Stimmen aus einer anderen Welt
- Chronik und Technik der Tonbandstimmenforschung -
von Hildegard Schäfer (†)

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21. Konkrete Antworten auf konkrete Fragen

    Eine Kreisteilnehmerin, die ihren Mann vor kurzem verloren hatte, war sich nicht schlüssig darüber, ob sie die ersten Weihnachten nach seinem Hinübergang mit ihren Kindern zu Hause verbringen oder ob sie zu Verwandten fahren sollte.

Im Grunde genommen wäre sie viel lieber daheim geblieben, aber sie glaubte, ihren Kindern dieses erste Weihnachtsfest ohne Vater erleichtern zu können, wenn sie mit ihnen verreiste. Deshalb hatte sie die Einladung von Verwandten so gut wie angenommen. Bei einer Einspielung vor Weihnachten fragte sie nun ihren verstorbenen Mann, ob sie zu Hause bleiben oder wegfahren soll.

    Wie so oft fiel die Antwort ganz anders aus, als man erwartete. Auf den ersten Eindruck empfand man sie etwas kompliziert, doch nach einiger Überlegung stellte sie sich als denkbar einfach und trotzdem sehr vielsagend heraus.

Die Antwort lautete:
    12/328:     tu was in dir  v o r l i e g t !
    Die Fragestellerin wollte nur ihren Kindern zuliebe wegfahren, doch im Innersten widerstrebte ihr die Reise. Wenn sie also tun sollte, was in ihr vorliegt, so hieß das mit anderen Worten: bleib zu Hause.

Gleich auf die nächste Frage kam auch noch die Begründung dafür:
Die Frage war: "Was ist für die Kinder besser?"
    Die Antwort hieß:
    12/331:    die wollen nicht.

    So war es auch. Als die Frau mit ihren Kindern offen über das Problem sprach, stellte sich heraus, daß sie auch Weihnachten viel lieber in ihren eigenen vier Wänden feiern wollten und nur der Mutter zuliebe für die Reise plädierten. Sie blieben zu Hause, wie ihnen geraten worden war, und sie haben es nicht bereut.

Die Betreffende wollte ein andermal von ihrem Mann wissen, ob sie auch allein Einspielungen versuchen sollte, worauf sie ermuntert wird:
    1/127:    du hast ja den Radio - tu's doch - Radio ist da
    Seltsamerweise wird nicht das Tonbandgerät, sondern der Radio-

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apparat erwähnt. Die Stimmen werden vermutlich nicht vom Tonbandgerät, sondern von den Radiofrequenzen erzeugt. Das Tonbandgerät dürfte lediglich der Aufnahme und Speicherung dienen.

Jemand bittet den Vater, sich zu melden, worauf kurz und bündig erklärt wird:
    1/76/148:    ich mag nicht.

Die Mutter hingegen kommt der Bitte auf eine besondere Art und Weise nach:
    1/76/152:    ich komme nachts zu dir.
    Beide Meldungen hält die Fragestellerin bezeichnend für die Angesprochenen. Besonders die Mutter äußert sich in ähnlichen Formulierungen öfters. Sie erscheint ihr häufig im Traum. Doch die "Träume" sind noch viel zu wenig erforscht, um nächtliche Begegnungen zwischen Lebenden und Verstorbenen, um einen Blick durch die Nebelwand nächtlicher Erlebnisse für möglich zu halten.

Besonders eindrucksvoll und von tiefem Gefühl beseelt wurden die Worte von einer Mutter gesprochen, die durch ihre Tochter schon mehrmals um ein Zeichen gebeten worden war:
    12/300:    d a  bist du! - Da bist du ja  w i e d e r !
und zwischen diesen bei den Ausrufen sagte eine Männerstimme wie zur Bestätigung ebenso gefühlsbetont:
h i e r ist sie!

Eine andere Teilnehmerin klagt Jenseitigen gewisse Schwierigkeiten und sagt: "Du kennst die Probleme", worauf ihr zu verstehen gegeben wird:
    8/447 :    die sind aber schlecht zu lösen.
    Wir dürfen uns demnach von den Jenseitigen keine offensichtliche Hilfe erwarten. Wohl geben sie hin und wieder einen Rat oder verschlüsselten Hinweis, doch mit unseren irdischen, oft recht diesseits bezogenen Nöten und Sorgen müssen wir uns schon selber herumplagen.

Abschlägig lautet auch der Bescheid auf die Frage, ob Jenseitige von drüben aus positiv auf einen Menschen einwirken können, der auf die schiefe Bahn geraten ist.
7/170:    das ist schwer.

