REINKARNATION
Die umfassende Wissenschaft
der Seelenwanderung

von Ronald Zürrer

Internet-Veröffentlichung Juli 2008,
(c)
Govinda-Verlag GmbH

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KAPITEL 6: REINKARNATION IM CHRISTENTUM

Die Schaffung kirchlicher Dogmen

In Wirklichkeit war es jedoch gerade umgekehrt: Die dem Re­inkar­nationsgedanken widersprechenden Dogmen (Glaubenssätze) mußten erst nach dessen Beseitigung aus der kirchlichen Lehre von der Kirche neu geschaffen werden, um das dadurch entstandene theologische Vakuum zu füllen und um die sich mehr und mehr durchsetzende Lehre von der Einmaligkeit des Menschenlebens zu untermauern.

Auf diese Weise setzte die inzwischen mächtig gewordene Kirche ihre Strategie fort, mit leeren theologischen Phrasen und offenen Bedrohungen die nach dem Sinn von Leid und nach der scheinbaren Ungerechtigkeit Gottes fragenden Menschen auf das „unerklärliche Geheimnis“ Gottes zu vertrösten, bei dem man aufhören müsse, Fragen zu stellen.

In unserem Zusammenhang sind besonders die folgenden Lehrmeinungen zu erwähnen, die im weiteren Verlauf der Kirchengeschichte, nunmehr dogmatisch abgesichert, neu etabliert wurden: 

  1. die Erschaffung der Seele durch Gott im Augenblick der Zeugung des physischen Leibes aus dem Nichts (Kreatianismus)

  2. die Erbsünde, die Todsünde, das Jüngste Gericht und das Fegefeuer

  3. die ewige Verdammnis in der Hölle

  4. die Gnadenfunktion der Amtskirche

  5. die Prädestinationslehre (Vorherbestimmung)

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KAPITEL 6: REINKARNATION IM CHRISTENTUM - DIE SCHAFFUNG KIRCHLICHER DOGMEN

 

Der Kreatianismus

Die Erschaffung der Seele durch Gott im Augenblick der Zeugung des physischen Leibes aus dem Nichts (creatio ex nihilo): So lautet die seit dem Mittelalter gültige offizielle Erklärung der katholischen Kirche zum Ursprung des Menschen. Diese Erklärung stützt sich auf eine sogenannte sententia certa, eine „gesicherte Lehrmeinung“, für die allerdings in der Bibel kein einziger eindeutiger Beweis zu finden ist.

Unter dem Einfluß von Thomas von Aquin (1225–1274) wurde diese Lehrmeinung zu einer Voraussetzung für das Dogma von der unbefleckten Empfängnis Marias und damit indirekt zu einem dogmatischen Lehrsatz erhoben. (In der späteren evangelischen Theologie herrscht statt der Auffassung des Kreatianismus jene des Generatianismus, gemäß welcher die Seele aus der elterlichen Substanz hervorgeht.)

„Das Seltsame dieser Theorie“, so schreibt der amerikanische Autor James Morgan Pryse über den Kreatianismus, „wird sofort offensichtlich, weil sich natürlich darin, daß sterbliche Körper die zeitlichen Wohnungen für unsterbliche Seelen werden, eine lächerliche Widersinnigkeit zeigt insofern, als zugunsten jedes sterblichen Körpers, der zufällig gezeugt wird, eine unsterbliche Seele erschaffen werden muß.“ (in: „Reinkarnation im Neuen Testament“, S. 62)

Zudem liegt dieser Theorie ein ebenso seltsames Ewigkeitsverständnis zugrunde. Dazu nochmals Pryse: „Wenn also die Seele einen Anfang hat, muß sie notwendigerweise ein Ende haben. Ewigkeit ist keine unbestimmte Ausdehnung von Zeit, noch kann sie in solchen Begriffen wie Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ausgedrückt werden. Wenn die Seele ewig ist, dann ist sie ohne Anfang und ohne Ende. Wer sagt, daß die Seele <erschaffen> wurde, daß sie einen Anfang hat, leugnet damit gleichzeitig, daß sie unsterblich ist.“

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KAPITEL 6: REINKARNATION IM CHRISTENTUM - DIE SCHAFFUNG KIRCHLICHER DOGMEN

 

Die Erbsündenlehre

Obwohl die Seele also angeblich im Augenblick der Zeugung durch Gott aus dem Nichts geschaffen wird und man daher annehmen könnte, sie sei unbelastet, rein und vollkommen, erklärt die Kirche, daß jedes neugeborene Kind bereits sündhaft ist durch die Belastung der „Erbsünde“.

