Der Jenseitige Mensch
Emil Mattiesen

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Kap LI. Metaphysikalische Leistungen.             (S. 547)

Es ist wohl unbestreitbar, daß wenn wir nur die Hälfte dieser letzten Berichte, so wie sie dastehen, glauben dürften, die Frage des objektiven Phantoms seiner Lösung nahe wäre. Hinterläßt die letzte Reihe einen unbefriedigenden Eindruck, so liegt das nicht an inhaltlicher Dürftigkeit, sondern an unzulänglicher Beglaubigung vielfach gerade der entscheiden- den Einzelheiten.

Diese empfundene Verdächtigkeit geht aber letzten Endes auf. die Einsicht zurück, daß jene Beobachtungen und Berichte unter Verhältnissen zustande kamen, unter denen wissenschaftlich genaue Beobachtungen und Berichte nicht leicht zu erwarten sind.

Fast alle Beobachtungen kamen dem Perzipienten überraschend und schwanden flüchtig dahin; fast alle müssen alsbald einen Geisteszustand bewirkt haben, welcher sorgfältiger Auffassung und Einprägung des wirklich Vorfallenden nicht zuträglich war, und nur wenige Berichte sind genügend bald und


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ausführlich abgefaßt, um die hundert angeborenen Schwächen des Zeugnisses auszuschließen.

Es ist daher von großer Wichtigkeit, daß viele, wenn nicht die meisten Einzelheiten der vorgeführten Fälle auch unter wesentlich günstigeren Bedingungen beobachtet worden sind. Ich will nicht sagen, daß die Beobachtung von Phantomen und von übernormalen, 'metaphysikalischen' Leistungen, die wir dem Experiment verdanken, von Störungen psychischer Herkunft - Erregung, Überraschung, Voreingenommenheit u. dgl.- frei sei.

Es ist sogar aus eben dieser experimentellen Natur ein neues Hemmnis erwachsen, von dem die spontanen Fälle fast völlig frei sind: der bezweckte und raffinierte Betrug, zu dessen Ausschaltung unablässig .besondere Vorkehrungen des Experiments erfordert werden.

Dennoch kann mit Bestimmtheit behauptet werden, daß in einzelnen Fällen (die dann die 'Stützung' der andern übernehmen müssen) die experimentelle Beobachtung von Phantomen und metaphysikalischen Leistungen eine Höhenlage erreicht hat, die bezüglich Umsicht der Anordnungen und Sicherheit der Feststellungen nur wenig, falls überhaupt, unter dem Niveau liegt, das auch in andern vollgültigen Wissenschaften vielfach allein erreicht, oder selbst nur angestrebt wird.

Wenn wir diesen experimentellen Nachprüfungen und Bestätigungen der spontanen Vorgänge nunmehr einige Aufmerksamkeit schenken, so versteht es sich von selbst, daß wir den verbreiteten populären Standpunkt, der diese Erscheinungen von vornherein für 'spiritistische' hält, d. h. für Wirkungen von Verstorbenen, zunächst vollkommen beiseitelassen.

Es handelt sich für uns immer noch bloß um die Frage der Objektivität jener Erscheinungen und Wirkungen überhaupt, und wir werden aus naheliegenden Gründen diese Objektivität ebenso dankbar dort feststellen, wo nur eine der beiden Tatsachen uns gegeben ist, als da, wo beide verbunden auftreten.

Unser erster Versuch einer Verankerung des zufällig Bemerkten im experimentell Beobachteten gilt den anscheinend phantomgeborenen Lärmerscheinungen, insonderheit jenen, die ich gleich bei ihrer Einführung als die scheinbar wesenloseren, in Wahrheit aber bedeutsameren bezeichnete. Klopflaute - raps - sind das meist berichtete, in einigen Fällen sicherst-verbürgte, endlich dasjenige Phänomen, auf dessen Wegdeutung der kindlichste Erfindungsreichtum verschwendet worden ist.

Aus dem Meer der Berichte hier einen Tropfen, um den unbewanderten Leser mit der Eigenart dieser Dinge bekannt zu machen.

Klopflaute bestehen, wie es scheint, in einer ohne Berührung hervorgebrachten örtlichen, fast punktuellen Erschütterung eines mehr oder weniger festen Materials, die sich denn auch nicht bloß durch das Ohr, sondern gleichzeitig durch den Tastsinn feststellen läßt.