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Ich glaube, wir sollten ein solches Ansinnen an die Wesenheiten auf der anderen Seinsebene gar nicht stellen.
Auf die Frage: "Wartest du darauf, daß ich dich rufe und anspreche?" entgegnet eine Wesenheit:
    12/383:    kann sein - mußt - wenn ich da bin.
    Soll das heißen, daß sie nicht immer erreichbar sind, daß sie uns nur dann hören, wenn sie infolge irgendwelcher Voraussetzungen, die wir nicht kennen, anwesend sind?

Einem jungen Mann, der ungewöhnlich zurückgezogen lebt und vom Treiben dieser Welt absolut nichts wissen will, wird geraten:
    11/397:    vertrau auf die Welt!
    Vielleicht ist damit gemeint, daß wir, nun schon einmal auf dieser Erde lebend, uns auch ihren Forderungen stellen müssen?
   
Auf die wiederholte Bitte um Kontakt folgt die Behauptung:
    10/68:    ich sprach doch - ich habe gesprochen
    Wahrscheinlich hat wieder einmal unser Ohr versagt. Gewöhnlich sind mehr Stimmen auf dem Band, als wir verstehen können. Nachgewiesenermaßen sind die meisten Menschen unfähig, mehr als sieben Lautstärkegrade und mehr als sieben Tonhöhen einzustufen. Das besagt, daß unser Ohr über eine längere Zeitspanne hinweg geübt werden muß, bis es die Phoneme der Tonbandstimmen zu erfassen vermag.

Ein wenige Tage vor der Einspielung Verstorbener, der noch im Leichenhaus lag, wurde gerufen und gefragt, ob er sich bereits melden könne. Eine Stimme sagt bedauernd, aber sehr deutlich:
    8/645:    ich kann doch nicht
    Dieser Satz beinhaltet einen Widerspruch. Doch auf unsere Logik dürfen wir uns nicht stützen. Bei der Knappheit der Äußerungen ist es sehr schwierig, den konkreten Sinn herauszufinden.

Als ich einmal bei einer Einspielung im Alleingang KONSTANTIN RAUDIVE anspreche und ihm sage, daß ich allein experimentiere, bekomme ich zur Antwort:
    9/236:    das wußte ich

Das wiederholte Anrufen eines bestimmten jenseitigen wird kommentiert mit lebhafter, etwas ungeduldiger Stimme:
    10/150:    ich rufe  d i c h - ich habe schon  v e r s t a n d e n !

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Solche Äußerungen lassen auf einen doch schon recht gut funktionierenden Gegensprechverkehr schließen.

    Immer wieder wird bestätigt, daß der Kontakt mit uns gewünscht wird, daß sie uns hören können und daß sie sich über diese Art der Kommunikation freuen.

Nachfolgende Fragen und Antworten unterstreichen diese Ansicht.
Frage: 8/655: ich rufe dich, lieber Ernst
Antwort:    ich hör dich ja gern

Frage: 4/62: bist du noch in meiner Nähe?
Antwort:    bin ja in der Nähe

Frage: 3/17: möchtest du noch Kontakt mit mir?
Antwort:    gern - ja  g e r n !

Frage: 3/130: ich würde mich so freuen, wenn du zu mir sprechen würdest
Antwort: oh - ich  w e i ß !

Frage: 8/461: ich möchte dich heute rufen
Antwort:    hab lange gewartet

Frage: 12/132: wir möchten so gerne Kontakt mit euch
Antwort:    versuchts ja alle zusammen ihr

Frage: 12/388: kannst du helfen, damit wir bessere Kontakte bekommen?
Antwort:    das hab ich doch schon

Frage: 1/158: kannst du kommen?
Antwort:    ich komme - ich denk an dich

Frage: K/4/300: ich bitte euch um guten Kontakt
Antwort:    wir sind deine Freunde

Frage: 7/51: ich bitte dich um Hilfe
Antwort:    bin schon auf dem Weg

Frage: 6/372: habt ihr euer Radargerät eingeschaltet?
Antwort:    wir kommen schon

Frage: 4/239: bitte melde dich
Antwort:    ich such dich ja

Etwas seltsam klingt die Erklärung:
    4/170:    ich kann mit dir gehen und warten,
    die ein Jenseitiger seiner Tochter gab.

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    Könnte damit eventuell gemeint sein, daß der Vater mit seiner noch auf Erden lebenden Tochter in Verbindung stehen kann und auf sie warten wird, bis er am Ende ihres Lebens mit ihr wieder vereint ist?

