REINKARNATION von Ronald Zürrer |
Internet-Veröffentlichung Juli 2008, |
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KAPITEL 6: REINKARNATION IM CHRISTENTUM
Origenes von Alexandria
Aus den vorangegangenen Zitaten wird einmal mehr deutlich, daß das Wissen um die Karma- und Reinkarnationsgesetze zur Zeit Jesu noch selbstverständlich war und wohl auch zum urchristlichen Gedankengut gehörte. Wir müssen uns daher an dieser Stelle fragen, wie es dazu kam, daß dieses Wissen später verlorenging.
Und wenn wir zur Beantwortung dieser Frage die Geschichte des Reinkarnationsgedankens im Frühchristentum untersuchen wollen, so müssen wir uns zunächst auch über die folgende wichtige Tatsache, die heute oft vergessen wird, im klaren sein:
Das frühe Christentum kannte in den ersten Jahrhunderten nach Jesus noch keine festen Lehrsätze (Dogmen), wie sie heute als unumstößliches Fundament der katholischen Kirchenlehre gelten. Als Glaubensgrundlage dienten in erster Linie die Originalhandschriften des Neuen Testaments, wobei zu beachten ist, daß es darin noch keine systematische Aufstellung irgendwelcher Lehren und keine ausformulierten Abhandlungen über irgendwelche Grundsätze in Religion und Philosophie gab, sondern nur fragmentarische Erzählungen mit geringem Bemühen um eine chronologische Ordnung sowie kurze Gespräche und Briefe.
Daneben galten auch die etwas systematischeren Schriften der Kirchenväter oder Kirchenlehrer als maßgeblich, welche jedoch die unterschiedlichsten Themen behandelten und dabei durchaus nicht in allen Punkten übereinstimmten.
Unter dem Begriff der Kirche wurde auch noch keine feste Organisation oder Institution verstanden, sondern sie stellte vielmehr eine lockere Gruppe oder Gemeinschaft derer dar, die bestrebt waren, die von Jesus und seinen Anhängern verkündete Botschaft zu verstehen und dementsprechend zu leben.
Wichtig ist ebenfalls die Tatsache, daß es im Urchristentum noch keine Trennung in eine griechische und eine römische Kirche gab und daß die ersten großen Kirchenlehrer allesamt dem griechischen Kulturkreis entstammten und der im Entstehen begriffenen christlichen Lehre folglich zuweilen eine deutlich griechische Prägung gaben. (Die Streitigkeiten zwischen der römischen und der griechischen Kirche führten erst später, im Jahre 1054, zum großen Schisma, d.h. zur Kirchenspaltung in die griechisch-orthodoxe und römisch-katholische Kirche.)
In den ersten Jahrhunderten nach Jesus war die Entwicklung der Kirchenlehre also maßgebend bestimmt von den theologischen Lehrsätzen, die von den führenden Kirchengelehrten in speziellen Kirchenversammlungen festgelegt wurden.
Doch je mehr sich das aufstrebende Christentum in den kommenden Jahrhunderten zu einer wirtschaftlich und politisch mächtigen Weltreligion entwickelte, desto mehr gingen auch viele der ursprünglichen Grundgedanken verloren, und an ihre Stelle traten oft eher „weltliche“ Überlegungen – um es gelinde auszudrücken. Es ist daher augenscheinlich, daß uns grundlegende theologische Untersuchungen unweigerlich ins Urchristentum führen, denn die ersten Christen waren, wie sich zeigen wird, nicht nur zeitlich „näher bei Christus“.
Diesen Sachverhalt möchte ich in der Folge am Beispiel der wohl herausragendsten und einflußreichsten Persönlichkeit des Urchristentums illustrieren: Origenes von Alexandria (185–254), dessen Name gerade im Zusammenhang mit dem Reinkarnationsgedanken immer wieder genannt wird – und dies zurecht.
Origenes ist der erste und einer der größten Gelehrten und Bibelkenner, die das Christentum je gekannt hat. Er war ein Wissenschaftler, der alle weltlichen Ehren der damaligen griechischen Bildungswelt errungen hatte. Um alle seine Aussagen auf ein breites biblisches Fundament abzustützen, erstellte er sich eine umfassende Textausgabe des Alten Testaments (die „Hexapla“), so daß er seine Lehren immer auf diese Grundlage beziehen konnte.
