REINKARNATION von Ronald Zürrer |
Internet-Veröffentlichung Juli 2008, |
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KAPITEL 7: MODERNE REINKARNATIONSFORSCHUNG - SPONTANE RÜCKERINNERUNGEN
Das Werk Ian Stevensons
Der bereits zitierte amerikanische Psychiater und Parapsychologe Dr. Ian Stevenson (*1918), Direktor der Abteilung für Psychiatrische Medizin an der University of Virginia in Charlottesville, gilt als der namhafteste und einflußreichste unter allen zeitgenössischen Wissenschaftlern des Abendlandes, die sich in den vergangenen Jahrzehnten mit dem Phänomen der Reinkarnation auseinandergesetzt haben.
Stevenson untersuchte und dokumentierte mit minuziöser Exaktheit über 2000 Fälle von Menschen auf der ganzen Welt, die sich bewußt und ohne äußere Hilfsmittel an eines oder mehrere frühere Leben erinnern konnten. Er nennt diese „spontane Fälle“.
Sein Buch „Reinkarnation – Der Mensch im Wandel von Tod und Wiedergeburt“ (Englisch 1966, Deutsch 1976) zählt zu den führenden Standardwerken auf dem Gebiet der modernen Reinkarnationsforschung. In diesem Werk legt er 20 ausgewählte „überzeugende und wissenschaftlich bewiesene Fälle“ aus fünf Ländern vor (aus Indien, Sri Lanka und Brasilien, aus dem Libanon und bei den Tlingit-Indianern in Alaska).
Hierbei handelt es sich ausschließlich um Kinder, die Erinnerungen an frühere Leben bereits im Alter von 1½ bis 4 Jahren erstmals äußerten. Stevensons Untersuchungen bestätigen die Annahme, daß sich viele Menschen in ihrer frühen Kindheit an ihr vergangenes Leben zu erinnern vermögen und daß diese Erinnerungen meist erst aufgrund der Erziehung verlorengehen.
Dies liegt, wie bereits in Kapitel 4 besprochen, einerseits daran, daß sich Kinder nicht optimal zu äußern verstehen, und zum anderen auch an dem Umstand, daß sie oft gar nicht ernst genommen werden. Welche Eltern denken sich schon viel dabei, wenn ihre Kinder solch typische „Kinderfragen“ stellen wie: „Wo bin ich gewesen, bevor ich in den Bauch von Mami kam?“,
„Wo ist Großvater jetzt (nach dem Ableben) hingegangen?“, oder „Kann ich im nächsten Leben auch ein Vogel oder eine Blume werden?“, oder wenn sie erzählen, was sie getan haben, als sie „noch groß“ waren? Es ist daher nicht verwunderlich, daß die von Stevenson vorgelegten Fälle vor allem aus Kulturkreisen stammen, in denen die Reinkarnationsidee als allgemein akzeptiert gilt. Wären wir im christlichen Abendland ebenfalls von Kindheit an mit diesen Gedanken vertraut, ließen sich bei uns vermutlich ebenso viele Fälle nachweisen.
Ein weiterer Grund, warum sich Stevenson vornehmlich mit Kinderfällen beschäftigt hat, besteht darin, daß die unterbewußten Informationen, denen ein Erwachsener während seines bisherigen Lebens ausgesetzt war, mit zunehmendem Alter unüberschaubarer werden. Dies hat zur Folge, daß sich sogenannte „Erinnerungen“ immer häufiger auch mit dem Phänomen der Kryptomnesie erklären lassen.
Außerdem besteht bei Erwachsenen stets die Tendenz, aufgrund ehrgeiziger Motivationen vorschnell zu interpretieren und zu spekulieren, was man bei Kindern nahezu ausschließen kann. Nicht selten kommt es nämlich vor, daß Menschen, die einen kleinen Einblick in die Existenz früherer Leben gewonnen haben, sich sofort auf Geschichtsbücher und Lexika stürzen, um herauszufinden, welche berühmte Persönlichkeit sie wohl in der Vergangenheit gewesen sind.
