientin, Mrs. W. B. R-d., 'daß Türen sich für mich öffneten, wenn ich ein Zimmer betreten wollte, als ob eine Hand schnell die Klinke gedrückt und die Tür aufgerissen hätte.'

Dazu wurden in dem Hause wiederholt und von Mehreren 'Schluchzen und Seufzen, tiefe lange Seufzer zu allen Tageszeiten', eine Gestalt, 'Licht' in Verbindung mit 'eiskaltem Wind' und mannigfacher Lärm: anscheinende Fußtritte, Umherspringen, Klirren der Fenster usw. wahrgenommen, was auch den Hund mit größter Angst erfüllte.

'Eines Nachts', schreibt Mrs. R-d., 'wurde ich erweckt, fühlte einen eisigen Wind durch mein Zimmer wehen und hörte lautes Schluchzen; die Bettvorhänge wurden zurückgezogen und ich an meinem Haar gezerrt.' Auch beschreibt sie das zeitweilige Gefühl, als sehe ihr jemand zu, - die so oft beschriebene Empfindung einer 'Anwesenheit'.s

Ich könnte äußerst zahlreiche Beispiele dieser Art geben, versage es mir aber, weil sie von größter Einförmigkeit sind. - Von den mehr nach Objektivität schmeckenden Angaben haben wir als leidlich fragwürdig einige schon früher ablehnend besprochen. Einige weitere, wie das Zittern und Schüttern von Gegenständen, wird der harmlose Zweifler vermutlich

[1] Gurney stellt hierzu seine Nrn. 15. 30. 190. 495. 530. 537. 591. 659. 670. 676. 696 und 698 zusammen. Vgl. auch PS XXI 51ff.. bes. 55.
[2] Pr VI 259-69. Vgl. Pr X 344f. und Kerner, Seherin 453 Anm.
[3] Pr III 115f.


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Kap L . Objektive Wirkungen von Phantomen.         (S. 544)

auf 'zufällige' Einflüsse oder auf Einbildung zurückführen, das Läuten von Glocken vielleicht auf noch banalere Eingriffe einer tückischen Menschheit. Dieser harmlose Zweifler ist ein Mann der glücklichen Einfälle, und man darf ihm die Hausbackenheit seiner Deutungen nicht verübeln, so sehr es auch fraglich sein mag, ob sie einer Woche in einem Spukhause standhalten würden, oder auch nur der eingehenden Aussprache mit einem gebildeten Bewohner eines solchen; - gegen die rührende Leichtgläubigkeit des Spuksüchtigen mögen sie immerhin ein Gegengewicht abgeben. -

Von den übrigen Einzelheiten der obigen Berichte werden zwei uns noch oft begegnen, so oft, daß wir ihre typische Wirklichkeit allmählich lebhafter 'fühlen' werden: die Klopf- und Lärmphänomene und die Empfindung des 'kalten Windes', - ein seltsamer, gar nicht leicht zu erfinden- der Umstand von erstaunlicher Verbreitung. Bleibt als die scheinbar 'objektivste' aller erwähnten Leistungen das Öffnen und Schließen von Türen.

Sowohl Gurney als auch die Verfasser des Zensus-Berichtes (zu schweigen von weniger vorurteilslosen Kritikern) haben dies für Teile des halluzinatorischen Gesamterlebnisses erklärt, [1] und ich sagte schon, daß man dies, zumal bezüglich 'einmaliger' Phantome (auf die sich jene Kritiker fast ausschließlich bezogen), in möglichst weitem Umfang wird gelten lassen müssen.

Halluziniere ich das Auftreten eines Phantoms, warum sollte ich nicht mit seinem Eintreten durch die Tür, oder gar mit seinem Niederdrücken der Türklinke beginnen, und entsprechend schließen? Dieser Gedanke ist einleuchtend und vermutlich richtig. [2] Ob in allen Fällen, mag fraglich erscheinen. Schon manchen der obigen Berichte tut er einigermaßen Gewalt an. Andere sträuben sich gegen ihn mit jedem Worte.

