FRIEDRICH JÜRGENSON
Sprechfunk mit Verstorbenen
Praktische Kontaktherstellung mit dem Jenseits

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SECHSUNDDREISSIGSTES KAPITEL

Ein Orgelsolo mit Radar-Akkord - Äther-Stimmen noch auf Erden lebender Menschen - Diesseits und Jenseits durchdringen einander - Trotzkij führt ein Selbstgespräch - Eine Apfelarie - Auch Kinder singen und sprechen

Seite 180 Wie ich bereits erzählt habe, bin ich in der ersten Zeit öfters an direkten Sendungen vorbeigegangen. Ich habe diese Unaufmerksamkeiten erst viel später entdeckt, teilweise durch wiederholte Kontrolle der älteren Einspielungen, teilweise dadurch, daß ich mit den Stimmen der Toten und ihrer Ausdrucksweise allmählich vertrauter geworden war.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich von einer sehr interessanten Einspielung berichten, die ich 1960 aufgenommen habe, die ich aber erst nach einem Jahr, kurz vor Hugos Tod, entdeckte. Ich hatte damals - es war an einem Nachmittag im Juli - ein Orgelsolo aufgenommen, als plötzlich Lenas Anruf mich erreichte.

Ich suchte die Welle ab und bekam einen "Radar-Akkord", der die richtige Welle bestätigte. Da ich aber den darauf folgenden Gesang für eine normale Rundfunksendung hielt, schenkte ich dem Text weiter keine Aufmerksamkeit. Ich suchte eifrig herum und drehte schließlich die Welle mit dem Gesang ganz ab.

Was sich aber in Wirklichkeit ereignet hatte, war folgendes: Lena rief erregt "tag kontakt med aanden" ("nimm Kontakt mit dem Geiste..."), worauf eine sehr schöne, etwas tremolierende Frauenstimme zu singen begann. Ich will hier den Text in der Originalsprache wiedergeben:

"Aus Mälarhöjden!...", begann sie ausdrucksvoll, "ich komme tala om Hugo, aus Mälar... Hugo min vän, min mother vad dog hon? - hon dog i autolyckan..."

Übersetzt würde es lauten: "Aus Mälarhöjden... ich komme, um Hugo zu sagen, aus dem Mälar... Seite 181 Hugo mein Freund... meine Mutter, wie starb sie? Sie starb beim Autounfall..."

Ich erschrak, denn hier konnte es sich nur um Elsa P. aus Kalifornien handeln, die mit Hugo befreundet war und die ihre Mutter durch einen Autounfall verloren hatte. Sollte Elsa gestorben sein? Da Hugo von Elsa längere Zeit keine Nachrichten erhalten hatte, schrieb er ihr nach Kalifornien. Die Antwort kam rasch. Elsa ging es gut; sie war nur durch gewisse Umstände am Schreiben verhindert gewesen.

Nichtsdestoweniger aber sang Elsa auf dem Band, und zwar mit ihrer ganz speziellen, unverkennbaren Stimme. Bis zum heutigen Tage, da ich dies niederschreibe (Oktober 1963), habe ich acht Stimmen noch auf Erden lebender Menschen einspielen können, und zwar sieben Frauen und eine Knabenstimme.

Mit Ausnahme des Knaben müssen sich alle diese Menschen im Schlafe befunden haben, jedoch in einem wachen und bewußten Zustande, wissend, daß ihre Mitteilungen mich erreichten und von mir auf Band festgehalten wurden.

Hier muß unbedingt festgestellt werden, daß es erfahrungsgemäß verschiedene voneinander getrennte Bewußtseinszustände gibt, z. B. das normale Tagesbewußtsein und das Traumbewußtsein. Die Gedächtnisbrücken von einem zum anderen Bewußtsein existieren bei den meisten Menschen nicht, da es ihnen an Übung fehlt.

Eine Ausnahme hiervon machte aber eine mir bekannte in Schweden lebende russische Hellseherin, deren Stimme ich eines Tages auf dem Bande eingespielt hatte und die sich nach zwei Jahren erinnerte - und mir dies auch schrieb -, daß sie sich während eines Traumaufenthaltes auf einem sogenannten "Geisterschiff" mit den anderen Besatzungsmitgliedern unterhielt und daß diese Unterredung bei mir in Mölnbo auf dem Bande eingespielt wurde.