Stevenson sagt dazu: „Das ist wirklich töricht. ... Das ist ein weiterer Grund, warum ich Kinderfälle bevorzuge, denn Kinder interpretieren ihre Fälle nicht, sie erzählen einfach und sagen: <Es ist so und so, mein Name ist so und so.> Für sie ist das alles sehr klar, sehr lebendig.“
In der Tat findet sich hier ein möglicher Prüfstein, um sich in der Flut der „sensationellen Reinkarnationsberichte“ zurechtzufinden, denn so viele berühmte und weltbewegende Persönlichkeiten, wie gewisse Leute gewesen sein wollen, kann es in der Geschichte gar nicht gegeben haben.
Nur einer kann zum Beispiel in einem früheren Leben Karl der Große gewesen sein, und wenn wir Napoleon Bonaparte Glauben schenken können, war er es. (Ich habe diese Thematik bereits in Kapitel 1 unter Vermarktung der Reinkarnation angeschnitten.)
Der Anthroposoph K.O. Schmidt (1903–1977) schreibt zum Phänomen solcher „Pseudo-Rückerinnerungen“ in „Wir leben nicht nur einmal“:
Insbesondere wenn es sich um offensichtlich eitelkeitsgeborene Illusionen mittelmäßiger Naturen dahingehend handelt, daß sie in früheren Leben geschichtliche Größen waren – von Alexander, Ramses, Jesus oder Caesar bis zu Maria, Kleopatra oder einer Heiligen –, ist Vorsicht geboten.
Sie meinen, in einer geschichtlichen Epoche die Hauptrolle gespielt zu haben, in der sie, soweit ihre Rückerinnerungen zuverlässig sind, vielleicht als Zeitgenossen der Großen Nebenrollen innehatten. Wer einst ein großer Charakter war, ist es normalerweise auch in seinen späteren Verkörperungen. (S. 210f.)
Rudolf Passian meint dazu in „Wiedergeburt – Ein Leben oder viele?“:
Und – angenommen – man war wirklich eine bedeutende Persönlichkeit, so ist es wenig rühmlich, im jetzigen Leben nichts Vergleichbares aufweisen zu können. Wenn man darüber hinaus Reinkarnation als Wiederholenmüssen einer Schulklasse nach nicht bestandener Prüfung auffaßt, ist erst recht kein Grund zum Stolzsein vorhanden. (S. 147)
Diese „eitelkeitsgeborenen Illusionen“ lassen sich bei Kindern verständlicherweise eher ausschließen als bei Erwachsenen. Als illustratives Beispiel führt Passian den bis heute nicht umfassend geklärten „Fall Schuler“ an:
Am Tage der Ermordung des US-Präsidenten Kennedy (22.11.1963) kam in München ein Junge zur Welt: Johann Schuler.
Schon früh offenbarte der kleine Johann ein erstaunliches Wissen über Kennedy, über Vorgänge im Weißen Haus, über Kennedys dortiges Arbeitszimmer, über Freunde und Bekannte des Präsidenten und über Einzelheiten aus der amerikanischen Geschichte.
Er erzählte Privates aus der Ehe Kennedys mit Jackie, deren Foto in einer Illustrierten er sofort erkannte, während er ein Bild des Reeders Onassis, des nachmaligen Ehemannes von Jackie, zornig zerriß.
Hinzu kommt noch, daß Johann rechts am Kopf ein Muttermal aufweist, ungefähr an jener Stelle, wo den Präsidenten die tödliche Kugel traf. Aber, und das macht diesen Fall eben fragwürdig, Johann wurde um 12.48 Uhr amerikanischer Zeit geboren, während Kennedy um 12.30 Uhr ermordet wurde, also nur 18 Minuten zuvor.
