FRIEDRICH JÜRGENSON
Sprechfunk mit Verstorbenen
Praktische Kontaktherstellung mit dem Jenseits

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EINUNDVIERZIGSTES KAPITEL

Nysund wird zu einer Art Taubenschlag - Die Stimme aus dem Autoradio - Lena schickt uns ins Bett - Die unbekannte Hilda warnt und rät

Seite 207 Was danach folgte, war unabwendbar. Aus der Tiefe des Unbekannten hatte sich etwas Neues zäh und zielbewußt durchgekämpft. Etwas war geboren worden, wuchs und entfaltete sich und konnte nicht mehr ignoriert werden. Was mich persönlich anbetrifft, so hatte sich meine Lage über Nacht verändert.

Wenn auch gewisse rationalistisch-doktrinäre Kreise das Vorhandensein eines Jenseits oder einer höheren Dimension nicht gern zugestehen wollten, so konnten sie andererseits das Phänomen als solches nicht mehr abstreiten, und da außerdem Tricks und Betrügereien, wie die Rundfunkexperten festgestellt hatten, ausgeschlossen waren, so wurde auch die Frage meiner Zuverlässigkeit von niemandem mehr bestritten.

Gerade aber durch diesen Umstand gewann das Ganze an Gewicht und Überzeugungskraft.

Allerdings - meine Ruhe war dahin. Es begann damit, daß ich mit Briefen überschüttet wurde. Journalisten, Rundfunkfachleute, Tonexperten und Wissenschaftler aller Arten meldeten sich fast täglich an. Das Telefon hatte sich plötzlich in einen Haustyrann verwandelt.

Damals erfuhr ich zum ersten Mal, aus welch elastischem, ja beinahe metaphysischem Gewebe die Zeit gesponnen ist. Sie reichte mir einfach nicht mehr aus. Die Stunden und Tage rasten dahin, als wären sie vom Jagdfieber ergriffen. Wie ich mich auch bemühte, die Stunden des Tages rationell einzuteilen - es gelang mir nicht, die Zeitpläne einzuhalten. Alles hatte sich um mich herum verändert.

War ich früher als Sänger und Maler mit bekannten Persönlichkeiten und interessanten Menschen zusammengetroffen, so hatten diese Begegnungen direkt oder indirekt Seite 208 immer mit der Kunst zu tun gehabt. Jetzt aber hatte sich die Lage völlig verändert. Die meisten Menschen, die mich jetzt aufsuchten, waren auf irgendeine Weise durch den Tod in Mitleidenschaft gezogen.

Da aber der Tod ohne Unterschied von Stand und Rasse, Alter und Geschlecht seinen Tribut zu fordern pflegt, so ergab es sich, daß ich mit den grundverschiedensten Individuen zusammentraf und an den erstaunlichsten und oft ergreifendsten Schicksalen teilnehmen mußte.

Von nun an waren es die Verstorbenen, die mich plötzlich in die Rolle eines Vertrauensmannes versetzten, eine äußerst heikle und verantwortungsvolle Aufgabe, der ich ohne Hilfe meiner unsichtbaren Freunde nie gewachsen gewesen wäre.

Die zahlreichen Geschehnisse, die sich von nun an rasch hintereinander abspielten, können hier nur kurz gestreift werden.

Bevor ich aber zu diesen mitunter telegrammähnlichen Kurzberichten übergehe, möchte ich noch ein paar Einspielungen beschreiben, die durch ihren Inhalt, Vortrag und ihre Deutlichkeit von hervorragender Beweiskraft waren.

Wie sich vielleicht der Leser erinnern kann, wurde mir das jüdische Lied "Nagila hava" in vier Versionen gebracht, wobei der Text jedesmal verändert war. Als ich das Lied zum dritten Mal aufgenommen hatte - es war eine deutliche, teilweise sogar sehr laute Einspielung - entdeckte ich, daß zwei meiner verstorbenen Freunde gleichzeitig aufgetreten waren.

Es war Arne Falck, der über das Schicksal eines Sängers sprach und weitere Kommentare, dazu gab. Der Sänger aber war mein russischer Freund Gleb Bojevsky, ein ehemaliger Marineoffizier, den die russische Revolution nach Palästina vertrieben hatte. Bojevsky war ein großzügiger, kultivierter und sehr vielseitiger Mensch, um den sich ständig eine Schar junger Leute drängte, die - alle bettelarm - einmal phönizische Gräber ausgruben, ein anderes Mal Kutterboote bauten und dann nach Zypern Seite 209 segelten und Makrelen fischten.

