REINKARNATION von Ronald Zürrer |
Internet-Veröffentlichung Juli 2008, |
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KAPITEL 6: REINKARNATION IM CHRISTENTUM
Der Reinkarnationsglaube im Umfeld Jesu
Aus des Ausführungen in Kapitel 5 ging eindeutig hervor, daß der Karma- und Reinkarnationsgedanke sowohl unter den maßgebenden antiken Philosophen als auch unter den Juden Palästinas vor und während der Zeit Jesu wohlbekannt war. So ist es nicht erstaunlich, daß das Wissen um die Reinkarnation auch im Umfeld des frühen Christentums noch selbstverständlich war.
In den jüdischen Gemeinden Palästinas zur Zeit Jesu gab es zahlreiche Gruppen und Bruderschaften, die offen ihren Glauben an die Präexistenz der Seele und an ihre Wanderung durch verschiedene irdische Leiber vertraten. Zu diesen Gruppen gehörten vor allem verschiedene Zweige der Essener und der Nazarener, die ein klösterliches und streng asketisches Leben führten (Zölibat, Vegetarismus, Abstinenz von jeglicher Art der Berauschung, Besitzlosigkeit).
Ihre Gemeinden waren im zweiten Jahrhundert v.u.Z. entstanden und wandten sich insbesondere gegen die pharisäischen Tendenzen der Verweltlichung im Judentum. In verschiedenen urchristlichen Schriften wird beschrieben, daß nicht nur Johannes der Täufer, sondern ursprünglich auch Jesus aus ihren Reihen kamen. Zumindest läßt sich ihre enge Verwandtschaft bezüglich Lebensstil und Lehren nicht bestreiten, ja sogar bezüglich ihrer Kleidung, denn es wird beschrieben, dass die Nazarener an Gewändern aus Kamelhaar zu erkennen waren, genauso wie es bei Johannes dem Täufer der Fall war (siehe Mt 3,4).
Mit anderen Worten, Jesus erschien in einer Zeit, in der die Lehren von Karma und Reinkarnation durchaus geläufig waren und zum allgemeinen Gedankengut gehörten. Bereits im Jahre 1831 schrieb der Stuttgarter Stadtvikar und Repetent am Tübinger Stift, August Friedrich Gfrörer: „Die christliche Kirche ging aus der essenischen Gemeinschaft hervor, deren Gedanken sie fortbildete und ohne deren Regeln ihre Organisation unerklärlich wäre.“ (in: „Jesus lebte in Indien“ von Holger Kersten, S. 94)
So berichtet der jüdische Geschichtsschreiber Josephus Flavius (um 37–100) in seinem Buch über den Jüdischen Krieg, daß die Essener und andere jüdische und jüdisch-christliche Gruppen der Auffassung waren, daß der menschliche Körper vergänglich und die Seele im Körper unvergänglich sei, das heißt, daß die Seele vor der Geburt bereits existiert habe und nach dem Tod weiterexistiere.
Der Name Essener läßt sich zum einen vom syrischen hasen ableiten, was „die Frommen“ bedeutet, zum anderen aber auch vom aramäischen assaya in der Bedeutung von „Arzt“ oder „Heiler“. Manche der mönchischen Anhänger des Essenerordens waren, gleich den Yogis und Fakiren in Indien, aufgrund ihrer strengen Askese und Buße zu erstaunlichen übersinnlichen Fähigkeiten gelangt.
Die Essener sprachen, wie Jesus, Aramäisch, und obwohl ihre rund 4000 Mitglieder zählenden Bruderschaften im Jahre 68 durch römische Legionen bis auf den letzten Mann ausgerottet wurden, sind ihre in Höhlen versteckten Schriften erhalten geblieben. Diese weitverbreiteten Schriften wurden später vom sich formierenden römisch-katholischen Christentum zurückgewiesen und als apokryph („unecht“) bezeichnet (Konzil zu Nicäa, 325).
Vieles über die Tradition der Essener blieb danach verschollen, und erst die Schriftrollenfunde von Qumran am Nordwestufer des Toten Meeres (seit 1948 über 600 essenische Originalmanuskripte) warfen neues Licht auf die vergessene Tradition der verschiedenen urchristlichen Gemeinden. Die Entdeckung dieser Schriften führte dazu, daß viele der heute gängigen christlichen Dogmen wieder hinterfragt wurden, was einen vielschichtigen Kampf um diese Schriftrollen nach sich zog.
Wir verdanken den Essenern und anderen vorkirchlichen Quellen wertvolle zusätzliche Zeugnisse über das Leben und die Lehren Jesu. So enthält das „Heliand-Evangelium“, das Friedensevangelium der Essener, folgende aufschlußreiche Predigt Jesu zum Thema der Reinkarnation:
Jesus saß in der Vorhalle des Tempels, und viele waren gekommen, um seine Lehre zu hören. Und einer fragte ihn: „Herr, was lehrest du vom Leben?“ – Und er sagte zu ihm: „Selig sind, die viele Erfahrungen durchmachen; denn sie werden durch Leiden vollkommen werden.
Sie werden sein wie die Engel Gottes im Himmel, und sie werden nimmer sterben, noch werden sie wiedergeboren werden; denn Tod und Geburt haben keine Herrschaft mehr über sie.“ (37,1–2)
„So wie alle Geschöpfe aus dem Unsichtbaren hervorgehen in diese Welt, so kehren sie zurück zu dem Unsichtbaren, und so werden sie wiederkommen, bis sie gereinigt sein werden... Es gibt eine Auferstehung aus dem Körper und eine Auferstehung in den Körper. Es gibt ein Aufsteigen des Lebens aus dem Fleische und ein Herabsteigen in das Leben des Fleisches.
Der Körper, den ihr in das Grab leget oder der durch das Feuer verzehrt wird, ist nicht der Körper, der sein wird; denn die kommen, werden andere Körper erhalten, wenn auch ihre eigenen, und was sie in einem Leben gesät haben, das werden sie ernten in einem anderen.
Selig sind, die Unrecht leiden in diesem Leben; denn sie werden größere Freude erleben in dem kommenden Leben. Selig sind, die Rechtschaffenheit geübt haben in diesem Leben; denn sie werden die Krone des Lebens empfangen.“ (94,2–4)
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