Die unverzügliche Wiedereinkörperung eines vor wenigen Minuten – noch dazu gewaltsam – ums Leben Gekommenen ist sehr unwahrscheinlich, zumal ein sich inkarnierender Geist vom Augenblick der Empfängnis an die Mutter umgibt und am Bau seines physischen Körpers mitbeteiligt ist.
Es sei denn, man wollte annehmen, er sei von einem anderen, möglicherweise stärkeren Wesen abgedrängt oder aus irgendwelchen anderen Gründen veranlaßt worden, das Feld zu räumen. [Wie dies offensichtlich im Fall Jasbir geschehen ist.] (S. 146)
Anders (und daher auch erheblich glaubwürdiger) als dieser Fall sind hingegen die von Ian Stevenson dokumentierten Fälle spontaner Rückerinnerung. Hierbei handelt es sich nämlich durchweg um „gewöhnliche“ Menschen „wie du und ich“, die nicht vorgeben, irgendwelche bedeutende historische Persönlichkeiten gewesen zu sein, und die sich einzig und allein darin von den anderen unterscheiden, daß sie imstande sind, sich an vorangegangene Leben zu erinnern.
Den „Fall Jasbir“ haben wir bereits dargelegt. Zur Dokumentation von Stevensons Arbeit seien hier noch zwei weitere illustrative Beispiele aus „Reinkarnation – 20 überzeugende und wissenschaftlich bewiesene Fälle“ angeführt:
KAPITEL 7: MODERNE REINKARNATIONSFORSCHUNG - SPONTANE RÜCKERINNERUNGEN
Der Fall William George jun.
(Tlingit-Indianer in Südostalaska)
Dieser Fall umfaßt eine dem Tode
vorhergehende Voraussage der Wiedergeburt und das offenbare Bestehen der
vorgeschlagenen Tests. Er paßt auch zu dem Wiedergeburtsmodell, daß die
Wiedergeburt in einem Traum der Mutter angekündigt und durch Körpermerkmale
angezeigt wurde, die denen des anscheinend wiederkehrenden Menschen ähnlich
waren.
William George sen. war in seinen Tagen ein berühmter Fischer in Alaska. Wie andere Tlingits glaubte er an Reinkarnation. Gegen Ende seines Lebens wurde er von Zweifeln angefochten, hegte aber auch den starken Wunsch zurückzukehren.
Bei verschiedenen Gelegenheiten sagte er zu seinem Lieblingssohn (Reginald George) und seiner Schwiegertochter: „Wenn an dieser Wiedergeburt irgend etwas Wahres dran ist, werde ich wiederkommen und euer Sohn sein.“ Er erweiterte diese Erklärung mehrmals, indem er hinzufügte: „Und ihr werdet mich wiedererkennen, weil ich Muttermale haben werde, wie ich sie jetzt besitze.“
Dabei zeigte er auf zwei auffallend
pigmentierte Muttermale, jedes etwa 1 cm im Durchmesser, das eine auf der
äußeren Oberfläche seiner linken Schulter und das andere auf der inneren
Oberfläche des linken Unterarms, ungefähr 5 cm unterhalb der Ellbogenfalte.
Im Sommer 1949 drückte William George sen., der damals etwa 60 Jahre alt war, wiederum seine Absicht aus, nach dem Tode zurückzukommen, und bei dieser Gelegenheit händigte er seinem Lieblingssohn eine goldene Uhr aus, die ihm von seiner Mutter geschenkt worden war.
Als er das tat, sagte er: „Ich will zurückkehren. Hebe diese Uhr für mich
auf. Ich werde dein Sohn sein. Wenn es irgend so etwas (wie die Wiedergeburt)
gibt, werde ich das machen.“ Reginald George ging kurze Zeit danach übers
Wochenende nach Hause und gab die goldene Uhr seiner Frau Susan George und
erzählte ihr, was sein Vater ihm gesagt hatte. Sie legte die Uhr in einen
Schrankkasten, wo sie nahezu fünf Jahre blieb.