Er beherrschte neben der griechischen Sprache auch Hebräisch (die Sprache der alttestamentarischen Urtexte) und erlernte darüber hinaus sogar eigens die Muttersprache Jesu, Aramäisch, um auch die Texte jener Autoren im Original lesen zu können, die Jesus persönlich gekannt und sein Leben und seine Lehren schriftlich festgehalten hatten.
Origenes kann also, ohne Übertreibung, als Universalgelehrter von Weltrang bezeichnet werden. Er ist „Zeuge höchsten christlichen Wissens und dessen überragender Lehrer. Seine literarische Hinterlassenschaft stellt bis ins 20. Jahrhundert die umfassendste und tiefste Erschließung der Bibel dar“. (aus der Einleitung des Buches „Origenes der Diamantene“ von Robert Sträuli).
Origenes war zudem der Leiter der berühmten Katechetenschule von Alexandria (im heutigen Ägypten), wo sich auch die größte Bibliothek des Altertums befand, mit der umfangreichsten Schriftensammlung der gesamten damaligen Welt.
Viele Fachkenner sind sich darüber einig, daß sich mit größter Wahrscheinlichkeit dort auch zahlreiche vedische Originaltexte in Sanskrit befanden, denn es herrschte bereits damals ein reger kultureller und philosophischer Austausch zwischen den Gelehrten der griechischen, persischen und indischen Hochkulturen. Diese höchst bedeutende Bibliothek wurde indes im Jahre 389 von einem christlichen Glaubensfanatiker, dem Patriarchen Theophilus, in Brand gesteckt.
Durch diese bedauernswerte Tat wurde wertvollstes Wissen unwiederbringlich zerstört, was die historische Forschung heute erheblich erschwert. Es ist jedoch wichtig zu beachten, daß aufgrund dieser Tatsache keiner der späteren Kirchengelehrten nach Origenes solche Voraussetzungen für seine wissenschaftliche Arbeit hatte wie Origenes – auch nicht jene, die später versuchten, seine Lehren zu widerlegen.
Kurzum: Origenes hatte also Kenntnis sämtlicher verfügbaren Originaldokumente des Christentums, sowohl der heiligen Schriften der Juden als auch der Evangelien und Apostelbriefe und der heute als apokryph („unecht“) bezeichneten Schriften, und er verfügte außerdem über fundiertes Wissen der griechischen, persischen und vermutlich auch der vedischen Philosophie. Er hatte Pythagoras, Platon und Plotin gelesen und war ein persönlicher Schüler des großen Gelehrten Ammonius Sakkas aus Alexandria (175–242), des Begründers der neuplatonischen Lehre.
Die umfassende Gelehrsamkeit des Origenes auf theologischem Gebiet veranlaßte den damaligen Bischof von Alexandria, Demetrius, diesen einmaligen Sachkenner auf Missionsreisen zu schicken, insbesondere wenn es darum ging, Meinungsstreitigkeiten unter Theologen zu widerlegen. Wie erwähnt, vertraute er Origenes auch die Leitung der blühenden Katechetenschule an, verlieh ihm also ein kirchliches Lehramt.
Derselbe Bischof Demetrius aber war später auch der erste, der Origenes der Irrlehre bezichtigte, wobei seiner Handlungsweise jedoch offensichtlich ein rein egoistisches Motiv, nämlich gekränkte Eitelkeit und Neid, zugrunde lag: Als die Bischöfe in Caesarea (Palästina), wo sich Origenes längere Zeit zu Lehrzwecken aufhielt, diesen aufgrund seiner Beliebtheit und Gelehrsamkeit zum Presbyter (Priester) weihten, sah Demetrius darin einen Eingriff in seine Rechte und veranlaßte in Origenes’ Abwesenheit die Aberkennung seiner Priesterwürde und seine Verbannung (dies im Jahre 231).
Dieser „Fall Origenes“ ist in der christlichen Kirchengeschichte wahrscheinlich das erste Beispiel eines Konfliktes zwischen einem unabhängigen christlichen Gelehrten und der Autorität der über ihm stehenden kirchlichen Behörde – das erste Beispiel also für den Kampf um die Wahrheit gegen den Kampf um die Macht im hierarchischen System. Leider, so muß man allerdings sagen, bei weitem nicht das einzige und letzte.