    Manchmal üben die Jenseitigen auch Kritik, nicht vorwurfsvoll, aber immer treffend. Es wurde von einem jungen Mädchen gesprochen, das einen ganz und gar falschen Weg eingeschlagen hatte. Die Jenseitigen wurden um ihre Meinung gebeten.

Präzise wird festgestellt:
    3/K/230:  die ist  v e r r ü c k t
    Auf die Frage einer Teilnehmerin, wie sie ihre ungläubige, skeptische Schwester von der Faktizität der Stimmen überzeugen könnte, wird lakonisch geantwortet:
    4/149:    das hat keinen Sinn

    Es hat sich dann herausgestellt, daß wirklich alle Versuche fehlschlugen und die Betreffende von ihrem einmal bezogenen Standpunkt nicht abging, nach der Devise: Was nicht sein darf, kann auch nicht sein.

    Die meisten der kleinen, wohlgemeinten Rügen beziehen sich naturgemäß auf die Art unserer Einspielungen, auf falsch gewählte Sender, auf die Art unserer Fragestellung.

So wird festgestellt:
    2/4/76:    die trägt ja nicht
    als wir einen Sender ausprobieren, und werden aufgefordert:
    1/118:    such eine Welle.
    11/258:    Leg die Welle fest
    12/185:    machst du Bandspielereien?

Es wird uns geraten:
    1/23:    bitte laut sprechen
    und vorwurfsvoll klingt es, als wir um den Brückenbau bitten, aber ein übermäßig lautes Radioprogramm einschalten, das mit explosiven Knallgeräuschen die Hörfähigkeit für leise Stimmen beeinträchtigt.
    1/129:    aber das geht ja nicht - ihr habt den dom - dom - dom -

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oder, wie schon im Kapitel Brückenbau beschrieben:
    1/290:    Radio war sehr schlecht - ihr müßt ändern - nimm Musik - ist ja so schrecklich

Es gibt Experimentatoren, die stereotyp immer die gleiche Frage stellen. Dementsprechend lautete auch schon die Antwort:
    12/352:    die hab ich dir doch schon gegeben
und
    6/63:    immer dieselbe!
    6/490:    du Nervensäge
    3/76:    die Menschen schnell!
    12/134:    ja, paß doch auf!

Positiv äußerte man sich auf die Frage, ob wir uns auf das dortige Leben vorbereiten können:
    4/72:    ist die Hoffnung sicher,

Bei der Verabschiedung am Ende einer Einspielung frage ich, ob der Weg, den wir gehen, richtig ist. Unsere Gesprächspartner verabschieden sich mit Gesang:
    3/133:    auf Wiedersehen, gute Menschen

Ich stelle fest, daß wir eine mondlose Nacht haben und spreche die Befürchtung aus, daß dies vielleicht nachteilig für unsere Einspielung sein könnte. Doch es wird versichert:
4/100:    alles kommt von dem Himmel!

Eine angesprochene Wesenheit scheint kein Interesse mehr an einer Verbindung mit dem Diesseits zu haben. Ihre Bemerkung
    4/109:    ich hab jetzt nur  d o r t  zu tun
    läßt darauf schließen. Solche Formulierungen sind jedoch äußerst selten.

Ich bitte einen alten guten Freund um eine Botschaft und es wird konstatiert:
8/319:    du wirst im Leben stehn.

Eine etwas depressive Teilnehmerin versichert, daß sie sich über die Jenseitskontakte sehr freut, worauf sie aufgefordert wird:
    4/123:    sieh zu, daß es so ist
    Es sollte also nicht nur ein Lippenbekenntnis sein, sondern sie sollte sich tatsächlich freuen.

Ein bei einem Autounfall infolge überhöhter Geschwindigkeit ums Leben Gekommener meint:

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Eine Teilnehmerin bittet um Kontakt, worauf es heißt:
    1/177:    Rosl, das funktioniert

In vorgerückter Stunde wird uns auch geraten: Geht ins Bett -, geht nach Hause. Die Jenseitigen merken infolgedessen, daß wir müde und nicht mehr aufnahmefähig sind. Nicht nur wir bedanken uns für die Verbindung, auch vom anderen Ufer aus wird uns Dank gesagt.
    11/120:   wir danken mit
    8/671:    ich danke dir
    8/599:    Grüß Gott
    6/491:    gute Nacht!
    K/2:    wünschen allen einen guten Abend
    3/119:    herzlichen Dank!
    3/390:    bedanke  m i c h !
    12/71:    ich dank doch  d i r !
    K/12/375:   geht jetzt schön nach Haus