Anfang August 1949, wenige
Wochen nach diesen Begebenheiten, verschwand William George sen. von dem
Schlagnetzboot, dessen Kapitän er war. Niemand von seiner Besatzung wußte, was
ihm passiert war, und Suchmannschaften konnten seine Leiche nicht finden.
Vielleicht war er über Bord gefallen, und die Flut hatte ihn ins Meer getragen,
wie es in diesen Gewässern leicht vorkommen kann.
Mrs. Reginald George, seine
Schwiegertochter, wurde kurz danach schwanger und kam am 5. Mai 1950 nieder,
gerade neun Monate nach dem Tode ihres Schwiegervaters. Das Baby war das neunte
ihrer zehn Kinder. Während der Niederkunft träumte sie, daß ihr Schwiegervater
ihr erschienen sei und ihr gesagt habe, daß er darauf warte, seinen Sohn zu
besuchen.
Offenbar verband Mrs. George zu dieser Zeit diese Traumvision nicht mit der Wiedergeburt ihres Schwiegervaters, weil sie nach dem Erwachen aus der Narkose erschrocken war und erwartete, sie werde ihren verstorbenen Schwiegervater erblicken, und zwar wohl so, wie er nach seinem Tode als Erwachsener ausgesehen und wie sie ihn in ihrem Traum gesehen hatte.
Was sie aber erblickte, war ein ganz normales männliches Baby, das pigmentierte Muttermale auf der oberen Oberfläche seiner linken Schulter und der inneren Oberfläche seines linken Unterarms hatte, und zwar waren die Muttermale genau an den Stellen, die der Großvater des Jungen erwähnt hatte.
Die Muttermale
des Babys waren etwa halb so groß wie die des Großvaters. Die Übereinstimmung
dieser Muttermale ließ es den Eltern des Kindes angebracht erscheinen, ihm den
Namen seines Großvaters zu geben, und so wurde es William George jun.
William George jun. hatte eine
schwere Lungenentzündung, als er ein Jahr alt war. Er sprach erst, als er drei
oder vier Jahre alt war, und dann nur stark stotternd, was aber im Laufe der
folgenden Jahre allmählich aufhörte, obgleich sein Vater Reginald George sich
noch im Jahre 1961 [als Ian Stevenson die Familie besuchte] über den
Sprachfehler des Jungen sehr beunruhigt zeigte. William George jun. verfügte,
beurteilt nach seinem Verhalten in der Schule und bei der Konversation mit mir,
anscheinend über durchschnittliche Intelligenz.
Als er heranwuchs, beobachtete seine Familie bei William George jun. ein Verhalten, das ihre Überzeugung bestärkte, William George sen. sei zurückgekehrt. Dieses Verhalten zeigte sich in verschiedener Form. Zur ersten Gruppe gehörten Verhaltenszüge wie Vorlieben, Abneigungen und Anlagen, die denen seines Großvaters ähnlich waren. ... Mitglieder der Familie bemerkten auch Ähnlichkeiten in den Gesichtszügen und der Haltung.
William George jun. ähnelte seinem Großvater in seiner Neigung zu
Reizbarkeit und Verdrießlichkeit und dazu, seiner Umgebung warnende Ratschläge
zu erteilen. Er zeigte frühzeitige Kenntnisse von der Fischerei und vom Umgang
mit Booten. Er kannte die besten Buchten zum Fischen, und als man ihn zum ersten
Mal in ein Boot setzte, schien er schon zu wissen, wie er mit den Netzen
umzugehen habe. Er verriet aber auch eine im Vergleich mit Jungen seines Alters
mehr als durchschnittliche Wasserscheu. Er war ernster und sensibler als andere
Kinder seines Alters.
Eine zweite Gruppe von
Beobachtungen an William George jun. bezieht sich auf Züge, die eine nahezu
vollständige Identifizierung des Jungen mit seinem Großvater anzeigten. Zum
Beispiel sprach er von seiner Großtante als seiner „Schwester“, was tatsächlich
ihr Verwandtschaftsgrad zu William George sen. gewesen war. In ähnlicher Weise
sprach er von seinen Onkeln und Tanten (Brüdern und Schwestern von Reginald
George) als von seinen Söhnen und Töchtern. Darüber hinaus brachte er echte
Betroffenheit über ihr schlechtes Benehmen zum Ausdruck, z.B. über die
Trunksucht zweier seiner „Söhne“ (Onkel) ...