Im Hause des Advokaten Joller (wo der Spuk vom Herbst 1860 bis zur freiwilligen Aufgabe des Hauses im akt. 1862 dauerte) öffneten sich vielfach Türen, die man verschlossen hatte. 'Kaum [waren die Kinder] weg, stand die vorher geschlossene Schreibzimmertür des Vaters wieder offen; sie schlossen sie noch einmal zu.

Bald meinten sie, ganz deutlich die dumpfen Tritte eines über die Stiege Herunterkommenden zu vernehmen. Da ging die Kammertüre auf; auch diese schlossen sie und schoben, so gut es gehen wollte, den Nachtriegel vor; dessenungeachtet öffnete sie sich wieder.' [3]

Aber das Inventar der objektiven Leistungen von Phantomen ist hiermit nicht abgeschlossen. Nur im Vorübergehen erwähnen will ich eine Gruppe von Berichten, nach denen in der Todesstunde eines dem Beobachter Nahestehenden gewisse seltsame Wirkungen in dessen Hause oder

[1] Pr X 191 Anm. 2.
[2] Vgl. Gurney, Fall Nr. 686, und Pr III 144 Anm.
[3] PS XIII 57. Vgl. Pr III 81f. 115f.; Jung, Theorie 293f. (1. Hand); Sphinx XXI 217ff. (A. Matkowsky üb. d. Spuk in Harvestehude). Das 'weltberühmte Gespenst auf dem Carolino zu Braunschweig' vollbrachte gleiches. Das oft berichtete Fortziehen von Bettvorhängen oder Bettdecken muß wegen der möglichen Voraussetzung von Halbschlaf verdächtig erscheinen. S. zB. Gurney I 416; II 487; Harrison 49 f.; Pr III 111; PS XXII 568.


Kap L . Objektive Wirkungen von Phantomen.         (S. 545)

Umgebung erfolgen, wie das scheinbar ursachlose Stehen bleiben auf- gezogener Uhren, das Zerspringen von Ringen, Spiegeln oder Möbelstücken, die Selbstzertrümmerung von Gläsern in kleine Bruchstücke, das Bersten von Klaviersaiten, das Herabstürzen oder Bewegtwerden von Gegenständen u. dgl. m. [1]

Wir hören etwa von einem Bilde, das in der Todesstunde des Dargestellten sich von der Wand abhebt und 'mit lautem Schalle' an sie zurückklappt, [2] von einem 'schweren Reitermantel', der sich in der Sterbestunde des Bruders seines Besitzers von einem Stuhle 'langsam bis zur Manneshöhe emporhebt, eine Sekunde stehen bleibt und dann ebenso langsam wieder auf den Stuhl zurücksinkt', [3] oder von Klaviertasten, die sich unberührt scheinbar selbst anschlagen. [4]

Die äußersten Zumutungen in dieser Richtung stellt der Bericht 'eines biedern Gewerkmeisters' und Spiritisten, Herrn K. in Lichterfelde, wonach dieser und seine Schwester unmittelbar nach dem tieferregenden Hinscheiden ihrer Mutter, einer Wäscherin, vom Waschfaß in der Küche her ein Geräusch vernahmen, welches die Schwester veranlaßte, hinzugehn und den Bruder zu rufen; worauf beide sahen, wie sich 'an der Wäsche alle die Manipulationen vollzogen, die geschehen, wenn die Wäsche gewaschen und ausgewrungen wird; nur war hier die Person, die hantierte, für uns unsichtbar.

Wir sahen nur die Wäsche sich von selbst heben, schwingen und ausgewrungen in das nebenstehende Gefäß fallen. Und dies alles mit einer Hast und einem Eifer, daß wir uns verwundert ansahen. Meine Schwester eilte zur Nachbarin. Auch sie wurde Zeugin des Vorgangs. Nach etwa 4-5 Minuten nahm die Kraft und Schnelligkeit der Bewegung ab, bis gänzliche Ruhe eintrat. Nichts ähnliches hat sich später ereignet.' [5]

Ich lege nicht viel Gewicht auf Fälle dieser letzten Gruppe, weil ihre Bezeugung nicht durchweg eine gute ist, vor allem aber weil in keinem der besser beglaubigten die Wahrnehmung eines Phantoms auch nur angedeutet wird. [6]

