REINKARNATION von Ronald Zürrer |
Internet-Veröffentlichung Juli 2008, |
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KAPITEL 6: REINKARNATION IM CHRISTENTUM
Reinkarnation: Eine Herausforderung für das Christentum
Gerade in den vergangenen Jahren der religiösen und weltanschaulichen Öffnung Europas ist in christlichen Kreisen außerordentlich viel über die Thematik der Reinkarnation diskutiert und geschrieben und auch gestritten worden.
Manche Theologen sehen hinter dem rapide zunehmenden öffentlichen Interesse an Themen wie Karma und Reinkarnation eine satanische Verschwörung gegen die gläubige Christenheit und versuchen vehement, jede ernsthafte Beschäftigung mit diesen Fragen schon im Keim zu ersticken.
Oft wird die Reinkarnation von christlicher Seite ohne Unterscheidungsvermögen in einem Atemzug genannt und verurteilt mit schwarzer Magie, Aberglauben, Geisterverehrung und Hexenkult, mit wiederauflebenden archaischen und „heidnischen“ Riten und Bräuchen, mit populärem Okkultismus und Spiritismus, Pendeln, billiger Astrologie, usw.
Natürlich ist nicht zu leugnen, daß im Fahrwasser des durch populärwissenschaftliche Medien hochgespielten „neuen esoterischen Zeitalters“ allerlei Ungereimtes und Bedauerliches mitgeschwemmt wird und daß im Sumpf der sensationslüsternen Schlagzeilenmacherei allerlei gefahrenvolle Auswüchse wuchern.
Doch diese sind für den echten Reinkarnations-Wissenden genauso verwerflich wie für den ängstlichen Christen, der durch sie sein Weltbild bedroht sieht. Natürlich ist es bedenklich, wenn die Erkenntnisse der Reinkarnationszusammenhänge dafür mißbraucht werden, wie besessen in den eigenen Vorleben nach großen historischen Persönlichkeiten zu wühlen oder wenn sie pragmatisch als Mittel zu fragwürdigen Therapien und Lebensberatungen eingesetzt werden.
Und natürlich kann es nicht die richtige Schlußfolgerung der Beschäftigung mit diesen Themen sein, wenn man unter dem Einfluß von LSD oder ähnlichem „transpersonale“ Reinkarnationserlebnisse imaginiert. Und so weiter.
Dies alles spricht aber nicht gegen die Reinkarnationslehre an sich. Man darf hier nicht den Fehler machen, die Reinkarnationslehre mit ihrem Mißbrauch oder ihren Auswüchsen gleichzusetzen und sie auf dieser falschen Grundlage blind zu verurteilen („das Kind mit dem Bade ausschütten ...“).
In welch bedauernswerte Lage sich die christliche Kirche im Laufe der Jahrhunderte hineinmanövriert hat, zeigt sich heute gerade dann am offensichtlichsten, wenn es darum geht, dem in den letzten Jahren immer mächtiger gewordenen Einfluß östlicher Philosophien „die Stirn zu bieten“.
Anstelle einer offenen Haltung der Lernbereitschaft und des gegenseitigen Vertrauens zwingt sie sich unnötigerweise selbst eine verkrampfte, fast lächerlich scheinende Abwehrhaltung auf, die nur darauf ausgerichtet ist, beim anderen Fehler zu finden und damit zu beweisen, daß die eigenen Lehrmeinungen „besser“ sind.
Am deutlichsten wird dies wohl im Zusammenhang mit der Frage der Reinkarnation sichtbar, weil hier im Grunde gar keine sachlichen Gegenargumente vorliegen und alles, was sich gegen die Reinkarnationslehre anführen läßt, keinen wirklichen Rückhalt in der ursprünglichen christlichen Lehre besitzt.
Zwar werden in der Bibel gewisse „häretische“ Anschauungen offen mißbilligt – wie etwa der Vielgötterglaube, der Götzendienst, die Zauberei, der blinde Buchstabenglaube oder der Materialismus –, doch enthält sie keine einzige Stelle, die den Glauben an die Reinkarnation in Frage stellt, ihn leugnet oder für falsch erklärt.
So scheinen dann auch die Vorwürfe, mit denen die dem Dogmatismus verhafteten christlichen Vertreter gegen die Reinkarnation zu Felde ziehen, äußerst gesucht und mager. Als typisches Beispiel sei hier nur der jesuitische Theologe Walter Brugger genannt, dessen Aufsatz „Wiederverkörperung“ (erschienen in: „Stimmen der Zeit – Monatszeitschrift der Gegenwart“, 1948, S. 252–264) von den Gegnern der Reinkarnationslehre auch heute noch immer wieder gerne zitiert wird.