Sein Vater meinte, William
George jun. beschäftige sich allzusehr mit der Vergangenheit. Er bemerkte, sein
Geist „wandere“. Aus diesem Grunde sowie aufgrund von Warnungen „alter Leute“
über die Schädlichkeit des Sicherinnerns an vergangene Lebensläufe redeten die
Eltern von William jun. ihm aus, über das Leben von William sen. zu sprechen.
Drittens offenbarte William jun.
Kenntnisse von Personen und Örtlichkeiten, die nach der Meinung seiner Familie
über das hinausgingen, was er auf normalem Wege erfahren haben konnte. ...
Als William George jun. vier bis fünf Jahre alt war, entschloß sich seine Mutter eines Tages, den Schmuck in ihrem Schmuckkasten durchzusehen und breitete den Schmuck in ihrem Schlafzimmer aus. Sie nahm auch die goldene Uhr von William George sen. aus der Kassette heraus.
Als sie den Inhalt ihres Schmuckkastens überprüfte, kam William George jun., der in einem anderen Zimmer gespielt hatte, in das Schlafzimmer. Als er die Uhr erblickte, ergriff er sie und sagte: „Das ist meine Uhr.“ Er hielt sie zäh fest, wiederholte, daß sie ihm gehöre, und es gelang seiner Mutter zunächst nicht, ihn zu ihrer Rückgabe zu bewegen. Endlich willigte er ein, daß sie wieder in die Kassette gelegt wurde.
Danach und noch bis 1961 bat William George jun.
von Zeit zu Zeit seine Eltern um „seine Uhr“. Und als er dann älter geworden
war, verlangte er die Uhr noch etwas entschiedener heraus, wobei er erklärte, er
wolle sie jetzt haben, da er älter geworden sei. ...
Um 1961 hatte William George jun. seine frühere Identifizierung mit seinem Großvater weitgehend aufgegeben; abgesehen von seinem gelegentlichen Verlangen nach „seiner Uhr“ und einem Überrest seines früheren Stotterns benahm er sich wie ein normaler Junge seines Alters.
KAPITEL 7: MODERNE REINKARNATIONSFORSCHUNG - SPONTANE RÜCKERINNERUNGEN
Der Fall Wijeratne
(Sri Lanka)
H.A. Wijeratne wurde geboren im Dorf Uggalkaltota in Ceylon am 17. Januar 1947 als Sohn von H.A. Tileratne Hami. Bei seiner Geburt stellten seine Eltern eine ausgesprochene Deformierung seiner rechten Brust und seines Armes fest, was sie ganz allgemein einem Karma aus einer früheren Inkarnation zuschrieben.
Wijeratnes Vater fielen auch verschiedene Ähnlichkeiten mit seinem verstorbenen Bruder Ratran Hami auf. ... Er äußerte zu seiner Frau: „Das ist mein zurückgekommener Bruder“, aber sie scheint dieser Bemerkung nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt zu haben, und beide brachten die Entstellungen an der rechten Körperseite des Jungen nicht mit Ratran Hami in Verbindung.
Als Wijeratne zwischen zwei und zweieinhalb Jahre alt war, begann er, einsam um sein Haus herumzulaufen und mit sich selbst zu sprechen. Sein Verhalten erweckte die Aufmerksamkeit seiner Mutter, die seinen Worten lauschte.
Sie hörte zufällig, als er sagte, sein Arm sei deformiert, weil er seine Frau in seinem früheren Leben ermordet habe. Er erwähnte eine Anzahl von Einzelheiten, die sich auf ein Verbrechen bezogen, von dem sie bis zu diesem Zeitpunkt nichts gehört hatte.