In den folgenden Jahrhunderten wurden die Lehren dieses größten aller Kirchengelehrten, der zu seinen Lebzeiten keinen Sachkenner gleichen Ranges gekannt hatte, immer wieder der Häresie (Ketzerei) bezichtigt. Dennoch vertraten einige führende Theologen auch nach Origenes’ Tod weiterhin seine Ansichten, so daß die theologischen Streitigkeiten um seine Lehren mit einem für die heutige Zeit unvorstellbaren Fanatismus ausgetragen wurden.
Weil, vor allem in Palästina, bis ins 6. Jahrhundert (also 300 Jahre nach seinem Tode) teilweise bürgerkriegsähnliche Zustände unter den betroffenen Mönchsgruppen herrschten, übergaben einige Origenes-Gegner dem im Jahre 542 in Palästina weilenden päpstlichen Gesandten Pelagius eine Klageschrift an den herrschenden Kaiser Justinian I. in Konstantinopel (Byzanz).
Diese Schrift wie auch andere Motive führten in der Folge dazu, daß die Lehren des Origenes offiziell aus der aufstrebenden christlichen Kirche verbannt wurden. Ich werde im Anschluß noch auf den genauen Verlauf der Beseitigung seiner Lehren zu sprechen kommen. Vorerst wollen wir aber diese sogenannt „ketzerischen“ Ansichten, die zu solch tiefgehenden Streitigkeiten und zu solch blutigen Auseinandersetzungen in der frühchristlichen Geschichte führten, etwas genauer betrachten.
KAPITEL 6: REINKARNATION IM CHRISTENTUM - ORIGENES VON ALEXANDRIA
Origenes’ Lehre
Origenes verfaßte insgesamt rund 2000 Schriften, die später leider größtenteils zerstört wurden. Seine bis in die heutige Zeit überlieferten Werke lagen zudem lange Zeit nicht im Original, sondern nur in der lateinischen Übersetzung des Rufinus von Aquileja vor, der in der Einleitung selbst zugibt, daß er bei der Übertragung vom Griechischen ins Lateinische gezwungen war, gewisse Korrekturen im Sinne der kirchlichen Dogmen vorzunehmen.
Erst vor wenigen Jahrzehnten wurden in Ägypten einige Originale von Origenes’ Schriften gefunden, die sich in der Tat von den Übersetzungen des Rufinus an wichtigen Stellen teilweilse deutlich unterscheiden. Dennoch können wir anhand der überlieferten Textstellen die Grundzüge seiner Lehre skizzieren:
Origenes lehrte, daß es eine Rangordnung unter den Wissenschaften gebe, an deren Spitze nicht mehr die Philosophie, sondern vielmehr die Theologie, die Wissenschaft über Gott, zu stehen habe: „Wenn die Söhne der Weltweisen von Geometrie, Musik, Grammatik, Rhetorik und Astronomie sagen, sie seien die Mägde der Philosophie, so können wir von der Philosophie in ihrem Verhältnis zur Theologie dasselbe sagen.“
Folglich verlangte er von den Theologen, sämtliche verfügbaren alten philosophischen und wissenschaftlichen Schriften zu kennen und durchzuarbeiten und allem ein gerechtes Ohr zu leihen, wofür er selbst das beste Beispiel gab.
In seinen Lehren nimmt Origenes denn auch eine weitgehende, ja für die Kirchenmacht zu weit gehende Verschmelzung christlicher mit neuplatonischen Gedanken vor. In seinem Hauptwerk „De principiis“ („Von den Grundlehren“) beschrieb er, gleich den Neuplatonikern, das Verhältnis zwischen Gott und den Menschen (d.h. den Seelen) wie jenes zwischen der Sonne und dem Glanz, der von ihr ausstrahlt – ein Vergleich übrigens, der sich bereits in den vedischen Schriften findet (Vishnu Purana 1.22.53) findet. Jesus steht dabei als Gottes Sohn in gleichem Abstand von beiden zwischen Gott und den Menschen als Vermittler.