Das Frappierende dabei ist der Umstand, daß sich die Frau ganz spontan bei mir meldete und mich später auch in Mölnbo besuchte. Sie wollte feststellen, an welchem Kalendertag Seite 182 das Erlebnis stattgefunden hatte, von dem sie der Meinung war, es habe sich im laufenden Jahr Anfang Juli ereignet.

Wie verblüfft war die gute Frau, als ich ihr das betreffende Band vorspielte und ihr sagte beziehungsweise bewies, daß ich diese Einspielung bereits vor zwei Jahren im Sommer gemacht hatte. Daraus geht hervor, daß die Zeit nichts unveränderlich Feststehendes, sondern ein unendlich dehnbares Etwas ist.

Nur der oben erwähnte Knabe bildete eine Ausnahme, denn seine Stimme klang schlaftrunken. Von diesen Personen befand sich nur eine in schwerkrankem Zustand. Auf dem Bande aber wirkte ihre Stimme völlig wach und normal, trotz einer schweren Gehirnoperation, die die Kranke praktisch in eine Halbtote verwandelt hatte.

Es handelt sich um eine gute Freundin meiner Frau, die nach einer Gehirnoperation (Tumorentfernung) im Krankenhaus halb bewußtlos lag und von den Arzten aufgegeben war. Eines Abends, schon ziemlich spät, meldete sich über das Radio meine Assistentin Lena und rief mir zu "Nimm Kontakt mit Aanden!" (nimm Kontakt mit dem Geist!) und anschließend "Jetzt kommt Kiki!"

Ich wußte sofort, daß mit diesem Spitznamen die im Krankenhaus liegende Freundin meiner Frau gemeint war. Diese Aufnahme war völlig störungsfrei. Plötzlich tauchte die Stimme eben dieser todkranken Kiki auf und rief klar und intensiv, ja direkt freudig: "Margit - Monika -Weltraum ich schlafe -". Sowohl meine Frau Monika als auch ich haben die Stimme Margits sofort mit Sicherheit wiedererkannt.

In diesem Zusammenhang möchte ich noch eine Einspielung erwähnen, die die gleiche Person betrifft und die interessant und aufschlußreich ist und einen so ungewöhnlichen Einblick in die Verhältnisse des Grenzgebietes zwischen den Lebenden und Toten gibt, daß man sich wirklich die Frage stellen könnte, wo eigentlich die Grenze zwischen Hier und Dort liegt.

Seite 183 In dieser markanten Einspielung hatten nämlich die Toten einen Versuch zur Erweckung jener im Krankenhaus liegenden, bewußtlosen und schwerkranken Frau unternommen, bis es ihnen auch schließlich gelungen war, die Bewußtlose zu sich zu bringen, woraufhin sie mir eine Mitteilung auf dem Bande machte.

Die Frau sprach von ihrer Krankheit und schien trotz ihres zerstörten Gehirnes bei völlig klarer Vernunft zu sein. Nur eins war sonderbar: sie benutzte auch bereits jene Polyglottsprache, obwohl sie Schwedin war. Diese Margit hat sich später, also nach ihrem Tode, noch öfters auf dem Band gemeldet. Ihre Stimmung war immer sehr heiter, um nicht zu sagen ausgelassen.

Ich muß offen gestehen: wenn ich mich auch im Laufe der Jahre an die sonderbarsten Dinge zu gewöhnen begann, so hinterließen doch solche Einspielungen den tiefsten Eindruck in mir. Ich fand sie einfach erschütternd, denn sie bewiesen sachlich und objektiv, daß wir Menschen bereits im Leben das Jenseits besuchen können, ohne dabei körperlich sterben zu müssen.

Ich möchte jetzt von einer Sendung erzählen, die gelegentlich eines sogenannten "Routineflugs" ausgestrahlt wurde und bei der - wenn ich mich nicht irre - Trotzkij der Leiter des Schiffes war. Ich erhielt den Eindruck, daß die Stimmung unter den an Bord Befindlichen eine ziemlich melancholische war, jedenfalls bestand die Gesellschaft aus sehr schläfrigen, wenn nicht gar schlafenden Reisemitgliedern, die an keiner Unterhaltung teilnehmen wollten.

Zu guter Letzt ging Trotzkij zu einem Selbstgespräch über, und zwar war er sich dabei völlig im klaren, daß seine Worte von meinem Apparat aufgenommen wurden. Übrigens gab er mir damals einen nützlichen Wink, denn er sagte plötzlich ganz laut: "Hör Friedel - dein Auto verkommt!"