Sie befragte ihren Mann nach den Behauptungen des Jungen, und er bestätigte die Richtigkeit dessen, was der Junge sagte, denn in der Tat war sein jüngerer Bruder Ratran Hami im Jahre 1928 wegen Mordes an seiner Frau hingerichtet worden.
Wijeratnes Vater versuchte, ihn vom Reden über sein früheres Leben abzubringen, aber er blieb dabei, oft in brütender, einsiedlerischer Weise mit sich und auch mit anderen Personen darüber zu sprechen, die ihn nach seinem Arm befragten. Er erzählte die Einzelheiten des Verbrechens, der Festnahme und der Hinrichtung von Ratran Hami mit einer erstaunlichen Lebendigkeit und Fülle an Details.
Stevenson berichtet über dieses Verbrechen, das sich fünfundzwanzig Jahre vor den Behauptungen Wijeratnes zugetragen hatte und über das er sich beglaubigte Abschriften des gerichtlichen Verhandlungsprotokolls besorgte:
Tileratne Hami, der Vater Wijeratnes, war der etwa 15 Jahre ältere Bruder von Ratran Hami. Sie waren Landwirte im Dorf Uggalkaltota zu der Zeit, da Ratran Hami seine Verlobte ermordete, weil sie sich weigerte, das Haus ihrer Eltern zu verlassen und ihn in sein Dorf zu begleiten. Der Mord geschah am 14. Oktober 1927, und Ratran Hami wurde im Juni 1928 abgeurteilt und im Juli hingerichtet. ...
Bei seinem Prozeß verteidigte Ratran Hami lebhaft sein Tun und beteuerte, er habe Podi Menike [die Verlobte] nicht töten wollen. Er behauptete, daß bei einem von ihrer Familie begonnenen Handgemenge ein Freund von Podi Menike ihn geschlagen, während sie ihn festgehalten und sein Entkommen verhindert habe.
Bei seinen Versuchen, davonzulaufen, habe er sie versehentlich erstochen, aber nicht mit der Absicht, sie zu töten. Die anderen Zeugen behaupteten, er sei vorsätzlich mit einem Kris (malayischer Dolch) auf Podi Menike losgegangen, und sie hätten erst jetzt versucht, ihn zu schlagen.
Die Geschworenen akzeptierten die Beweisführung der Zeugen und sprachen Ratran Hami schuldig. Wijeratne scheint zur gleichen Schlußfolgerung gekommen zu sein, da er ganz offen erklärte, er habe als Ratran Hami die Podi Menike getötet.
Und die „körperliche Untersuchung Wijeratnes“, die Stevenson vornahm, ergab, daß dieser im Jahre 1961 (mit 14 Jahren) gut entwickelt und normal zu sein schien, mit Ausnahme seines rechten Brustkorbes und des rechten Armes. „Am oberen rechten Brustkorb unterhalb des Schlüsselbeins war ein Hohlraum von etwa 5 cm Durchmesser“, schreibt Stevenson.
„Die Haut war an dieser Stelle intakt, aber das Brustgewebe schien ausgesprochen mangelhaft zu sein. Beim Betasten dieser Stelle hatte man den Eindruck, daß die darunterliegende Rippe auf dieser Seite unterentwickelt war oder gar fehlte.“
Zudem war der ganze rechte Arm im Vergleich zum übrigen Körper zu klein gewachsen und nur etwa halb so dick wie der linke. Die Finger der rechten Hand waren nur in rudimentärer Weise entwickelt, so daß Wijeratne mit dieser Hand höchstens eine Schreibfeder oder einen Bleistift halten, aber nichts Schweres (wie beispielsweise einen Dolch) greifen konnte.
Dann schreibt Stevenson: „Als Wijeratne etwa fünfeinhalb Jahre alt war, hörte er auf, spontan über das frühere Leben zu sprechen, und tat das nur noch dann, wenn er gefragt wurde.“ Aber damit ist seine Erzählung der Geschichte Wijeratnes noch nicht zu Ende.