Die Theorie der Erbsünde findet ihre erste dogmatische Rechtfertigung in den Canones 1-3 der Synode von Carthago (im Jahre 418) und wurde insbesondere unter dem Einfluß des Kirchenvaters Augustinus (354-430) in die christliche Lehre eingebracht. Auf dem Konzil zu Trient (1546) erfuhr die Doktrin schließlich ihre umfassende Ausformung.

Mit dem Dogma der Erbsünde wird lehramtlich festgelegt, daß durch die Ursünde Adams (Gen 3) alle Menschenseelen vor Gott in Ungnade gefallen und folglich bereits bei ihrer Geburt automatisch sündig sind, denn die Sünde Adams, des Stammvaters der gesamten Menschheit, wurde seitdem von Generation zu Generation übertragen.

Doch auch dieses Dogma stützt sich nicht auf biblische Referenzen. In seinem „Grundriß der Dogmatik“ (10. Aufl. 1981) schreibt der deutsche Theologe Ludwig Ott hierzu: „Das Alte Testament enthält nur Andeutungen der Erbsünde. Vergl. Psalm 51,7: <Siehe in Schuld bin ich geboren, und in Sünde hat mich meine Mutter empfangen.> und Job 14,4: <Wer kann den rein machen, der aus unreinem Samen empfangen ist?>„ (S. 132)

Als klassische Beweisstelle dieser Lehre im Neuen Testament gilt: „Wie daher durch einen einzigen Menschen die Sünde in die Welt eintrat und durch die Sünde der Tod, und so auf alle Menschen der Tod überging, weil alle sündigten.“ (Römer 5,12) Nach einer fast halbseitigen philologischen Erklärung gibt Ott dann aber selbst zu, daß nach Meinung der neueren Auslegung diese Stelle „kein Zeugnis für die Erbsünde ist.“ (S. 132) Gesichert ist jedenfalls die Tatsache, daß das Neue Testament keine einzige Aussage von Jesus selbst zum Thema der Erbsünde im kirchlichen Sinne liefert.

Die einfache Frage, auf die uns die Theologie nach wie vor eine Antwort schuldig geblieben ist, lautet in diesem Zusammenhang: Darf man die Welt als das Werk göttlicher Weisheit (vgl. Psalm 104,24) bezeichnen, wenn man dem ewigen Schöpfer gleichzeitig eine Verhaltensweise unterstellt, die selbst dem vergleichsweise groben menschlichen Rechtsempfinden völlig widerspricht?

Kann, mit anderen Worten, Gott eine neue Seele schaffen und sie in demselben Augenblicke nur dadurch sündig machen, daß sie an einen materiellen Körper gebunden ist, der ihr die „Erbsünde“ überträgt? Stellt man mit einer solchen Denkart nicht den Körper über die Seele, das Materielle über das Spirituelle?

Hierzu noch einmal J.M. Pryse: „Nach dieser Theorie [Kreatianismus] stammen die Seelen nicht von Adam und Eva ab, sondern kommen frisch von Gott und sind daher rein und schuldlos; dennoch werden sie in Körper gesteckt, die von dem Paar Ursünder abstammen, und wenn die Körper zur Erde zurückkehren, werden die Seelen zur ewigen Strafe für die Sünde jener ersten Eltern verurteilt. Man sollte meinen, daß Absurdität nicht noch weiter gehen könne...“ (S. 62)

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KAPITEL 6: REINKARNATION IM CHRISTENTUM - DIE SCHAFFUNG KIRCHLICHER DOGMEN

 

Die ewige Verdammnis in der Hölle

Die logische Fortführung der Erbsündenlehre schlägt sich im folgenden Dogma nieder: „Die Seelen jener, die in einer Todsünde oder im Stand der Erbsünde aus dem Leben scheiden, steigen dann in die Hölle hinab, um dort mit ungleichen Strafen belegt zu werden.“ (aus dem 2. allgemeinen Konzil zu Lyon, 1274)

Anstelle der hoffnungsfrohen Wiederversöhnung der gefallenen Seelen mit Gott durch einen allmählichen Fortschritt über mehrere Leben hinweg (nach Origenes) trat so dieses im Grunde zutiefst widerchristliche Dogma der „ewigen und unwiderruflichen Verdammnis“.