Ich verweise zB. auf die sorgfältigen Beobachtungen R. D. Owens, welcher in einem Felsenriff Klopflaute erhielt. 'Gleichzeitig mit jedem rap fühlte ich [vermöge der aufgelegten Hand) eine leichte, aber unverkennbar deut-


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liche Erschütterung des Gesteins.' [1] Ihr tonlicher Charakter hängt wesentlich von Härte und Bau jenes Materials ab, und daher sind Klopflaute sehr verschieden, je nachdem sie in bezw. auf einer Tischplatte, einer Tür, einer Wand, einem Buch, einem Papierbogen, einem Kleidungsstück, einem Glase oder sonstwo erzeugt weden.

Indessen ist auch in dem gleichen Material der Klang nicht immer derselbe. Anstatt kurz und scharf, können die Klopflaute in demselben Stoff auch dumpf sein, wie wenn sie dem gedämpften Aufprall eines weichen Körpers entstammten; sie können in eine Art von Kratzen, Sägen, Knabbern u. dgl. übergehen.

Außer ihrem Toncharakter wechselt aber auch ihre Stärke sehr bedeutend von Fall zu Fall, vom leisesten Knistern oder Knacken bis zu Detonationen, die durch ein ganzes Haus gehört werden. Endlich ist auch ihr Rhythmus den mannigfachsten Abwandlungen zugänglich.

Schon diese kurzen Angaben enthüllen eine Menge von Ähnlichkeiten zwischen den Klopf tönen des mediumistischen Versuchszimmers und den nicht eigentlich 'menschlichen' Lautbestandteilen des Spuks.

Auch sind sie keine Erfindung der modernen Spiritisten, die durch die Vorgänge in Hydesville in Mode gekommen wäre, vielmehr der älteren Forschung, selbst der völkerkundlichen in allen Weltteilen wohlbekannt. [2]

Sie nehmen häufig einen Umfang und Formen an, die ihre 'natürliche' Erzeugung ohne 'Entdeckung' ausschließen: wie wenn uns R. D. Owen, gewiß kein schlechter Zeuge, von kolossalen Schlägen auf dem Tisch berichtet, die 'das Haus erzittern lassen', und zwar bei 'heller Gasbeleuchtung'; [3]

oder Architekt Winkler (Charlottenburg) Klopftöne an der Wand eines mit Wasser gefüllten Zinkgefäßes beschreibt, in dem die Füße des Mediums ruhig freischweben, wobei 'ein Ausbauchen der Zinkwandung deutlich fühlbar' wird; [4] oder Dr. Maxwell, ein äußerst scharfsinniger Beobachter, sie aus der Spitze eines schreibenden Bleistifts ertönen hört, auf dessen anderes Ende er 'sehr sorgfältig seine Hand' drückt, um festzustellen, daß er 'die ganze Zeit fest und ruhig auf dem Papiere bleibt'. [5]

Auch werden Klopf töne stets von allen, auch zufällig Anwesenden gehört, die sie in keiner Weise erwarteten, [6] und erfolgen zuweilen deutlich in Gegenständen, von denen das Medium 2-3 m entfernt ist. [7]

Unter solchen Umständen will ich mich hier nicht mit eingehenderen Erhärtungen der Abnormität dieser Erscheinung aufhalten, deren Wichtigkeit für unsern Zusammenhang immerhin nur eine geringe ist.

Wer die besten Beschreibungen der Tatsachen kennt [8] und gleichwohl an der Ansicht festhält, daß Klopftöne ausnahmelos durch 'normale' Verwendung von Fingerknöcheln oder Fingernägeln, Stiefelabsätzen, 'schnappenden Sehnen' oder gar maschinellen Vorrichtungen erzeugt werden, den vermag ich beim besten Willen nicht um seine Besonnenheit des Urteils zu beneiden.

Kommen wir zu Leistungen der spontanen Phantome, die ein Bewegen von Gegenständen einschließen, so läßt sich sagen, daß sie

[1] Owen, Deb. L.269.
[2] S. zB. jacolliot 231. 239. 246.
[3] Owen, Deb. L. 276f.
[4] PS XXIII 484ff.
[5] Maxwell 79.
[6] das. 90.
[7] das. 74.
[8] Überzeugend sorgfältige Beschreibungen zB. bei Maxwell 72-92; Prof. Barrett: Pr IV 29ff.; Prof. Alexander: Pr VII 177ff.; Crookes 86f.; Vesme III 201f. 206; Rep. of Dia!. Soc. Com. 383. 386.