Er berichtet in der Folge, daß dieser sich mit rund zwanzig Jahren viele Gedanken und vielleicht auch Schuldgefühle gemacht habe und später, im Jahre 1969, psychisch erkrankte und in ein psychiatrisches Krankenhaus aufgenommen werden mußte. Nach seiner scheinbaren Genesung begann er später, an der Universität von Ceylon Medizin zu studieren. Stevenson berichtet weiter: „
Obgleich Wijeratnes rechte Hand klein und so stark entstellt war, daß er erheblich verkürzte Finger hatte, von denen mehrere zusammengewachsen waren, war die Deformierung doch offenbar kein sehr schweres physisches oder psychisches Hindernis für ihn. Zweifellos war es eine beständige Mahnung an das frühere Leben.“
Nachdem Wijeratne sich im Dezember 1971 einer chirurgischen Operation unterzogen hatte, durch welche die zusammengewachsenen Finger der rechten Hand getrennt wurden, wurde er im Spätsommer 1973 von einer erneuten Psychose befallen und mußte ins psychiatrische Krankenhaus eingeliefert werden, wo ihn Stevenson im Oktober 1973 besuchte. Darauf endet die Berichterstattung Stevensons.
KAPITEL 7: MODERNE REINKARNATIONSFORSCHUNG - SPONTANE RÜCKERINNERUNGEN
Schlußfolgerungen
Natürlich führt Stevenson bei allen in seinem Werk vorgelegten Fällen eine Unmenge von Details und exakt recherchierten Zeugenaussagen an, auf die ich an dieser Stelle nicht vollumfänglich eingehen kann.
Mit Sicherheit aber läßt sich sagen, daß Professor Stevenson zu den wenigen modernen Reinkarnationsforschern gehört, die uns eine Arbeit vorlegen, welche sämtlichen Ansprüchen der Wissenschaftlichkeit zu genügen vermögen und deren „Beweise“ für die Richtigkeit der Reinkarnationslehre sich nicht so leicht von der Hand weisen lassen.
In den von ihm untersuchten Fällen verzichtet er bewußt auf unzulässige, unwissenschaftliche Methoden wie etwa phantasievolle Ausschmückung der berichteten Rückerinnerungen oder Suggestion der betreffenden Personen, wenngleich dies seiner Forschungsarbeit sicherlich einen weiteren spektakulären Zug hätte verleihen können.
Im Gegenteil versucht er „mit den Methoden des Historikers und des Juristen“, die einzelnen Fälle zu studieren und „bei der Untersuchung eines jeden Falles alle seine festgestellten Phänomene zu erklären, nicht nur einige davon.“ Hoch anzurechnen ist ihm außerdem seine beispielhafte Ehrlichkeit und sein aufrichtiges Bestreben, sämtliche in Frage kommenden Fehlerquellen zu eliminieren.
Sowohl in der Einführung zu seinem Buch als vor allem auch in der „Allgemeinen Erörterung“ nach der Darlegung aller 20 Fälle (S. 341–387) behandelt er eine ganze Reihe solcher möglichen Fehlerquellen, die ihm von Kritikern immer wieder vorgeworfen werden – wie etwa Betrug, Wunsch nach Publicity oder persönlicher Bereicherung seitens der Versuchspersonen, Kryptomnesie, Gedächtnisfehler der Zeugen, Übersetzungsfehler der Dolmetscher, außersinnliche Wahrnehmung und andere paranormale Erklärungsmöglichkeiten.
Stevensons Untersuchungen wie auch seine Erwiderungen auf die Vorwürfe von Kritikern sind derart gewissenhaft und exakt vorgelegt, daß ich jedem Leser, der noch immer an der Richtigkeit der Reinkarnationslehre zweifelt, empfehlen möchte, dieses Werk Ian Stevensons vorurteilslos und ebenso gewissenhaft zu studieren.
