REINKARNATION von Ronald Zürrer |
Internet-Veröffentlichung Juli 2008, |
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KAPITEL 6: REINKARNATION IM CHRISTENTUM
Bibelstellen zum Thema Reinkarnation
In der Fachliteratur zum Themenkomplex „Reinkarnation und Christentum“ finden sich oft endlose kleinliche theologische Interpretations-Streitigkeiten über gewisse Bibelstellen, in denen versteckte Hinweise (keine Beweise) auf den Karma- und Reinkarnationsgedanken vermutet werden.
Auf diese größtenteils sehr engagiert und polemisch geführten Diskussionen möchte ich mich an dieser Stelle allerdings nicht einlassen, werden wir hier doch lediglich mit dem in der christlichen Theologie leider weitverbreiteten Problem der Dehnbarkeit und Interpretationsfähigkeit von Bibelstellen konfrontiert.
Denn für jeden Theologen der Vergangenheit und der Gegenwart, der eine bestimmte Bibelstelle in einer bestimmten Weise interpretiert, lassen sich Dutzende von anderen Theologen finden, die auf der Grundlage derselben Bibelstelle eine völlig andere, teilweise sogar genau entgegengesetzte Interpretation vorschlagen. Aber der Streit über die Auslegung einzelner Bibelstellen ist im Grunde genommen ebenso sinnlos wie fruchtlos, denn es ist historisch erwiesen, daß im Laufe der Jahrhunderte immer wieder massive Veränderungen und Verfälschungen der ursprünglichen Texte vorgenommen wurden.
Mit anderen Worten: Man weiß heute schlechthin nicht, was ursprünglich wirklich in den Bibeltexten stand bzw. was verändert, was gestrichen und was ergänzt wurde.
Wenn ich also im folgenden einige klassische Bibelstellen anführe, so ist dies nur als ergänzende Information zu verstehen und nicht als Herausforderung zum polemischen Streit. Der Leser sei aufgefordert, sich ohne ausschweifende interpretatorische Vorgabe eine eigene Meinung zu den zitierten Bibelstellen zu bilden.
KAPITEL 6: REINKARNATION IM CHRISTENTUM - BIBELSTELLEN ZUM THEMA REINKARNATION
Elija und Johannes der Täufer
Wie in Kapitel 5 (im Abschnitt Judentum und Altes Testament) erwähnt, lassen sich bereits im Alten Testament Beispiele für das Wissen um die Wiedergeburt der Seele in einem anderen Körper erkennen. So wird beispielsweise schon dem Propheten Maleachi mit den folgenden Versen (die zugleich den Abschluß des gesamten Alten Testaments bilden) die Wiederkunft des hebräischen Propheten Elija (um 870 v.u.Z.) als „Wegbereiter“ prophezeit:
Bevor aber der Tag des Herrn kommt, der große und furchtbare Tag, seht, da sende Ich zu euch den Propheten Elija. Er wird das Herz der Väter wieder den Söhnen zuwenden und das Herz der Söhne ihren Vätern, damit Ich nicht kommen und das Land dem Untergang weihen muß. (Maleachi 3,23–24)
Elija versuchte den Monotheismus am Königshof durchzusetzen und lehrte, daß sich Gott nicht in Gewalt und Vernichtung offenbart, sondern in einem „leisen Säuseln“, also in Langmut und im stillen Wirken. Elija ist ein typischer Wanderprediger, kleidet sich in Lumpen, wird auf wunderbare Weise ernährt, tut selbst Wunder – wie die Vermehrung von Speisen und Auferweckung von Toten –, hat einen Salbungsauftrag, spricht davon, daß er gesandt worden ist, und sammelt eine große Schar von Jüngern um sich.
Schließlich verschwindet er wieder auf mysteriöse Weise (Himmelfahrt; 2 Kön 2,11), wird von fünfzig Männern drei Tage lang gesucht, kann jedoch nirgends mehr aufgefunden werden.