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Kap LI. Metaphysikalische Leistungen.             (S. 550)

von den 'metaphysikalischen' Leistungen der Medien weit übertroffen werden.

Was zB. das zur Spielerei gewordene 'Tischrücken' anlangt, so hat die Wissenschaft sich ihm gegenüber mit Erklärungen bemüht, die schon veraltet waren, als man sie aufstellte.

Die übliche Deutung durch unwillkürliche Muskelalltriebe [1] wurde, selbst unter Zulassung von Berührung, durch zwischengeschaltete Apparate widerlegt, [2] wie etwa von Brettern, die auf Rollen oder Kugeln auf dem Tische frei beweglich waren, [3] oder von Gefäßen mit Flüssigkeit, in die das Medium seine Hände ohne Berührung der Wände eintauchte. [4]

Ebenso erzielte schon früh Prof. Thury in Genf [5] Bewegungen eines Tisches, dessen Oberfläche zwecks Ausschließung von Berührungen gleichmäßig mit Mehl bestäubt war, wenn die Zirkelteilnehmer ihre Hände über dem Tisch zusammenschlossen. [6]

Überdies sind Bewegungen von Tischen und andern Möbelstücken zuweilen von solchem Charakter und Umfang, daß 'unwillkürliche Muskelantriebe' sie so wenig erklären könnten, wie die Ortsveränderungen des Hausrats bei einem Familienumzuge. Prof. Barrett bezeugt, daß bei einer Gelegenheit 'ein schwerer Spieltisch in [seinem] eigenen Hause bei Tageslicht umhertrabte.

Die Bewegungen hätten selbst durch die vereinigten Muskelanstrengungen aller Anwesenden nicht erzielt werden können'. [7] Überdies geht in Fällen von Erhebung schwerer Gegenstände, zB. von Tischen bei bloßer 'Berührung', der Auftrieb zuweilen fast über jedes Maß von Leistungsfähigkeit normaler Muskelkraft hinaus.

Dr. E. v. Krasnicki zB. suchte einen erhobenen Tisch herabzudrücken, was ihm 'trotz der furchtbarsten Anstrengungen' und mit Zuhilfenahme seines ganzen Körpergewichtes nicht gelang, 'während die zwei schwachen Frauen, die mit ausgestreckten Händen den Tisch auf ihren Fingerspitzen balancieren ließen, dazu lachten und nicht den geringsten Druck zu verspüren erklärten...'

Das Herabdrücken, um das sich noch ein anderer Herr 'im Schweiße seines Angesichts' vergeblich bemühte, gelang schließlich, indem dieser sich mit der ganzen Körperschwere sitzlings auf den Tisch fallen ließ, wobei sich dieser senkte - nicht mit einem Ruck, sondern 'als ob er durch einen halbdichten Körper, etwa wie durch weichen Lehm, hindurchgedrückt würde'. [8]

Der 'kritische und skeptische' Rev. O. B. Frothingham teilte Savage mit, 'daß er und sechs andere Männer oben auf einem großen Tafelklavier gesessen hätten, während es in die Luft erhoben wurde,... [weil] ein zartes Frauenzimmer die Oberfläche des Klaviers mit ihren Fingern berührte'. [9] - Auch die in Sitzungen nicht selten gut beobachtete

[1] Darauf beruhten die Erklärungen Chevreuls, Babinets und Faradays.
[2] von den Prof. Thury, Crookes, Butlerow und Hare; näheres bei Vesme iii 180ff. Vgl. die Tatsache, daß sich die Tische oft gegen die Hände zu bewegen, schon früh von Seguin, einem hervorragenden Ingenieur, geltend gemacht. (S. Mirville 433; vgl. auch PS XIX 553.)
[3] PS XIX 552.
[4] Acevedo II 221.
[5] M. Thury, Les tables tournantes... (Genève 1855); von Flournoy (Des Indes 356) als ein 'Muster wissenschaftlicher Beobachtung' bezeichnet.
[6] Erhebung ohne jede Berührung auch nach Prof. Barrett in JSPR XII 7; Crookes 88; PS V 368 (A. R. Wallace); X 125f. (E. W. Cox, F. G. S.); V 201 (Dr. med. Nichols); Owen, Deb. L.281ff.; bei der Palladino: Acevedo II 194. 223ff.; APS VI 282; PS XX 4ff.; Pr XXIII 331f. u. sehr oft.
[7] Barrett 19; vgl. Pr VII 173ff. Die lächerliche Annahme der Verwendung versteckter Maschinerie muß dem gänzlich Unbelesenen überlassen werden.
[8] PS XXIII 304f. Vgl. Barrett 116f. (nach General Boldero); d'Espérance 210ff.; Pr IV 80f. (C. C. Massey).
[9] Savage 61. Vgl. über das 'Tanzen' mehrerer Zentner schwerer Möbelstücke in Gegenwart der Angélique Cattin (untersucht u. a. von Arago): Vesme III 149; Figuier.. Hist. du Merv. IV ch. 9.