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Wie recht er hatte, sollte sich bald bei einer näheren Wagenuntersuchung erweisen. Unser Auto war nämlich völlig durchgerostet, und zwar von innen an der Karosserie.

Seite 184 An einer anderen Stelle hörte man ihn ironisch murmeln: "Hör - Dante hat den Glauben der Menschen verkitscht - hier hörst du alle husten..."

Seine Stimme klang resigniert und müde, als er halblaut wieder zu sprechen begann: "Hat Menschheit Erbarmen? Wir leben, Friedel, arbeiten und bauen..." Es folgten einige undeutliche Worte, darunter: "... die andere Seite der Medaille - der Glauben..."

Plötzlich erklangen die Töne der Internationale. Es war eine ganz alte Version, wie ich sie noch am Anfang der russischen Revolution in Odessa gehört hatte. Die Art des Spiels war aber sonderbar, sehr schleppend, wirkte fast wie ein Trauermarsch.

Als die Musik verklungen war, meldete eine tiefe Männerstimme "Divorce victim, mein Gott, er ist tot - aufgehängt..."

Eine längere Zeit war es ganz still, dann erklang abermals Musik. Auch dieses Stück war mir bekannt: ein alter russischer Militärtrauermarsch, den ich bereits als Kind öfters gehört hatte.

"Glauben... kaufen..." begann plötzlich Trotzkij mit trüber Stimme, "Zahlen... sammeln... heute fahren wir... Sieht die Menschheit das Leid?... Ist das sauer... sehr sauer..."

Als die makabren Töne des Trauermarsches in der Ferne verklungen waren, sagte Trotzkij mit traurigem Nachdruck: - "Fahren, schlafen... Angst!" Das letzte Wort preßte er mit gequälter Stimme hervor. Kurz danach hörte man ihn weitersprechen; seine Stimme klang jetzt völlig sachlich: "Bauer komm mit... Kotzik - schläfst du? ..." Hier brach die Sendung ab, und zwar ganz plötzlich, und ich konnte die Welle nicht mehr wiederfinden.

Es war eine ganz eigenartige Sendung, über die man sich so manche Gedanken machen könnte. Schon allein die Musik! Ich erhielt den Eindruck, als habe Trotzkij sie irgendwie aus den dunklen Gründen der Vergangenheit hervorgezaubert.

Seite 185 Wollte Trotzkij durch die Art des Vortrages zu erkennen geben, daß seiner Meinung nach die kommunistische Revolution samt dem zaristischen Rußland zur ewigen Ruhe getragen worden waren? Oder wollte er damit sagen, daß alle Diktatoren sich ihr eigenes Grab schaufeln? Vielleicht aber meinte er etwas ganz anderes, was ich noch nicht verstand?

Übrigens trat Trotzkij öfters unter den Toten auf. Als ich einmal eine "Popserin" im Hörer hatte, die gerade im Begriff war, den Text der Glockenarie aus der Oper Lacmé zu verändern, schaltete sich eine dunkle Frauenstimme ein und sagte deutlich auf Schwedisch: "Heute nacht sah man Trotzkij auf dem Wasser..."

Damit aber war die Sendung noch nicht abgeschlossen, denn gleichzeitig mit dem Gesang begann eine lebhafte Unterhaltung zwischen der dunklen Frauenstimme und einem Freunde von mir sich zu entwickeln. Die beiden Stimmen sprachen von mir, und zwar über irgendeine Kraft, die ich besitzen sollte.

Lenas Signale, der singende Sopran und das Gespräch flossen ineinander, und ich konnte nur mit Mühe die Worte heraushören. Da aber gelang es der Popserin, einen deutlichen Gesangstext zu bilden: "Der Friedel hört nur noch a Viertel, und Lena stöört - los Mälarhöjden..."

Die humoristische Art der Toten hat mir öfters über so manche Schwierigkeiten hinweggeholfen. Es ist meine feste Überzeugung, daß wir noch im Fleische Lebenden die konstruktive Kraft und Frische des echten Humors noch gar nicht richtig verstanden haben, es uns zumindest schwerfällt, die verschiedenen Arten des Humors voneinander zu unterscheiden.

Ich nahm eines Tages einen kurzen, wenn auch sehr deutlichen Chorgesang auf, dessen Text irgendwie an Wilhelm Buschs Gedichte erinnerte. Ich aber mußte sofort an jenen Septembertag denken, als unser Pudel Carino sein munteres Spiel auf dem Rasen aufführte und ich den durchgeschnittenen Apfel hoch oben am Baume entdeckt hatte.