Aus den Ergebnissen unserer Aufzeichnungen können wir das Fazit ziehen, daß uns die Jenseitigen hören können. Ob dieses "Hören-können" real oder mittels Gedanken-Telepathie ermöglicht wird, geht aus den verschiedenen Äußerungen nicht hervor. Wir wollten nun gerne wissen, ob sie uns auch sehen können und stellten eine entsprechende Frage, worauf die Antwort
    3/112:     "völlig sinnvoll"
    erteilt wird. Demnach wäre die Annahme, daß wir auch gesehen werden, nicht abwegig.
 
Eine weitere Durchgabe lautet folgendermaßen:
    1/46:     ich will dich sprechen - sehen auch noch - sehen - kann ich dich - na siehst du - --

    Daß die Jenseitigen auch unsere Gedanken lesen können, geht daraus hervor, daß manchmal eine Antwort vor der Frage auf das Tonband gelangt, wie beispielsweise in folgendem Fall:

Die Frage lautete: "Ist Tante Hedl bei dir?" Beim Abhören des Bandes mußten wir zu unserem Erstaunen feststellen, daß die Antwort
    12/517:      "Tante Hedl  i s t  bei mir"
    vor der ausgesprochenen Frage sich manifestierte.

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Ein Teilnehmer erkundigt sich bei einem verstorbenen Angehörigen, wie es ihm ergeht, und prompt ergeht diese Frage an ihn:
   
2/76/89:     "dasselbe wollt ich  d i c h  fragen"

Da vermutet wird, daß nicht jeder Verstorbene sich sofort seines neuen Zustandes bewußt ist, wurde einmal an einen Jenseitigen die Frage gestellt, ob er nach seinem Hinübergang sofort darüber im klaren war, wo er sich befindet.
In diesem Fall heißt es:
    4/145 :     "hab sofort gewußt"

Rührend klingt die Mitteilung einer Mutter an ihren Sohn. Er bat sie nur um ein Wort, sie aber sagt:
    K/3/440:     sind so  v i e I e  gute Worte

"Anrufen und melden" spielt nicht nur in unserem Vokabular bei den Einspielungen eine Rolle. Auch diejenigen auf der anderen Seinsebene bedienen sich dieser Ausdrücke.

Auf die Frage, ob sich jemand melden kann, ist zu hören:
    2/136:     wenn's anruft - heißt das melden!
    12/87:     wir kommen jetzt - wir sprechen
    11/57:     komme gleich - komme sofort
und:
    9/55:     werden wir erwartet?

Doch auch das Gegenteil ist der Fall:
    9/65:     bedauere - die ist ja gar nicht hier.
Der Anruf, der einem vor relativ kurzer Zeit Verstorbenen galt, wird so kommentiert:
    9/62:     ob's der hört? - begreift?
    Diese Formulierung stützt die These, daß nicht jeder Entrückte sich sofort seines veränderten Daseins bewußt ist. Viele müssen sich erst in der neuen Seinsform zurechtfinden.

Interessant ist auch folgende Feststellung:
    9/112:     Licht aus - ruft sie her - dann werden sie herkommen - deutlicher durchkommen

Die ängstliche Frage, ob sich ein Jenseitiger durch den Anruf nicht gestört fühlen könnte, wird beantwortet mit:
    9/191:     selbst dann - er wird kommen

Wir bitten einen Jenseitigen, mitzuhelfen, damit die Skepsis der

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Menschen den Tonbandstimmen gegenüber bezwungen werden kann. Er verspricht:
    K/125:     ich will's ihnen zeigen!
    1/105:     du schaffst es!

Einen sehr schönen Erfolg erzielte ein Mädchen, das Kontakt mit seinem verstorbenen Vater wünschte. Eine Stimme verheißt:
    7/423:     der  P a p p i  kommt dann!
Und gleich darauf meldet sich der Vater:
    7/424:     bin wie der da!

Auf die oft gestellte Frage: "Bist du noch in unserer Nähe?" kommt die außergewöhnliche Antwort:
    5/367:     "da steht die Zeit!"

    "Zeit" ist bekanntlich eine irreale Definition der Menschen. Was ist Zeit? "Rückwärts oder vorwärts ist es genauso weit, drinnen oder draußen ist der Pfad genauso schmal. Zeit und Gezeiten warten auf keinen Menschen" -, sagt PEER GYNT in IBSENS Dichtung.