Kap LI. Metaphysikalische Leistungen.             (S. 551)

Erhebung des Mediums mitsamt seinem Stuhl auf den vor ihm stehenden Tisch ist eine Leistung, deren Größe jede unentdeckte normale Ursache ausschließt. [1]

Die bisher erwähnten Leistungen hatten das Gemeinsame einer gewissen groben Formlosigkeit; sie ähnelten auf den ersten Blick Vorgängen wie Explosionen, Stößen oder Abstoßungen in einer oder sehr wenigen Richtungen. [2]

Aber bei weitem nicht alle metaphysikalischen Vorgänge sind dieser Art, und unsere flüchtige Übersicht, die ja doch theoretischen Erwägungen vorarbeiten will, muß diese Unterschiede schon hier durch Sonderung der Darstellung bemerklich machen.

Die Beobachtung behauptet vielfach Bewegungen schwerer Gegenstände durch den Raum auf bestimmten verwickelten Bahnen und ihre vorsichtige Niederlegung an offenbar beabsichtigten Punkten, etwa in den Händen Anwesender;

ferner ihre intelligente und zweckentsprechende Handhabung in der Ruhelage, wie auch während ihrer Umherbewegung, - wie etwa das Fächeln mehrerer Personen der Reihe nach durch einen ohne Berührung sich entsprechend bewegenden Fächer, das Spielen auf Musikinstrumenten, das Schürzen oder Lösen von Knoten u. dgl. m.

Die Beglaubigung dieser (sagen wir) handmäßigen Leistungen ist nicht in allen Fällen so überwältigend, wie die der bisher erwähnten; auch ist bis heute unter Sachverständigen der Streit der Meinungen nicht völlig abgeschlossen, hauptsächlich weil eben nicht alle Beobachter die überzeugendsten Beobachtungen haben machen können;

werden doch ihren Untersuchungen durch den vielfach versuchten Betrug Bedingungen auferlegt, wie sie keine andere wissenschaftliche Arbeit sich gefallen zu lassen braucht. Immerhin darf man sagen, daß manche der schärfsten und in den Methoden des Betrugs geübtesten Beobachter sich jetzt von der Wirklichkeit des so lange Fraglichen überzeugt haben, nachdem sie die Möglichkeiten von Täuschung und Irrtum durch Verschärfung und Verfeinerung der Versuchsanordnung aufs äußerste eingeschränkt haben. [3]

So ist das bekannteste der 'physikalischen Medien', die berühmte Eusapia Palladino, im Winter 1908 von den Herren Feilding, Baggally und Carrington unter etwa folgenden Bedingungen geprüft worden: In einem von den Beobachtern bewohnten Hotelzimmer in Neapel wurde ein Eckdreieck von 80 cm Höhe (das' Kabinett') durch einen an Draht aufgehängten Vorhang abgeteilt.

Vor der Ankunft des Mediums wurde das Zimmer durchsucht, unnützes Mobiliar entfernt, nach dem Eintritt des Mediums die Tür verschlossen und dieses selbst an einen glatten, einfachen, genau untersuchten Tisch gesetzt, mit dem Rücken dem Kabinett zugewandt, in

[1] S. zB. PS XX 20 (Eus. Palladino)j A. R. Wallace, My Life (Lond. 1905) II 292 (Miss Nicholl) u. sehr oft.
[2] Auch des Chemikers Prof. Dr. R. Hare klassische Experimental Investigation. .. (N. Y. 1855) gelangt nicht über derartige Leistungen hinaus.
3) Die ergötzlichste Darstellung des betrügerischen physikalischen Mediumismus bietet J. W. Truesdell, The bottom facts concerning the science of spiritualism... (N. Y. 1883), die gründlichste neuere H. Carrington, The physical phenomena of spiritualism, fraudulent and genuine (Boston 1907).