Weiter lehrte Origenes, daß die gesamte Schöpfung – also sowohl die unvergängliche spirituelle Welt als auch die zeitlich begrenzte körperliche (materielle) Welt – von Gott geschaffen wurde und daß „kein Wesen existiert, das nicht von Ihm sein Dasein erhalten hätte“. Mit anderen Worten, alle Vernunftwesen (von Origenes Logika genannt) gehen ewig aus Gott hervor und sind demzufolge selbst auch ewig, da sie mit Gott verwandt sind. Im Urzustand waren alle Logika nichtmaterielle Wesen und gaben sich der unmittelbaren Schau ihres gemeinsamen Vaters hin.
Die individuellen Unterschiede zwischen den „himmlischen, irdischen oder unterirdischen Wesen“, so lehrte Origenes, sind erst durch das Abfallen von Gott entstanden. Grund und Ursache dieses Falles sind demnach nicht im Schöpfer zu suchen, sondern in den Lebewesen selbst, da, wie er schreibt, „die Ursache der Verschiedenheit und Mannigfaltigkeit unter den einzelnen Geschöpfen von ihren eigenen Bewegungen herrührt, die teils lebhafter, teils träger sind, entsprechend ihrer Tugend und Schlechtigkeit, nicht aber aus ungleicher Behandlung durch den Ordner der Welt.“
Gemäß Origenes ist bestimmend für den Ort, an dem sich ein Vernunftwesen aufgrund seiner „eigenen Bewegung“ befindet, sein eigener freier Wille, den ihm der Schöpfer als größtes Geschenk mitgegeben hat und durch den es der Seele möglich ist, sich für oder gegen Gott zu entscheiden. Er schreibt:
Denn der Schöpfer gewährte den Intelligenzen, die er schuf, willensbestimmte, freie Bewegungen, damit in ihnen eigenes Gut entstehe, da sie es mit ihrem eigenen Willen bewahrten. Doch Trägheit, Überdruß an der Mühe, das Gute zu bewahren, und Abwendung und Nachlässigkeit gegenüber dem Besseren gaben den Anstoß zur Entfernung vom Guten.
Auch bei einem anderen großen Kirchengelehrten, dem frühen Dalmatier Hieronymos (347–419), dessen größte Leistung die erste lateinische Bibelübersetzung (die „Vulgata“) war, vereinigen sich klassisch-griechische und biblische Überlieferungen. In seinen „Epistulae“ heißt es:
Alle körperlosen und unsichtbaren vernünftigen Geschöpfe gleiten, wenn sie in Nachlässigkeit verfallen, allmählich auf niedere Stufen herab und nehmen Körper an je nach Art der Orte, zu denen die herabsinken: zum Beispiel erst aus Äther, dann aus Luft, und wenn sie in die Nähe der Erde kommen, umgeben sie sich mit noch dichteren Körpern, um schließlich an menschliches Fleisch gefesselt zu werden. ...
Dabei wechselt der Mensch seinen Körper ebensooft, wie er seinen Wohnsitz beim Abstieg vom Himmel zur Erde wechselt.
Und in einem Brief an Demetrius schreibt Hieronymos, daß „die Reinkarnationslehre unter den ersten Christen als geheime, den Laien nicht offenbarte Überlieferung behandelt und nur den Auserlesenen erklärt wurde“.
Aus diesen Zeugnissen geht hervor, daß sowohl Origenes als auch andere bedeutende frühchristliche Theologen, Philosophen und Kirchenlehrer – so zum Beispiel auch Justinus der Märtyrer (100– 165), Tatian (2. Jh.), Clemens von Alexandria (150–214), Gregorios von Nyssa (334–395), Synesios von Kyrene (370–413), der Hl. Augustinus (354–430) und der Bischof Nemesios von Emesa (um 400– 450) – die Ansicht vertraten, daß die Seelen der Menschen schon vor der Entstehung der materiellen Welt vorhanden waren.