    Zeit ist nur meßbar durch Bewegung. Würde sich unsere Erde nicht drehen, würden auch unsere "Zeitmesser" keine Geltung haben, und es gäbe weder Tag und Nacht, noch Jahreszeiten. Unser Daseinszustand ist jedoch, genau wie unsere Erde, dieses Staubkorn im unermeßlichen Universum, kein Hinweis auf jenseitige Existenzformen. Prof. WHEELER von der Princeton-Universität vergleicht das Universum mit einem Kranz, auf dessen Oberfläche alle Himmelskörper verteilt sind, während im Kranzloch ein anderes Universum, eine Art Superraum existiert. Diese zwei nebeneinanderliegenden Welten berühren sich. Im Superraum gibt es weder Zeit noch Geschwindigkeit, kein Vorher oder Nachher, kein Früher oder Später. Hier "steht" die Zeit. Dieser hypothetische "Superraum" muß nichts mit einem ,Jenseits" im Sinne des Weiterlebens zu tun haben, doch läßt sich auch die aufgehobene Zeitmessung auf einer anderen Seinsebene damit vergleichen.

    Eine bemerkenswerte, außergewöhnliche Antwort wurde mir auf eine Frage an meine Tochter gegeben. Ich wollte wissen, ob es schlimm war, daß sie in so jungen Jahren schon von dieser Welt abtreten mußte. Als Antwort bekam ich zu hören:

    10/316:     und sterben geht doch vor -

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Setzt diese Aussage nicht alles ins rechte Licht? Rückt sie nicht unsere falschen Maßstäbe zurecht? Wir überbewerten unser Eintagsfliegenleben, halten unsere Welt für allzu wichtig. Wir leben, als gäbe es nur dieses eine, kurz bemessene Leben.

Wir bedauern die Hinübergegangenen, und wenn wir uns über etwas freuen, wenn wir etwas Schönes erleben, bemitleiden wir sie, weil sie nicht mehr daran teilhaben können. Was wissen wir denn schon von ihren erhabenen, glückseligen Freuden, deren sie teilhaftig werden?

"Und sterben geht doch vor." - Sterben, um für ein neues Leben geboren zu werden; der Tod als Geburt. Ist es so wesentlich, zehn oder zwanzig Jahre länger auf dieser Erde zu verweilen? Nicht die Dauer dieses Erdenlebens zählt, nicht die Jahre, sondern ihr Inhalt, nicht die Freuden und Vergnügungen, die wir glauben erhaschen zu müssen, sondern die Erkenntnisse, die wir anstreben und verwirklichen, die Vervollkommnung unseres Menschseins setzen ein Kriterium für unser Dasein.

Was nützen uns siebzig Jahre, wenn sie vertan, vergeudet und mit unnützen Dingen ausgefüllt wurden? - "Und sterben geht doch vor." Mit wenigen Worten wird uns hier unendlich viel gesagt, eine Weisheit von unfaßbarer Größe. In der Sprache, die von den Jenseitigen mit Vorliebe allgemein benützt wird: knapp, prägnant, inhaltsschwer.

    Niemand in unserer Runde hatte einen solchen Satz erwartet und auch nicht im entferntesten gedacht. Dieser wie viele andere Fälle zwingen uns ganz einfach dazu, die animistische Theorie weit von uns zu weisen. Das sind nicht unsere Gedanken, das sind nicht unsere Erkenntnisse.

Welcher Sterbliche würde eine solche Bemerkung wagen? Uns, die wir noch im fleischlichen Leibe leben, geht doch alles andere vor, gutes Essen und Trinken, Vergnügen, Sport, Reisen, Liebe, ein schönes Zuhause, Hobbies und so vieles andere mehr. Aber Sterben? Nein - das weisen wir weit von uns.

Es ist das, was wir am meisten fürchten, was unser ganzes Leben lang als drohendes Damoklesschwert über unserem Haupte schwebt. Niemand will gern sterben, es sei denn, daß ihn furchtbare Schmerzen und Qualen sterbebereit machen. Aber so lange es uns auch nur einigermaßen gut geht, klammem wir uns an dieses Leben, als sei mit dem letzten Atemzug alles aus und vorbei. Nicht von uns oder

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unserem ach so viel strapazierten Unterbewußtsein kann dieser Satz stammen. Das ist die überlegene Weisheit eines Jenseitigen, der jetzt weiß, daß für ihn durch den Tod erst das wahre Leben begonnen hat.

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rodiehr Nov 2007 


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