Kap LI. Metaphysikalische Leistungen.             (S. 552)

einem Abstand von 2 -2,5  Fuß zwischen Stuhllehne und geschlossenem Vorhang. [1] Eine Gruppe elektrischer Glühbirnen von verschiedener Lichtstärke hing von der Decke herab in einem Abstand von ca. 6 Fuß vom Kopfe des Mediums. Hände und Füße desselben wurden durch Hände und Füße der neben ihm sitzenden Versuchsleiter in wechselnder Weise kontrolliert. [2]

Um die Hinlänglichkeit dieser Hand- und Fußkontrolle hat sich hauptsächlich der Meinungsstreit gedreht, der lange das Neapeler Medium umtobt hat, zumal alle seine Beobachter sich überzeugt haben, daß dieses, wenn schlecht aufgelegt und 'kraftlos', nach Gelegenheiten sucht, eine oder beide Hände zu befreien, um den Phänomenen nachzuhelfen oder völlig ausbleibende vorzutäuschen.

Auch die genannten Herren haben, besonders an drei 'schlechten Abenden', derartiges beobachtet; sie kommen aber zu dem zweifelsfreien Endergebnis, daß unter gewissen Bedingungen die Kontrolle des Mediums leicht sei und die beobachteten Leistungen durch keinerlei Vertauschung - und damit Befreiung - von Händen oder Füßen erklärt werden können. [3]

Abgesehen hiervon waren Hände und Füße des Mediums wiederholt mit Stricken gefesselt. [4] Die normal-unerklärlichen Ergebnisse wurden aber weder durch verstärkte Gründlichkeit der Kontrolle im ungünstigen, noch durch ihr Nachlassen im günstigen  Sinne beeinflußt. [5]

Zwei von den drei genannten Beobachtern durften als besondere Kenner betrügerischer Kunstgriffe gelten, waren als solche zu den Versuchen abgeordnet und legten diese ausschließlich auf Feststellung des Gegebenseins oder Nichtgegebenseins betrügerischer Mittel an.

Alles Beobachtete wurde augenblicklich einer anwesenden Stenographin in die Feder diktiert, und diese fast minutenweise fortschreitenden Sitzungsberichte geben laufend die jeweils angewandten Kontrollrnaßregeln und die jeweils eingeschaltete Lichtstärke der Zimmerbeleuchtung an.

Es ist nicht möglich, auf die Bedingungen aller Serien von Sitzungen einzugehen, von denen einige in der Geschichte dieser Forschungen klassischen Rang haben.' Genüge es zu sagen, daß auch unter den namhafteren ihrer Beobachter,

darunter die Professoren Richet, Lombroso, Morselli, Bottazzi,7 Schiaparelli, Curie, Lodge, Flammarion, Bergson, v. Schrenck-Notzing u. a. m. die Ansicht vorherrscht, daß ein  bedeutender Teil der physikalischen Vorgänge bei der Palladino über das normal zu Leistende hinausgehe und einer, wie man sagt, 'telekinetischen' oder 'teleplasmatischen' Fähigkeit zuzuschreiben sei, also eine Wirkung in die Ferne ohne Vermittlung der normalen Gliedmaßen beweise.

Während der oben beschriebenen Sitzungen in Neapel nun wurden Leistungen der jetzt fraglichen 'handmäßigen' Art in großer Zahl und z. T. unter ausgezeichneten  Bedingungen beobachtet.

Drei- oder viermal erschien ein kleiner ins Kabinett gestellter Tisch im Gewicht von 3,4 kg über des Mediums Schulter, 'als wäre er von jemand innerhalb des Kabinetts aufgehoben worden, und landete auf dem Sitzungstisch [vor dem Medium] in horizontaler Lage. .. Nachdem der kleine Tisch in dieser Weise hinter dem Vorhang hervorgekommen, bewegte er sich häufig umher,

[1] Über Körperuntersuchungen des Med. durch gelegentl. teilnehmende Damen s; Pr XXIII 502. 505.
[
2] Bei einzelnen Gelegenheiten waren Hände und Füße des Med. an die der Sitzer gefesselt.
[3] Pr XXIII 325ff. 391ff. 436ff. 456ff. u. sonst. - 'Vertauschung': das Med.  führt allmählich die Hand des einen Kontrollierenden an die des andern heran" bis schließlich beide nur eine Hand kontrollieren und die zweite frei wird.
[4] das. 401. 507f.
[5] das. 323f.!
[6] Die Bibliographie der Palladino von 1895-1907 allein umfaßt 29 Seiten in Morsellis Psicologia e Spiritismo.
[7] Prof. der Physiologie in Neapel.