Ein paar Jahrhunderte später aber erscheint dem Zacharias gemäß der Prophezeiung des Maleachi ein Himmelsbote und verkündet ihm die Geburt eines Sohnes:
Der Engel aber sagte zu ihm: Fürchte dich nicht, Zacharias! Dein Gebet ist erhört worden. Deine Frau Elisabeth wird dir einen Sohn gebären; dem sollst du den Namen Johannes geben. Große Freude wird dich erfüllen, und auch viele andere werden sich über seine Geburt freuen.
Denn er wird groß sein vor dem Herrn. Wein und andere berauschende Getränke wird er nicht trinken, und schon im Mutterleib wird er vom Heiligen Geist erfüllt sein. Viele Israeliten wird er zum Herrn, ihrem Gott, bekehren.
Er wird mit dem Geist und mit der Kraft des Elija dem Herrn vorangehen, um das Herz der Väter wieder den Kindern zuzuwenden und die Ungehorsamen zur Gerechtigkeit zu führen und so das Volk für den Herrn bereit zu machen. (Lk 1,13–17)
Allein das Matthäus-Evangelium bezieht sich an drei Stellen auf diese Prophezeiung, und die anderen Evangelien an sieben Stellen. Wie wir den Bemerkungen der Jünger Jesu entnehmen können, wurde unter den Juden bereits viel über die Rückkehr Elijas und auch anderer hebräischer Propheten spekuliert.
Eine solche Rückkehr (Reinkarnation) wurde also offensichtlich für durchaus möglich gehalten. In diesem Falle erklärt Jesus auf die entsprechenden Fragen der Jünger ausdrücklich, daß Johannes der Täufer in der Tat der wiedergeborene Elija sei:
Als sie gegangen waren, begann Jesus zu der Menge über Johannes zu reden; er sagte: ... Er ist der, von dem es in der Schrift heißt: Ich sende meinen Boten vor dir her; er soll den Weg für dich bahnen. Wahrlich, ich sage euch:
Unter allen Menschen hat es keinen größeren gegeben als Johannes den Täufer; doch der Kleinste im Himmelreich ist größer als er ... Denn bis hin zu Johannes haben alle Propheten und das Gesetz geweissagt. Und wenn ihr es gelten lassen wollt: Ja, er ist Elija, der wiederkommen soll. Wer Ohren hat, der höre! (Mt 11,7-15)
Während sie den Berg hinabstiegen, gebot ihnen Jesus: Erzählt niemand von dem, was ihr gesehen habt, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden ist. Da fragten ihn die Jünger: Warum sagen denn die Schriftgelehrten, zuerst müsse Elija kommen? Er gab zur Antwort: Ja, Elija kommt, und er wird alles wiederherstellen.
Ich sage euch aber: Elija ist schon gekommen, doch sie haben ihn nicht erkannt, sondern mit ihm gemacht, was sie wollten. Ebenso wird auch der Menschensohn durch sie leiden müssen. Da verstanden die Jünger, daß er von Johannes dem Täufer sprach. (Mt 17,9–13; auch Mk 9,11–13 und Lk 7,24–35)
Nach den Evangelientexten bestätigt also Jesus selbst, daß die Seele des Elija als Johannes reinkarniert wurde. Wo Johannes allerdings seine Jugendzeit verbracht hat, wo er also ausgebildet wurde, erfahren wir aus der Bibel nicht. Bei Lukas steht lediglich der lapidare Satz: „Das Kind wuchs heran, und sein Geist wurde stark.
Und Johannes lebte in der Wüste bis zu dem Tag, an dem er den Auftrag erhielt, in Israel aufzutreten.“ (Lk 1,80) Ist es nicht denkbar, daß auch Johannes (wie später Jesus) als hohe Inkarnation erkannt wurde und deshalb seine klösterliche Ausbildung direkt in Indien erhalten hat? In diesem Fall könnten wir das „Bereiten des Weges für den Herrn“ nicht nur symbolisch verstehen.
