REINKARNATION von Ronald Zürrer |
Internet-Veröffentlichung Juli 2008, |
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KAPITEL 8: DAS ENDE DER REINKARNATION
Die Kunst des Loslassens
Letztlich geht es aber auch darum, von unserer Verhaftung an diese Welt loszulassen. Die Vorstellung des Loslassens ist bei uns meist mit einem Schmerz der Trennung verbunden, doch das muß nicht so sein. Der Schmerz kommt in erster Linie von einer Furcht vor dem Ungewissen, von dem unbestimmten Gefühl, daß uns möglicherweise eine schlechtere Zukunft erwartet.
In unserem Leben werden wir mit vielen Entscheidungen und Prüfungen konfrontiert, großen und kleinen, und der Tod am Ende des Lebens gleicht der Abschlußprüfung, in der unser ganzes Leben auf die Waagschale gelegt wird.
Wir alle sind wohl vor einer Abschlußprüfung nervös, aber wenn wir unsere Lektionen gründlich gelernt haben, brauchen wir die Prüfung nicht zu fürchten. Genauso verhält es sich mit den kleinen und großen Lebensprüfungen. In der Tat erweist sich unser ganzes Leben als eine große Schule des Loslassens.
An allen Ecken und Enden sind wir ständig konfrontiert mit der Vergänglichkeit, mit Erfahrungen des Scheiterns und Kapitulierenmüssens, mit unserer Ohnmacht und mit der Notwendigkeit, immer wieder von neuem Abschied zu nehmen.
Und jeder Abschied, den wir nehmen, ist eine kleine Einübung des Todes. Jede Bemühung darum, uns die Vorläufigkeit und Endlichkeit all unserer weltlichen Bestrebungen und Errungenschaften bewußter zu machen, heißt loslassen, heißt sterben lernen.
Wer sich im Leben fortwährend von Vergangenem und Vergänglichem löst, bereitet sich darauf vor, am Ende das Leben selbst loszulassen. Täglich lehrt uns das Loslassenmüssen also – allgegenwärtig und unausweichlich, wie es ist –, daß alle Zustände und alle Dinge in dieser Welt nur ein vergängliches Provisorium sind und wie sinnvoll es doch wäre, nicht mehr an ihnen zu haften als an dem Flügelschlag eines Schmetterlings oder an dem Tautropfen auf einem Lotosblatt.
Haben wir diese Lektion gelernt, weicht die Angst vor dem Ungewissen und damit auch der befürchtete Schmerz der Trennung. Dies ist es wohl, was Hermann Hesse mit dem folgenden Ausspruch vermitteln wollte:
Gegen den Tod brauche ich keine Waffe, weil es keinen Tod gibt. Es gibt aber eines: Angst vor dem Tode. Die kann man heilen.
Über die vielen kleinen und großen Ängste und Sorgen des Menschen schrieb schon der griechische Dichter Epiktet (um 50–138) in seinem „Handbüchlein der Moral“:
Was die Menschen beunruhigt, sind nicht die Dinge, sondern die Vorstellung, die sie sich davon machen; so hat etwa der Tod nichts Schreckliches an sich. ... Es ist die Vorstellung vom Tod, die ihn so schrecklich macht.
Wenn wir daher in Sorge und Unruhe geraten, sollten wir die Ursache bei uns selbst, das heißt in unseren Vorurteilen, suchen. Nur der Ungebildete beschuldigt andere wegen seiner Leiden; die Schuld bei sich selbst zu suchen ist der erste Weg der Läuterung; weder die anderen noch sich selbst anzuklagen heißt, weise zu sein.
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