Seite 186 Der gesungene Text lautete wortgetreu: "Ab Morgen, oh Speranzen, wie man Äpfel wird erkendeln, die uns schmecken, weil sie draußen, Herbort wie aus vielen Jahren, noch aus Mälarhöjden faaahren!"

Das Eigentümliche aber war, daß auch Annie Besant sich einmal über Äpfel äußerte. Sie tat es dabei inmitten einer sehr interessanten und aufschlußreichen Mitteilung. Ohne jegliche Beziehung zu dem andern Text sagte sie plötzlich: "Man denkt, ich nehme Äpfel..." und setzte sogleich den Vortrag fort.

Ich weiß nicht, wie man solche Andeutungen auffassen soll. Ich weiß nur, daß ich unwillkürlich an jene Frauenstimme erinnert wurde, die damals bei Carinos Spiel auf dem Rasen: "Snouth, bis du blindi..." gesagt hatte, eine kurze Zeit, bevor der Apfel auf dem Baum durchschnitten wurde.

Ich hatte meine besondere Aufmerksamkeit dem Auftreten von Kindern im "Rundfunk der Toten" zugewandt. Die Tatsache, daß sie in Lustspielen und Chorgesängen auftraten und mir hier und da einzelne Worte und Sätze, mitunter auch Grüße zuriefen, zeugte davon, daß die Kinder bewußt und wach im Jenseits mitwirkten. Allerdings bedienten sich Groß und Klein der gleichen Sprechweise.

Ich Jahre 1961 habe ich folgenden Kinderchorgesang eingespielt. Ich bringe ihn in der Originalsprache:

"Wir fahren gamla (alte-schw.) parapluie,
Vi (wir-schw.) werden mit Wicander fahren,
kennen gamla (alte-schw.) Fähre."

Anscheinend meinten die Kinder das Totenschiff, die alte Fähre; warum sie diese aber als altes Parapluie betitelten, bleibt rätselhaft. Aber auch hier tritt deutlich die Bildersprache des Unterbewußtseins hervor, wie grotesk sie auch klingen mag.

Ein kleiner russischer Knabe sagte einmal direkt über das Mikrophon: "... und das hat Nikolai gemacht!" Nach der Stimme zu urteilen, muß er sehr klein gewesen sein, vielleicht so 4 bis 5 Jahre.

Seite 187 Ein Mädchen sollte mir einmal etwas mitteilen. Eine Männerstimme ermunterte sie eifrig. "Ich erzähle -" begann die Kleine auf Schwedisch. "Was soll ich erzählen? Farbror Pelle..." "Es ist ja einfach!", ermunterte die Männerstimme auf Deutsch.

Das Mädchen, das anscheinend ziemlich Lampenfieber hatte, begann zögernd und mit verlegener Stimme: "Weißt du was?... Hm! ... Papa Pelle... la radio io imparato perfekt! Auf Wiedersehen!..."

Etwas Ähnliches ereignete sich ein anderes Mal, als eine ältere Männerstimme verlegen ausrief: "Warum stellst du mich vor den Sender?"

Weil aber die Toten das rein Menschliche beibehalten haben, können sie einander und uns Hinterbliebene besser verstehen. Ich habe die Toten nie moralisieren gehört. Ihre sachliche Einstellung zu den Tatsachen und ihr Sinn für Humor halfen ihnen über alle Schwierigkeiten hinweg.

Eines Abends signalisierte Lena direkten Kontakt mit einem Freunde, der Tjeme W. hieß und den ich das letzte Mal im Jahre 1938 in Palästina gesehen hatte. Tjeme war russischer Jude; ich traf ihn in Tel Aviv, wo er mit ein paar anderen russischen Juden in kümmerlichen Verhältnissen lebte. Tjeme litt an Epilepsie. Er war so gut wie arbeitsunfähig, einsam, arm und im Grunde ein tief unglücklicher Mensch.

Ich weiß nur, daß er nach dem Kriege nach Bulgarien emigrierte und sich dort das Leben genommen hatte. Ich freute mich riesig über den Kontakt, jedoch kam Tjeme damals nicht richtig durch, und anstatt seiner Stimme hörte ich plötzlich meinen Jugendfreund Herbort B. leise sagen: "Friedibus - Liebe stirbt nicht..."

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