KAPITEL 6: REINKARNATION IM CHRISTENTUM - BIBELSTELLEN ZUM THEMA REINKARNATION
Wer ist Jesus?
In einer anderen berühmten Bibelstelle heißt es:
Als Jesus in das Gebiet von Cäsarea Philippi kam, fragte er seine Jünger: Für wen halten die Leute den Menschensohn? Sie sagten: Die einen für Johannes den Täufer, andere für Elija, wieder andere für Jeremia oder sonst einen Propheten. Da sagte er zu ihnen: Ihr aber, für wen haltet ihr mich? Simon Petrus antwortete: Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes. (Mt 16,13–16; auch Mk 8,27–29, Lk 9,18–20)
Die Jünger Jesu wissen also, daß Jesus eine Inkarnation ist, bleiben aber über seine Identität im unklaren und stellen einige Spekulationen an. Jesus selbst nimmt keine Stellung zu den Mutmaßungen, bestätigt aber die Annahme seiner Jünger indirekt, indem er sie ermutigt, weiterzuraten: „Aber wer sagt ihr, daß ich sei?“
Aus diesem kurzen Gespräch geht hervor, daß der Wiederverkörperungsgedanke dem Volke damals scheinbar wohlvertraut war. Die heutige Bibel enthält zwar keine direkten Lehren Jesu bezüglich der Reinkarnation, doch Jesus hat durch seine Aussagen über den Täufer und durch seine Frage an die Jünger die Seelenwanderung offensichtlich vorausgesetzt. Er sprach damit für die damaligen Menschen nichts Neues aus, sondern knüpfte nur an die allgemein verbreitete Anschauung der Reinkarnation an.
KAPITEL 6: REINKARNATION IM CHRISTENTUM - BIBELSTELLEN ZUM THEMA REINKARNATION
Der Blindgeborene
Wir können also davon ausgehen, daß das Wiedergeborenwerden von Propheten und von großen Persönlichkeiten in der Bibel bestätigt wird. Wie aber steht es mit den gewöhnlichen Menschen? Kommen auch sie zurück? Daß die Jünger Jesu dies ernsthaft in Betracht zogen, läßt sich aus ihrer nachstehenden Frage nach dem Blindgeborenen, den Jesus heilen soll, ersehen:
Unterwegs sah Jesus einen Mann, der seit seiner Geburt blind war. Da fragten ihn seine Jünger: Rabbi, wer hat gesündigt? Er selbst? Oder haben seine Eltern gesündigt, so daß er blind geboren wurde? Jesus antwortete: Weder er noch seine Eltern haben gesündigt, sondern das Wirken Gottes soll an ihm offenbar werden. (Joh 9,1–3)
Dieser Vorfall zeigt deutlich, daß die Jünger über Reinkarnation Bescheid wußten, denn es ist klar, daß der Mann, der bereits blind geboren wurde, nicht in diesem Leben gesündigt haben konnte. Allein schon die Frage danach, ob jemand wegen seiner eigenen Sünden als Blinder geboren werden kann, setzt selbstverständlich ein vorhergegangenes Leben und die darauffolgende Wiedergeburt voraus.
Außerdem beinhaltet die Frage natürlich auch den Gedanken des Karma, gemäß dem die Taten eines vorhergehenden Lebens sich auf das darauffolgende Dasein auswirken.
Hier hätte Jesus eine gute Gelegenheit gehabt, den Seelenwanderungsgedanken ein für allemal zu zerschlagen – was er jedoch nicht tat. Statt die Frage seiner Jünger entschieden als sinnlos zurückzuweisen (wie das vielleicht heutige Theologen tun würden), greift er sie vielmehr im Wortlaut auf und stellt fest, daß der Mensch zwar aufgrund von Versündigungen im vergangenen Leben krank geboren werden könne (Karma), daß es sich hier jedoch um einen Ausnahmefall handle. Dieser Mann sei deswegen blind, weil es ihm vorbestimmt war, von Jesus geheilt zu werden, damit „das Wirken Gottes an ihm offenbar“ werde.
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