Nach dieser Lehre ist jeder Mensch zur ewigen Höllenstrafe bestimmt, der stirbt, ohne eine christliche Taufe erhalten zu haben, die als unabdingbare Voraussetzung des Heils dargestellt wird. Dies gilt sowohl für noch nicht getaufte Säuglinge und Kleinkinder als auch für die sogenannten „Heiden“ (Andersgläubige), die das Christentum und dessen Dogmen entweder gar nicht kennen oder aber nicht angenommen haben.

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KAPITEL 6: REINKARNATION IM CHRISTENTUM - DIE SCHAFFUNG KIRCHLICHER DOGMEN

 

Die Gnadenfunktion der Amtskirche

Aus der Gefahr einer ewigen Verdammnis selbst für alle nichtgetauften Christen ergibt sich die scheinbar unentbehrliche Gnadenfunktion einer unfehlbaren Amtskirche und die Heilsnotwendigkeit der priesterlichen Vermittler, da sämtliche nicht im institutionalisierten kirchlichen System lebenden Menschenseelen ungeachtet ihrer jeweiligen Lebensführung oder ihres Glaubens zur ewigen Verdammnis in der Hölle verurteilt sind: „Niemand außerhalb der katholischen Kirche, weder Heide noch Jude, auch kein Ungläubiger oder ein von der Einheit der Kirche Getrennter wird des ewigen Lebens teilhaftig, vielmehr verfällt er dem ewigen Feuer.“ (Beschluß des Konzils zu Florenz, 1438–45)

Auf die nunmehr unausweichliche Frage nach der Gerechtigkeit Gottes (sowie auch auf die bereits angesprochene Frage nach einer Erklärung für Schicksalsschläge oder Krankheiten, deren Ursachen auf der Grundlage der Einmaligkeitstheorie des menschlichen Lebens ja nicht erkennbar sind), hält die kirchliche Doktrin denn auch schon die nächste griffige Antwort parat: die Prädestinationslehre.

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KAPITEL 6: REINKARNATION IM CHRISTENTUM - DIE SCHAFFUNG KIRCHLICHER DOGMEN

 

Die Prädestinationslehre (Vorherbestimmung)

Das Konzil zu Trient (1546) bestimmte, „daß Gott durch seinen ewigen Willensratschluß bestimmte Menschen zur ewigen Seligkeit vorherbestimmt“ hat. Die Begründung hierfür bezieht man aus Röm 8,29: „Denn alle, die er im voraus erkannt hat, hat er auch im voraus dazu bestimmt, an Wesen und Gestalt seines Sohnes teilzuhaben“ und Röm 9,11–12:

„Und ihre Kinder waren noch nicht geboren und hatten weder Gutes noch Böses getan; damit aber Gottes freie Wahl und Vorherbestimmung gültig bleibe, nicht abhängig von Werken, sondern von ihm, der beruft, wurde ihr gesagt: Der Ältere muß dem Jüngeren dienen.“

Ebenso ist es Lehre der Kirche, daß Gott „durch seinen Willensratschluß bestimmte Menschen wegen ihrer vorhergesehenen Sünden zur ewigen Verwerfung vorherbestimmt hat“ (beschlossen auf der Synode von Valence im Jahre 855). Die biblische Fundierung sieht die Kirche in Mt 25,41: „Weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das für den Teufel und seine Engel bestimmt ist!“

Auch hier stellt sich natürlich eine einfache Frage: Ist es mit dem Wesen eines gerechten Gottes zu vereinbaren, daß Er schon beim Beginn eines (einmaligen) menschlichen Lebens „bestimmte Menschen“ zur ewigen Seligkeit oder zur ewigen Verdammnis vorherbestimmt?

Und: Wenn die Prädestination eine gültige Tatsache ist, welchen Sinn haben dann noch gute Werke und alle Bemühungen um sittliche Vervollkommnung des Menschen? Für die „Guten“ sind sie überflüssig, für die „Bösen“ vergeblich. Auf eine schlüssige Antwort auf diese Fragen seitens der Kirche dürfen wir weiterhin gespannt warten.

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