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Kap LI. Metaphysikalische Leistungen.             (S. 553)

bisweilen sich dem Medium nähernd, bisweilen von ihm sich entfernend, oder erhob sich, während er in einer gewissen Entfernung von ihm stand, ohne sichtbare Berührung. ' [1] Gegenstände, die (Eusapias Wunsch und Gewohnheit gemäß) im Kabinett niedergelegt waren, wurden wiederholt aus diesem hervortransportiert: eine Trompete, ein Spielklavier, ein Brett mit feuchtem Ton u. a. m. [2]

Ich will also im Nachstehenden die Voraussetzung machen, daß durch die besten Sitzungen mit der Palladino ein gewisser fester Boden gewonnen ist, von dem aus auch die ganz ähnlichen, wenn auch nicht von so taschenspielerisch geschulten Beobachtern festgestellten Leistungen anderer Sitzungsreihen und anderer Medien von Rang ein Ansehen gewinnen, das sie sonst nicht gehabt hätten.

Von diesen will ich das Glaubwürdigste oder theoretisch Wichtigste in meine Darstellung einbeziehen, aber doch so, daß fast überall auch ähnliche und verbürgte Leistungen der Palladino als 'Stützung' angegeben werden. Und zwar will ich zunächst eine ganz kurze beschreibende Übersicht einiger derjenigen objektiven Leistungen geben,' die noch mehr als das bloße Hinführen von Gegenständen durch die Luft, einen 'handmäßigen' Charakter an sich tragen.

Ein Typ solcher Leistungen ist das Spielen von Musikinstrumenten ohne Berührung seitens des Mediums oder der Beisitzer, ohne Berührung wenigstens derjenigen Vorrichtungen, auf denen ihre Spielart beruht.

Berühmt in dieser Hinsicht ist D. D. Hornes Ziehharmonika. Diese habe in seinen Sitzungen gespielt, während er sie am tastenlosen Ende festhielt, indes die Tasten durch ein trommelförmiges Gehäuse jeder menschlichen Berührung entzogen waren. [3] Noch etwas weiter geht ein Bericht A. R. Wallaces über eine Sitzung, die er und Crookes (also zwei Naturforscher von Weltruf) mit Horne hatten:

'Das Zimmer war gut erleuchtet, und ich [unterm Sitzungstisch befindlich] sah deutlich Hornes Hand sein Instrument halten, welches auf und nieder ging und eine Melodie spielte ohne jede sichtbare Ursache. Als ich dies angab, sagte er: Jetzt will ich meine Hand fortnehmen, was er auch tat; aber das Instrument spielte fort.' [4]

In der dritten von mehreren Sitzungen mit Eusapia P. im Jahre 1907 in der Turiner Psychiatrischen Klinik - Sitzungsleiter Prof. Lombroso, Dr. Imoda und Dr. Andenino - erhob sich eine Mandoline vom Kabinettstisch und 'wurde auf den Sitzungstisch getragen, wo sie, von Allen gesehen, ganz von selbst spielte, erst eine Saite zur Zeit, mit hellem Ton, wie von einem Fingernagel gezupft; dann alle Saiten, als wenn ein Finger über sie hingeführt würde.. .' [5] -

Dr. E. Bozzano  wiederum beobachtete in einer Sitzung mit der Palladino das Öffnen eines Klavierdeckels

[1] Pr XXIII 335 f. Vollständige Kontrolle von Händen und Füßen hierbei: s. 368. 431. 434.
[2] S. zB. das. 496 (VIII. Sitzung), und Carringtons Nachtrag S. 502f. Üb. andere, äußerlich viel eindrucksvollere, soz. phantastische, 'lebendige' Bewegungen von Gegenständen so zB. APS V 122 (Eusapia); Barrett 19; ÜW XI 8 (Med. Politi); bei D. D. Home: Home 39; Home, Révél. 218; OR 1907 I 37f.
[3] Home 38.
[4] Wallace, My Life II 286f. Vgl. PS XXXIV 220; APS IV 238; V 308.
[5] APS V 309. Ähnlich in einer von Morsellis Sitzungen dess. Jahres, das. 125; vgl. PS XX 15.