Wie im Falle von Jasbir wollen wir auch hier versuchen, aus den angeführten Beispielen und aus dem Blickwinkel der im Verlaufe des vorliegenden Buches erarbeiteten Kenntnisse einige interessante Schlußfolgerungen zu ziehen:
Die Rückerinnerungen an frühere Existenzen sind vor allem bei Kindern teilweise noch stark vorhanden und werden, sofern die kulturelle Umgebung die Möglichkeit der Reinkarnation nicht a priori ausschließt, von diesen zuweilen auch ausführlich geäußert.
Je mehr wir uns im Verlaufe des Erwachsenwerdens mit unserem gegenwärtigen Körper identifizieren, desto mehr gewinnen die Ereignisse und Erfahrungen des jetzigen Lebens an Bedeutung, und die spontanen Erinnerungen an frühere Existenzen verblassen allmählich.
Die Wünsche des feinstofflichen
Körpers sind in der Tat imstande, die grobstoffliche Materie zu manipulieren und
zu formen. Da William George sen. den starken Wunsch hatte, als Sohn seines
Lieblingssohnes (also als sein eigener Enkel) wiedergeboren zu werden, wurde ihm
der entsprechende neue Körper zur Verfügung gestellt.
Dieser wies sogar die von
ihm gewünschten Erkennungszeichen (Muttermale) sowie andere Ähnlichkeiten mit
dem vorangegangenen Körper auf. Wer sehr seinem gegenwärtigen Körper verhaftet
ist, dem wird offensichtlich die Möglichkeit gegeben, Leben für Leben ein
ähnliches Aussehen beizubehalten.
Dies ist – wie die Erfüllung
aller anderen Wünsche auch – natürlich nur dann möglich, wenn das eigene Karma
es zuläßt, wie der Fall von Ratran Hami beweist. Da er sich eines vorsätzlichen
Mordes schuldig gemacht hatte, wurde er von den Gesetzen des Karma gezwungen,
als Reaktion auf die seiner Verlobten zugefügten tödlichen Verletzungen im
nächsten Menschenleben an denselben Körperstellen angeborene Deformierungen zu
„ernten“.
Dies ist ein höchst anschauliches Beispiel für das gerechte Wirken der
Karma-Gesetze: Wer eine „schlechte“ Handlung ausführt und anderen dadurch Leiden
zufügt, wird im kommenden Leben ein ähnliches Leid erfahren müssen, um dadurch
zu lernen und sich zu läutern. Zwar wurde Wijeratne nicht dadurch bestraft, daß
er selbst auch erstochen wurde (dies wurde offenbar durch die über Ratran Hami
verhängte Todesstrafe bereits aufgehoben), er mußte jedoch trotzdem
entsprechendes körperliches und auch psychisches Leid auf sich nehmen.
Eine Frage blieb bislang noch
ungelöst: Wie ist es zu erklären, daß zwischen der Hinrichtung Ratran Hamis im
Jahre 1928 und der Geburt Wijeratnes im Jahre 1947 ein derart langer
Zwischenraum liegt? – Aus den Beschreibungen des Garuˆa Purana haben wir
erfahren, daß jemand, der „bewußt anderen Lebewesen Schaden zufügt“ und sich
dadurch ein außerordentlich schlechtes Karma aneignet, für eine Zeitlang mit dem
leidvollen Dasein als Geist bestraft wird oder möglicherweise sogar in niedere
Lebensformen eingehen muß.
Und tatsächlich berichtet Stevenson: „Wijeratne und
sein Bruder erwähnten, während seiner Psychose [1970] habe er in der
Wahnvorstellung gelebt, ein Vogel zu sein. ... Wijeratne habe früher, wenn man
bis 1961 zurückgeht, Bemerkungen dahingehend gemacht, er habe während des langen
Zwischenraumes zwischen dem Tod von Ratran Hami und der Geburt Wijeratnes
wenigstens einen Teil der Zeit in einer Reinkarnation als Vogel verbracht.“
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