Mit anderen Worten, all diese frühen Kirchenlehrer waren von der später so umstrittenen Präexistenz der Seele überzeugt. Diese wiederum ist, wie bereits dargelegt, eine wichtige Voraussetzung für die Reinkarnationslehre und wird außerdem durch die folgende Bibelstelle bestätigt:
Das Wort des Herrn erging an mich: Noch ehe ich dich im Mutterleib formte, habe ich dich ausersehen, noch ehe du aus dem Mutterschoß hervorkamst, habe ich dich geheiligt, zum Propheten für die Völker habe ich dich bestimmt. (Jer 1,4–5)
In „De principiis“ vertritt Origenes denn auch ganz direkt die Prinzipien von Karma und Reinkarnation. Es heißt dort beispielsweise:
Wenn man wissen will, weshalb die menschliche Seele das eine Mal dem Guten gehorcht, das andere Mal dem Bösen, so hat man die Ursache in einem Leben zu suchen, das dem jetzigen Leben voranging. Jeder von uns eilt der Vollkommenheit durch eine Aufeinanderfolge von Lebensläufen zu.
Wir sind gebunden, stets neue und stets bessere Lebensläufe zu führen, sei es auf Erden, sei es in anderen Welten. Unsere Hingabe an Gott, die uns von allem Übel reinigt, bedeutet das Ende unserer Wiedergeburt.
Und an einer anderen Stelle schreibt er:
Aufgrund einer Anziehung an das Böse nehmen bestimmte Seelen Körper an, zunächst einen menschlichen. Nachdem ihre Lebensspanne als Mensch dann abgelaufen ist, wechseln sie aufgrund irrationaler Begierden in einen Tierkörper über, von wo sie auf die Ebene von Pflanzen sinken. Aus diesem Zustand erheben sie sich wieder, indem sie die gleichen Stufen durchlaufen, und kehren zu ihren himmlischen Orten zurück.
Nach Origenes besteht also letztlich der Sinn und Zweck allen Lebens innerhalb der polaren Welt darin, daß sich die Seelen durch viele Inkarnationen hindurch läutern und veredeln, bis alle, durch Befolgen der Gebote Jesu und durch ihre Liebe und Hingabe zu Gott, schließlich wieder in die ewige Gemeinschaft Gottes gelangen:
Denn Gott lenkt die Seelen nicht nur im Hinblick auf die, sagen wir, fünfzig oder sechzig Jahre dieses irdischen Lebens, sondern auf die unendliche Ewigkeit; denn Er hat die geistige Substanz unvergänglich gemacht und Ihm selbst verwandt, und die vernünftige Seele ist nicht von der Heilung ausgeschlossen, als wäre sie auf das Leben hier auf Erden beschränkt. ...
Diese [Rückkehr zu Gott] muß man sich aber nicht als ein plötzliches Geschehen vorstellen, sondern als ein allmähliches, stufenweise im Lauf von unzähligen und unendlich langen Zeiträumen sich vollziehendes, wobei der Besserungsprozeß langsam den einen nach dem anderen erfaßt; einige eilen voraus und streben rascher zur Höhe, andere folgen in kurzem Abstande, und wieder andere weit hinten; und so gibt es zahllose Stufen von Fortschreitenden, die aus der Feindschaft zur Versöhnung mit Gott kommen, und am Ende steht der „letzte Feind“, welcher der „Tod“ genannt wird, und der ebenfalls vernichtet wird, auf daß er nicht länger ein Feind sei.
Diese letzte Aussage bezieht sich auf die Bibelstelle 1 Kor 15,26, die Origenes wie folgt erklärt:
Die Vernichtung des letzten Feindes ist aber so zu verstehen, daß nicht seine von Gott geschaffene Substanz vergeht, sondern seine feindliche Willensrichtung, die nicht von Gott, sondern von ihm selbst stammt. Er wird also vernichtet, nicht um künftig nicht zu sein, sondern um künftig nicht mehr „Feind“ und „Tod“ zu sein.
Auch gemäß der vedischen Theologie besteht die einzige Möglichkeit für die Seele, aus dem Kreislauf der Seelenwanderung auszubrechen – also „den letzten Feind, welcher der Tod genannt wird“ zu bezwingen –, darin, daß sie sich von ihrer feindlichen Gesinnung Gott gegenüber abwendet und sich Ihm wieder zuwendet:
Diejenigen, die Mich verehren, die all ihre Tätigkeiten Mir weihen, Mir ohne Abweichung hingegeben sind, sich im hingebungsvollen Dienen beschäftigen und immer über Mich meditieren, indem sie ihr Bewußtsein fest auf Mich richten – sie befreie Ich sehr schnell aus dem Ozean von Geburt und Tod. (Bg. 12.6–7)
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