Trotz schwerer Entbehrungen waren sie alle - Bojevsky eingeschlossen - von jenem knabenhaften Geist des Abenteurers und von Unternehmungslust erfüllt, wodurch ihnen ihr karges Dasein reich und lebenswert erschien.

Bojevsky war im Jahre 1945 an Lungenentzündung gestorben. Nun aber sang er munter, und sein Gesang wurde von Falck ausführlich kommentiert. Daß Falck Bescheid über Bojevskys Schicksal wußte, trat deutlich aus dem Text hervor.

Diesmal sprach Falck hauptsächlich Schwedisch, bediente sich aber hier und da einiger deutscher und russischer Worte. Bojevsky dagegen sang abwechselnd Deutsch, Russisch, Italienisch, Schwedisch und Arabisch. Er improvisierte frei, und zwar in Form eines sich reimenden Gedichtes.

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Zunächst brachte er Einzelheiten über eine vor kurzem in Stockholm verstorbene Bekannte. Danach erwähnte er die Bedeutung der Kontakte, nannte meinen Familiennamen und wiederholte zweimal die Worte: "Wir fahren - Friedel sucht uns!"

Der Text seines Gesanges lautete übersetzt wie folgt: "Wenn gewünscht - Polyglott! - Hoppla, mein Jürgenson, - es ist wahr - der Yogi hört - Melodie sieben Luk - Bojevski ist Mölnbos Spuk - Des Todes gefürchtete Brücke sucht Friedel - Nein nein - alle werden angenehm überrascht. Faß mich an - einen Brahmanen mit einer Wasserpfeife -

Auf dem Markt prüft man eine Wassermelone alle prüfen das Herz in Mölnbo..." Und noch einiges mehr. Dazu wäre zu bemerken, daß er mit der Bezeichnung "Brahmane mit einer Wasserpfeife" sich selbst in einem vergangenen Leben in Indien meint. Das "Prüfen der Melonen" bezieht sich auf gemeinsame Erlebnisse in Palästina, wo wir auf dem Markt die Reife der Wassermelonen durch Zusammendrücken feststellten.

Es sollte in diesem Falle aber auch bedeuten, daß auf ähnliche Weise auch mein Herz in Mölnbo von den Jenseitigen auf seine Reife hin geprüft wurde.

Seite 210 Eine Frauenstimme schaltete sich ein, die mit russischem Akzent sagt: "Bojevsky - Jürgenson".

Im Sommer 1963 verreisten meine Frau, mein Sohn und ich nach Italien. Wir hatten Enzo und Gioconda in Serapo besucht, wobei sich folgendes ereignete:

Eines Abends fuhren wir, Gioconda, Enzo und ich im Wagen am Kai von Gaeta entlang. Enzo saß am Steuer und hatte das Radio eingeschaltet. Nach den Nachrichten entstand eine kurze Pause. Da rief plötzlich durch das Radio eine Frauenstimme laut und eindringlich: "Friedel, Friedel, morgen!"

Gioconda beugte sich über uns und rief erregt: "Habt ihr gehört, man hat Friedel gerufen!"

Enzo wäre vor Aufregung beinahe an einen Straßenpfosten gefahren. Zum Glück bremste er noch scharf und brachte den Wagen, wenn auch quer, zum Stehen. Wir waren alle sehr erregt. Es war zum ersten Mal, daß ich über ein Autoradio angerufen wurde.

Am nächsten Abend versammelten wir uns bei Enzo und Gioconda. Enzo hatte ein altes Tonbandgerät und ein ziemlich abgenutztes Transistorradio hervorgekramt, und da er keinen direkten Anschluß vom Tonbandgerät zum Radio herstellen konnte, schalteten wir die Einspielung über das Mikrophon ein.

Draußen herrschte eine drückende Schwüle, und ich hatte Kopfschmerzen. Dennoch drehte ich eifrig am Senderwählknopf. Es dauerte auch nicht lange, bis Lenas helle Stimme erklang. "Geht ins Bett! Geht schlafen! Es ist zu spät!" sagte sie auf Italienisch und Deutsch.

Beim Abspielen hörten alle diesen Satz, und es gab anschließend eine laute und erregte Diskussion auf Italienisch. Zu weiteren Einspielungen kam es nicht mehr, dagegen begann es im Radioapparat entsetzlich zu krachen.

Nach einer Stunde brach ein gewaltiges Gewitter los. Es wurde stockdunkel, und es blitzte und krachte ununterbrochen. Mich aber beschäftigte die Frage, ob Lena Seite 211 bereits gestern das Gewitter vorausgewußt hatte, als sie uns "Friedel! Friedel! Morgen!" zugerufen hatte.