Und ehe man seine Zuflucht nimmt zur Voraussetzung eines unsichtbar bleibenden Phantoms (wie ja auch in Spukhäusern die Vorgänge nicht immer mit der Erscheinung eines solchen zusammenfallen), mag man noch lieber die fraglichen Leistungen einem (telepathisch- unterrichteten) anwesenden Lebenden zuschreiben, der in einem bald zu besprechenden Sinne als 'physikalisches Medium' dienen würde. -

Die folgenden Beispiele nun teilen die erwähnte Zweideutigkeit nicht. Von einem Phantom zB., das eine Kerze löscht, berichtet das Ehepaar Gwynne aus einem Spukhause:

[1] S. zB. Daumer, Reich 94; PS XXV 289ff.; Uhr anhalten: PrAm 429; Pr XIV 240f.; Ringbruch: Pr XIV 243; Schles. Ztg. 1859 Nr. 175 S. 859; Tischplattensprung: Sphinx XII 11; Hausglockenlärm: Flammarion 168f. (CXXXII) usw.
[2] PS XII 385ff. (1. Hand).
[3] Daumer, Reich 102. Vgl. auch PS VIII 372f.
[4] Berichte von Victorien Sardou u. a. bei Flammarion.
[5] Berichtet von A. Schumann in ÜW VII 400f. Vgl. auch BP I 124; II 11.
[6] S. solche Andeutungen PS 1902 413. 414; ÜW X 331.



 
Kap L . Objektive Wirkungen von Phantomen.         (S. 546)

Mann und Frau sahen eine gekleidete Gestalt am Fußende des Bettes vorüber auf den Kamin zuschreiten. 'Ich sah deutlich, bezeugt Mrs. Gwynne, wie das Phantom die Hand über das Nachtlicht legte [das auf dem Kaminsims stand], welches sofort ausgelöscht wurde.'

Mr. Gwynnes Bericht sagt bloß, er habe den Arm der Gestalt erhoben gesehen, mit der Hand auf den Kaminsims weisend, auf dem das Nachtlicht brannte; in diesem Augenblick habe Mrs. G, seinen Ann ergriffen und  das Licht sei erloschen. [1]

Der folgende Bericht enthält Ähnliches in wesentlich undeutlicherer Form, aber verbunden mit Einzelheiten von sachlichem Interesse. In dem fraglichen Hause war im Jahre 1880 die schlecht behandelte Frau eines Werkmeisters gestorben, welcher zwei Monate später aus unbekannten Gründen die Wohnung verließ.

Einen Monat nach dem Einzug der neuen Mieter, Namens Bauer, vernahm eines Nachts Frl. Berta B., 'plötzlich wachwerdend, ein leises Geräusch, ähnlich schlürfenden Schritten unbeschuhter Füße.

Die Schritte kamen durch das Zimmer der Großmutter in unser [Kinder]zimmer herein, dann stieg es wehend den Kästen entlang, daß die Messingringe an den Schubladekästen leise erklangen; schließlich hauchte ein lichter Nebel knapp an meinem Bette vorbei und ziemlich rasch wieder durch die Tür in der Großmutter Zimmer zurück, wobei ich deutlich einen kalten Luftzug sowie einen penetranten Wachskerzen- und Leichengeruch [2] verspürte. ..'

Die Mutter fragte unabhängig sofort, ob die Großmutter umhergeschlichen sei (diese hatte aber geschlafen), und der große mutige Hund verkroch sich mit gesträubtem Haar hinter dem Bette der Großmutter. Als man ihn endlich dazu brachte, hervorzukommen, 'war sein Haar durch und durch naß von Schweiß'.

In der nächsten Nacht beobachteten alle drei Frauen (und der Hund!) um die gleiche Zeit denselben Spuk. Desgleichen in der dann folgenden Nacht, wo auch der Vater anwesend war. Seine Kerze verlosch, als der Spuk vorüberzog und 'wie mit leisem, winselndem Gewimmer zur Tür hinausrauschte', [3]

Ich schließe unsere Reihe mit der Erwähnung einer ebenfalls typischen Spukwirkung, die völlig ins Reich der abenteuerlichen Gespenstergeschichten zu führen scheint und mir nur aus älterer und nicht erstklassiger Literatur bekannt ist.