Kap LI. Metaphysikalische Leistungen.             (S. 554)

und das Anschlagen eines 'feierlichen' Motivs, schließlich eines Arpeggio über die ganze Klaviatur, ohne normale Berührung. [1]

Ein noch feinerer Typ derartiger Leistungen ist das Schürzen und Lösen von Knoten in Schnüren, Bändern oder Tüchern.

Crookes bereits hatte sich hierfür verbürgt. [2] Prof. Friedr. Zöllner, um dessen Berichte der Kampf noch heute nicht abgeschlossen ist, der aber im Lichte neuerer Errugenschaften mehr und mehr als früher Märtyrer einer entstehenden Wissenschaft erscheint, - Zöllner erhielt durch Slade Knoten sogar in nahtlosen Bändern, die aus einem Stück Leder geschnitten waren. [3]

Dr. Nichols erzielte sie durch Eglinton in einer Schnur, deren Enden mit dem Petschaft eines dritten Herrn auf seiner (Nichols') Besuchskarte festgesiegelt waren, die seine eigene Namensschrift trug, um Vertauschungen vorzubeugen. [4] Und auch das Umgekehrte - das Lösen fester Knoten - ist wiederholt bei der Palladino beobachtet worden. [5]

Ein dritter Typ dieser feineren, handmäßigen Leistungen, um den vielleicht mehr gestritten worden ist, als um alle andern zusammen, ist die Erzeugung schriftlicher Mitteilungen auf Tafeln oder auf Papier durch unberührt sich bewegende Griffel oder Bleistifte.

Der leichtfertigen Behauptung Podmores, daß nie zwischen sicher versiegelten aufeinandergelegten Tafeln geschrieben worden sei, läßt sich der lückenlose Bericht Zöllners entgegenhalten. [6]

Dieser versiegelte einige Tafeln viermal ihrer Längsseite entlang, nachdem er sich von ihrer Unbeschriebenheit überzeugt hatte, legte sie auf eine entfernte Ecke des hellerleuchteten Experimentiertisches, bedeckte Slades regungslose Hände mit den seinen, sah dann die Tafel sich teilweise heben und verschieben, hörte lautes' Schreiben in ihrem Innern, öffnete die Siegel sofort nach Beendigung der Schrift im Beisein Anderer und fand beide Seiten beschrieben mit einer sinnreichen Erörterung der Versuche und ihrer Aufnahme.

Dr. phil. et med. Elliott Coues, Prof. der Anatomie und Biologie an der Smithsonian Institution, erklärte sich bereit zu bezeugen, 'daß ich bei hellem Tageslicht, wenige Zoll von meinem Gesicht, ein Stück Griffel, das Niemand berührte, sich heben und bewegen und durch diese seine Eigenbewegung lesbare und verständliche Sätze hervorbringen sah, welche intelligentes Denken voraussetzten; und daß derselbe Vorgang gleichzeitig in derselben Weise und in dem gleichen Sinne noch von andern Personen außer mir beobachtet wurde, deren Sehvermögen dem meinen gleich oder überlegen war.' [7]

[1] PS XXVIII 626. Einen umherschwebenden, die Gesellschaft fächelnden Fächer beschreibt Crookes 91.
[2] Crookes, das.
[3] Zöllner II, 2 906. Selbst Carrington, der gewiegteste Entlarver, tastet diesen Versuch nicht all. Vgl. auch Aksakow bei Barrett 45.
[4] The Spiritualist v. 12. April 1878. Auf das damit gegebene Problem der Durchdringung von Materie durch Materie gehe ich hier nicht ein, betone vielmehr nur den 'handmäßigen' Charakter der Leistung.
[5] S. zB. PS XXXIV 218 (Morselli, Barzini u. a.) u. Pr XXIII 500.
[6] Zöllner III 363f. Vgl. überhaupt 247ff.
[7] RPJ 27. Febr. 1892; auch PS XIX 456ft. Vgl. PS XXI 342f.; Perty, Spir. 60f.; Owen, Deb. L. b. III ch. III; Myers II 336.

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