So kurz und eigentümlich diese Einspielung auch war, so hatten doch Enzo und Gioconda dadurch einen klaren Beweis erhalten, und ihr Interesse war geweckt.

Als ich Anfang September aus Italien nach Nysund zurückgekehrt war, schaltete ich noch am gleichen Nachmittag das Radio an. Ich bekam sofort Kontakt mit Lena, und es folgten drei völlig verschiedene Einspielungen, die von zwei Männerstimmen und der einer Frau gesprochen wurden und rein persönlicher Natur waren.

Das Interessante und Eigentümliche an diesen Sendungen war der Umstand, daß sie nicht nur inhaltlich, sondern auch hinsichtlich Lautstärke und Tonqualität völlig verschieden waren. In der ersten Sendung kamen keinerlei Störungen vor. Wenn auch die Tonstärke ziemlich leise war, so konnte man doch mühelos den ganzen Text verstehen sowie die Stimme des Sprechers erkennen.

Bei der zweiten Sendung drängte sich die Stimme durch ein Saxophonsolo hindurch, sprach dann später nur in den Pausen. Nach Beendigung der Musik schaltete sich die Stimme gleich ein, und man konnte trotz der atmosphärischen Störungen jedes Wort verstehen.

Die dritte Einspielung war ein richtiger Volltreffer. Wenn auch am Anfang der Sendung Musik und Nebenstimmen zu hören waren und die Frauenstimme zuerst nur leise zu sprechen begann, so ging doch kein Wort verloren, denn die Stimme nutzte geschickt die Pausen aus.

Diese Sendung übertraf nicht nur alle bisherigen Einspielungen an Lautstärke und Deutlichkeit, sondern die Stimme der Vortragenden war mit einer dermaßen intensiven Emotion erfüllt, daß man unwillkürlich mitgerissen wurde und es einem mitunter kalt über den Rücken lief.

Es rezitierte in einer Art Sprechgesang eine hohe Frauenstimme, in Piano beginnend. Es klang wie aus weiter Ferne. Dann kam die Stimme immer näher, bis sie sich allmählich zu einem Fortissimo gesteigert hatte. Doch lag Seite 212 etwas in der Art dieses schleppenden Crescendo, das eine verborgene Glut oder zwingende Eindringlichkeit erahnen ließ.

Auch diese Botschaft galt mir persönlich. Sie stellte eine Warnung und einen Rat dar. Die Frau rezitierte in fünf Sprachen, die sie abwechselnd und rhythmisch verteilte. Ihre Aussprache war korrekt, jedoch setzte sie die Worte ungrammatikalisch zusammen. Sie tat dies mit Absicht, um den Verdacht, daß es sich vielleicht um eine gewöhnliche Rundfunksendung handeln könnte, im voraus auszuschließen. Ich werde hier ein paar Ausschnitte in der Originalsprache bringen:

"Horchen, mein Gott, tack! (danke - Schwedisch) - Botschaft Tote... von Botschaft... Mein Gott, Hilda, tack... ob sie tala (spricht - Schwedisch) - wenn du pratast (redest - Schwedisch; unkorrekt, es heißt pratar) so hören dölige (schlechtes Schwedisch) Menschen - pallu (viele - Estnisch) fallen tief aut (aus, Englisch) - Friedrich, Kontakta (Schwedisch) - Sterben (gestorbene, tote) Menschen in Autmosphära... und sie raten, und sie tala (sprechen - Schwedisch) Välkommen (Willkommen - Schwedisch) Friedel von Serapo!..."

Wer Hilda ist, weiß ich bis zum heutigen Tage nicht. Jedenfalls warnte sie mich vor bösen Menschen und riet mir gleichzeitig, mit den Toten Kontakt aufzunehmen, denn die können raten und sprechen. Ich habe mich vor der Wahrheit ihrer Ermahnung öfters überzeugen können.

Es muß beim Lesen dieser Originaldurchgabe beachtet werden, daß die unzusammenhängende und ungrammatikalische Sprechweise Absicht ist und den Zweck hat, diese Sendungen von den normalen Rundfunksendungen scharf zu unterscheiden. Notabene, achte man auch auf den Rhythmus im Wechsel der Sprache. Die letzten drei Worte "Friedel von Serapo..." beziehen sich auf den Umstand, daß ich gerade erst an diesem Tage mit dem Flugzeug aus Serapo zurückgekommen war.

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