Brugger beklagt darin, daß sich viele Menschen vom Christentum entfernt hätten und – infolge Mangels an Kritik, infolge geringer geistiger Durchbildung und infolge der durch das moderne Leben aufgestachelten Neugier – das alte Wahre wenig anziehend fänden. Im gleichen Atemzug verurteilt er darauf Sektenwesen, populären Okkultismus, Wundersucht, Prophetenmanie und Wiedergeburtslehre. Seine Argumentation leitet er mit den Worten ein:
Die folgenden Ausführungen über Reinkarnation oder Seelenwanderung haben nicht in erster Linie den Zweck, eingeschworene Anhänger dieser Lehre von deren Unhaltbarkeit zu überzeugen.
Diese haben ihre phantastischen Anschauungen meist in ein System gebracht, an dem eine Einzeluntersuchung, die ihnen nicht auf all den vielverschlungenen Nebenwegen nachgehen kann, wirkungslos abgleitet. Sie sind von ihren vermeintlichen höheren Einsichten so erfüllt, daß sie darüber nur schwer zu klarem Denken und Urteilen kommen.
Leider gibt es noch immer zu viele solcher Beispiele zeitgenössischer Verfechter des Christentums, die über derart geringes und oberflächliches Wissen über den Gegenstand ihrer vehementen Ablehnung, nämlich die Reinkarnation, verfügen, daß sie nicht imstande sind, eine sachliche und unpolemische Diskussion zum Thema zu führen. Doch gerade eine solche Diskussion wäre heute dringend nötig.
Glücklicherweise aber bemüht sich inzwischen bereits eine Minderheit unter den gegenwärtigen Theologen, das Thema etwas differenzierter anzugehen, und räumt der Reinkarnationslehre durchaus Berechtigung ein – wenn auch in erster Linie noch als eine „östliche Lehre“, die man als solche großzügigerweise gelten und bestehen läßt. Erst sehr selten wird sie auch als eine Erklärung der Wirklichkeit erkannt, die sogar die gängigen christlichen Vorstellungen und Glaubensinhalte bereichern könnte.
Nur einige wenige mutige Theologen erklären inzwischen klar ihre Offenheit und ihre Bereitschaft zum Dialog. So schreibt beispielsweise Norbert Klaes, Professor der Fundamentaltheologie und vergleichenden Religionswissenschaft an der Theologischen Fakultät Paderborn: „Das Gespräch der Religionen im Kontext heutiger Welterfahrung hat erst begonnen.
Es bleibt zu wünschen, daß der Dialog über die Wiedergeburtslehre weitergeführt wird.“ (aus seinem Nachwort zu: Hans Torwesten, „Sind wir nur einmal auf Erden? – Die Idee der Reinkarnation angesichts des Auferstehungsglaubens“)
In der Tat bleibt nur zu wünschen und zu hoffen, daß die folgenden Worte des modernen Urchristen Hermann Bauer (in: „Wiedergeburt“) bald erhört und verstanden werden:
Ohne das Wissen um die Reinkarnation sind echter Glaube und Gottvertrauen nur schwer möglich, da der Mensch Gott als ungerecht empfinden muß, angesichts der Ungleichheiten in den menschlichen Seins- und Lebensbedingungen und dem Schicksal.
Ohne dieses Wissen blieben und bleiben fernerhin Tür und Tor geöffnet dem alleinigen Zweck- und Nützlichkeitsdenken, dem Materialismus, der Verstrickung des Menschen in äußerer Welt, Machtstreben, Zynismus, bis hin zur Gottferne.
Ohne dieses Wissen besteht wenig innere Freiheit, sondern Abhängigkeit von äußeren Bindungen bis hin zu der Gefahr, von Ideologien und fanatischen und sektiererischen Bestrebungen, gleich welcher Art, gefangengenommen zu werden.
Ohne dieses Wissen gibt es nur geringen Ansporn, sich zum Höheren zu entwickeln, da der Mensch sich gar nicht bewußt ist, daß sein in der Vergangenheit Erworbenes an ihm haftet und wirksam ist ...
Nicht Gott hat dieses Wissen den Menschen genommen, sondern die Kirchen. So soll nun nach Seinem Willen das verschüttete Wissen wieder in das Bewußtsein aller eingehen und dort möglich machen, was Er den Menschen brachte: die Erlösung.
Der Streit um die Reinkarnation ... würde nicht existieren, wenn die Menschen den inneren Weg gingen. Sie würden nämlich die Wirksamkeit dieses unabdingbar vorgegebenen geistig-göttlichen Gesetzes in der Schau der Seele selbst erfahren können:
Die Menschen müßten nicht mehr Glaubende sein – sie wären Wissende!
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