REINKARNATION von Ronald Zürrer |
Internet-Veröffentlichung Juli 2008, |
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VORBEMERKUNGEN
Über mich
„Ich bin
nicht ein menschliches Wesen,
das eine spirituelle Erfahrung macht.
Ich bin ein spirituelles Wesen,
das eine menschliche Erfahrung macht.“
Dieses Mal wurde ich in Zürich geboren, im Dezember des Jahres 1961. Warum gerade in Zürich, in der unbedeutenden Schweiz, war mir lange Zeit nicht klar, ja ich dachte nicht einmal darüber nach, nahm es einfach als selbstverständlich hin: Du bist jetzt ein Schweizer, du bist ein Kind, du bist dein Körper. Du mußt wachsen, du mußt lernen, du mußt etwas werden. Frag nicht, warum. Die Kindheit verlief denn auch unerwähnenswert normal – spielen, wachsen, lernen, vergessen.
Nur manchmal, wenn ich lange genug in den Spiegel schaute, kam es mir plötzlich seltsam, fast lächerlich vor, in einem solch kleinen Schweizerkörper zu stecken. War das wirklich ich? Was hatte ich hier eigentlich verloren, was zu finden? Hatte ich nicht eben noch ganz anders ausgesehen, war ich nicht woanders gewesen?
Das konnte noch gar nicht so lange her sein, ein paar Jahre vielleicht. Während ich mich so träumerisch in das verschwommene Spiegelbild meines Körpers verlor, stiegen manchmal Bilder aus fernen Ländern in mir auf, fremde und doch irgendwie vertraute Gesichter, Landschaften, Farben, Düfte, Klänge. –
Was machst du da wieder, hieß es dann, bist mal wieder am Träumen? Man wollte mir nicht zuhören, wenn ich von der Zeit erzählte, da ich noch groß war, da alles ganz anders war. Nicht schöner oder schlimmer, nicht besser oder schlechter, nur anders.
Als ich dann um die sechzehn Jahre in meinem neuen Körper gelebt hatte, geschah zum ersten Mal etwas wirklich Besonderes. Zu jener Zeit hatte ich mich bereits damit abgefunden, ein Schweizer, ein Junge, ein Schüler zu sein, und verflogen schienen die unverstandenen Kinderträume und die Sehnsucht nach einer fernen Heimat. Pläne wurden jetzt geschmiedet und Ziele gesteckt für ein erfolgreiches Leben, und als Schweizer aus gutem Hause hatte man die besten Voraussetzungen dazu. Warum gerade hier, warum gerade so, wagte ich kaum mehr zu fragen.
Auf dem Flohmarkt hatte ich einst ein kleines Buch gekauft, ihm auf meinem Regal einen besonderen Platz unter den anderen zugeteilt, es dann aber längere Zeit nicht weiter beachtet. Nun aber kam der Sommerurlaub, und ich nahm mir vor, dieses Buch gründlicher zu studieren. „Siddhartha“ war sein Name, „eine indische Dichtung“.
Beim Lesen war mir schon von den ersten Seiten an vieles sonderbar vertraut, ich fühlte mich plötzlich wie nach einer langen Reise endlich wieder zu Hause angekommen, und längst vergessene Erinnerungen überkamen mich. Ja, diesen Siddhartha, diesen Govinda, diesen Vasudeva kannte ich, mit diesen Samanas war ich selbst einst gezogen, hatte selbst einst die heiligen Veden studiert und den Lehren des Flusses gelauscht.
Der Gedanke der Reinkarnation war mir plötzlich wieder selbstverständlich. Warum war ich bloß nicht früher darauf gekommen? Nein, ich war gar kein Schweizer, kein Junge, kein Schüler. Aber ich war auch kein Inder, kein Brahmane und kein Bettler, war weder alt noch jung, weder Mann noch Frau.
Ich wechselte bloß immer wieder meine Gestalten, wie ich Kleider wechselte oder wie ein Schauspieler Rollen wechselt. Gestern war ich dort, heute bin ich hier, gestern oben, heute unten, gestern traurig, heute glücklich, ein Spielball in den Händen meines Schicksals – oder meines Karma, wie ich später erfuhr. Doch dies alles hatte im Grunde nichts mit meinem eigentlichen Selbst zu tun, war nur äußerlich, zeitweilig, konnte folglich noch nicht die letzte Wirklichkeit sein.
Ich nahm mir vor, in diesem Leben nicht noch einmal nur ziellos Suchender zu sein; in diesem Leben wollte ich dem Geheimnis auf den Grund gehen: Wer bin ich wirklich? Wer ist dieses Individuum, das fortwährend einen Körper nach dem anderen annimmt und aufgibt, das sich nach Ewigkeit und Beständigkeit sehnt und doch ständig dem Kreislauf von Geburt und Tod unterworfen ist? Worin liegt der Sinn, wo die Antwort, wo der Ausweg?
Ich beendete die Schule, ohne es zu beachten, und studierte ein wenig Germanistik, Philosophie, Religionswissenschaft und Indologie. So lernte ich wieder die Bhagavad-gita kennen und schloß mich in der Folge als Mönch einer Gruppe von Menschen an, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten, Religion nicht nur intellektuell zu diskutieren, sondern sie auch in ihr praktisches Leben zu integrieren. Ich reiste mehrmals nach Indien, wo ich mich aufs neue in die erhabenen Weisheiten der Puranas und der Upanishaden vertiefte, und ließ mich von einem Meister in die Kunst der Mantra-Meditation und des Bhakti-yoga einweihen.
Nach sieben Jahren als Schüler und Mönch verspürte ich das Verlangen nach einer neuen Herausforderung auf meinem Lebensweg. Dankbar, aber ohne zurückzublicken, verließ ich die Klostergemeinschaft, machte mich selbständig im Denken und Handeln, begann nochmals von vorne. Ich wurde Ehemann und Geschäftsmann, Vortragsreisender und Dozent, Buchautor und Verleger. Dann verließ ich die Stadt meiner jetzigen Geburt, zog ins Ausland, wurde ein zweites Mal Ehemann und schließlich auch Vater.
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Zur Zeit lebe und arbeite ich wieder in der Nähe der Schweiz, habe Erfolg und Besitz, trage Verantwortungen und Lasten, spiele das Spiel dieser Welt äußerlich mit. Doch schon wieder spüre ich das Verlangen nach neuen Erlebnissen, Erfahrungen, Erkenntnissen und Einsichten in mir aufkeimen. Vielleicht steht bald wieder eine Veränderung bevor. Und noch immer bin ich ein Suchender, noch immer treibt mich die innere Sehnsucht nach der fernen Heimat, noch immer will ich dem Geheimnis auf den Grund gehen, aber inzwischen ohne die Hast und Ungeduld meiner Jugend. Ich bin reifer geworden, ruhiger, vertrauensvoller. Ich weiß, ich habe Zeit, und: Es geht voran! |
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