Sie mag als fragwürdige Anregung hier stehen, sofern sie, künftig besser beobachtet, nicht nur die Objektivität von Phantomen außer Frage stellen, sondern auch die verzweifelten Probleme ihrer Physiologie in Gang bringen könnte. Es handelt sich nämlich dabei um die einzigen Wirkungen spontaner Phantome, die sowohl fortbestehen, als auch ihrer Art nach unter Umständen eine normale Erzeugung fast ausschließen:

nämlich um Brandwirkungen. Melanchthon bereits hatte von einer seIner Tanten berichtet, daß sie von dem Phantom ihres verstorbenen Gatten, dem sie die Hand gereicht, an dieser eine dauernde Schwärzung davongetragen; doch gibt es auch mehrere Geschichten von verbrannten Gegenständen, die von Gespenstern berührt wurden

[1] Gurney II 202f. (Nr. 321); vgl. Daumer I 161.
[2] Ein bemerkenswerter Fall von pestilenzialem Leichengeruch in Verbindung mit gehörtem Spuk in The Daily Chronicle, 15. April 1908 (gleichzeit. Bericht).
[3] PS XXIII 255ff. (Bestät. durch Familienglieder; Aufzeichnung kurz nach d. Vorfällen).


Kap L . Objektive Wirkungen von Phantomen.         (S. 547)

und somit dauernde, untersuchbare Zeugnisse einer Einwirkung lieferten, die jedenfalls nicht auf Suggestion zurückzuführen war.

Unter diesen ist die merkwürdigste wohl die vom Mädchen von Orlach. Diese Person, bei der ein 'Geist' längere Zeit hindurch erschien, gab ihm schließlich zum Abschied die Hand, aber (aus Furcht) durch das Sacktuch hindurch.

In dieses Sacktuch, welches noch 1867 existierte und auf Daumers Bitte von Hrn. Lehrer Müller in Geislingen in Augenschein genommen und eingehend beschrieben wurde, brannte die Hand des Gespenstes angeblich eine Anzahl Löcher ein, die, durch bloß gebräunte Stellen verbunden, die deutliche Abbildung einer Hand ergaben. 'Die BrandsteIlen gaben keinen Geruch von sich, sagt Kerner, und auch im Momente des Glimmens bemerkte das Mädchen keinen Geruch.' [1]

Auch der ehemals berühmte 'Geist' in Gefängnis der Eßlinger, über den Kerner ein ganzes Buch mit eigenen und fremden Zeugnissen füllte, soll Löcher mit seiner Hand in ein Tuch gebrannt haben. [2]

Geschlossene Türen krachten, wenn er sie durch- schritt; er klopfte, schüttelte, klirrte an Fenstern, zog an Teppichen, seufzte und stöhnte für jedermann hörbar; verbreitete 'unerträglichen Modergeruch' und einen 'kühlen Wind' beim Vorüberschreiten; raschelte - gleich so vielen guten Spuken - 'wie Papier', hatte eine Helle um sich, oder ward auch nur von Einigen als eine sich bewegende Helle gesehen;

ja er ließ sich zu dritten Personen schicken, die seines Besuches nicht gewärtig waren; oder erschien freiwillig Dritten und gab nachher, von der Eßlinger befragt, wo er erschienen sei, die richtige Antwort. Kurz, er benahm sich wie das leistungsfähigste aller Gespenster. Man lese Kerners erstaunliches Buch, und man wird empfinden, wieviel schwerer es heutzutage ein Gespenst hat, sich gegen eine Welt von Zweiflern (einschließlich Herrn Podmore) durchzusetzen.

[1] J. Kerner, Geschichten Besessener neuerer Zeit (Karlsr. 1834) 41f. 47f.; Daumer II 83. 87ff. 313f. - Vgl. ferner Imbert II 142f.; Perty, M. E. II 182. 197. 198; Jung, Theorie 225ff.; Kerner. Seherin (Orig.-Ausg.) II 136f.
[2] Kerner, Ersch. 210; vgl. 14.
   

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