FRIEDRICH JÜRGENSON
Sprechfunk mit Verstorbenen
Praktische Kontaktherstellung mit dem Jenseits

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DRITTES KAPITEL

Die Fragezeichen um Anastasia - Neugierig bin ich sehr - Lauschen ist eine schwere Kunst - Man beobachtet mich - Woher kommen diese Stimmen?

Seite 20 Um das Folgende besser verstehen zu können, muß ich erwähnen, daß ich in den letzten Jahren einige kulturhistorische Betrachtungen im schwedischen Rundfunk gebracht hatte. Meine letzte Vorlesung behandelte das Schicksalsdrama des Zarenreiches und schloß mit der Ermordung der Zarenfamilie in Jekaterinburg ab. Die Frage blieb jedoch offen: war das Drama der Zarenfamilie in jener Schreckensnacht endgültig abgeschlossen?

Ich hatte den "Fall Anastasia" aufmerksam verfolgt, und es war mir gelungen, mehrere sehr aufschlußreiche russische Bücher zu beschaffen, darunter einige, die in andere Sprachen nicht übersetzt waren. Durch eingehende Studien glaubte ich, der Wahrheit einen Schritt nähergekommen zu sein, und so beschloß ich, das Manuskript mit meinen diesbezüglichen Erläuterungen dem schwedischen Rundfunk anzubieten.

Da ich aber auf gewisse Widerstände von seiten einiger Abteilungsleiter stieß, ließ ich das Ganze bis auf weiteres auf sich beruhen. Das Schicksal Anastasias gab mir aber keine Ruhe, und ich führte die Forschung im stillen weiter. Die Geschichte der Menschheit zeigt genügend drastische Beispiele, wo das Unglaublichste sich als grausame Wirklichkeit erwiesen hat.

Im Falle Anastasias schien der tragische Widerspruch ihres Schicksals gerade in ihrer an ein Wunder grenzende Rettung zu liegen, aus der sich für die Gerettete eine endlose Kette von Leiden entfalten sollte. Die Folgen der Rettung erwiesen sich als so tragisch und hoffnungslos, daß man sich die Frage stellen könnte, ob nicht der Tod damals für Anastasia barmherziger gewesen wäre.

Seite 21 Mein ganzer Tisch war mit Übersetzungen, Plänen, Notizen und Büchern zum Thema Anastasia beladen, und ich widmete dieser Sache so gut wie meine ganze Zeit. Nur abends pflegte ich mein Tonbandgerät auf Einspielung einzustellen, da ich hoffte, irgendwelche weitere Sendungen aus jener mysteriösen Quelle aufzunehmen, von der die norwegischen Nachtvogelstimmen stammten. Das ließ mir nämlich keine Ruhe.

Es ereignete sich aber nichts Bemerkenswertes bis zu jenem 12. Juli.

Wie spät es damals genau gewesen ist, weiß ich nicht mehr. Draußen herrschte jedenfalls bereits Dunkelheit, und der Halbmond schien schräg durchs Fenster herein.

Ich hatte mir damals noch keine Kopfhörer angeschafft, mit deren Hilfe man gewisse für das Ohr sonst kaum vernehmbare Töne hören kann. So mußte ich mich also auf die Beobachtung der kleinen Kontrollampe am Tonbandgerät verlassen, die durch ihr orangerotes Aufleuchten das Einströmen elektromagnetischer Impulse zu erkennen gab.

Im Zimmer war es dunkel und still, und ich begann schläfrig zu werden. Da aber ereignete sich etwas, das mich hellwach machte: die Kontrollampe begann plötzlich zu blinken, flackerte und zuckte und erlosch ab und zu ganz. Es strömte etwas ein, das auf dem Bande zu hören bzw. festzustellen sein mußte. Gespannt und ungeduldig stand ich über den Apparat gebeugt.

Als das Blinken dann erloschen war und ich die Einspielung abzuhören begann, war es herzlich wenig, was ich klar vernehmen konnte, denn ein vibrierender Brauseton erschwerte bedeutend das Lauschen.

Ich war an diesem Abend zu müde und beschloß, die Aufnahme am nächsten Morgen genauer zu kontrollieren.

Am nächsten Tage sollte es mir bald klarwerden, daß ich der schwierigen Arbeit des Lauschens noch nicht genügend gewachsen war. Ich ließ mich dauernd durch laute Nebengeräusche verwirren und ablenken, hatte auch keine Seite 22 Ahnung, wie man diese Störungen beseitigen konnte. Vor allem fehlten mir, wie gesagt, die Kopfhörer, die mir das Abhören bedeutend erleichtert hätten.

Als ich mich schließlich nach einigen Stunden konzentrierten Lauschens an die Nebengeräusche gewöhnt hatte, begann eine behagliche Männerstimme aus dem Chaos der Geräusche hervorzutreten. Die Stimme sprach mit tiefster Überzeugung Englisch und mit einer eigenartigen Intonation.

Nach einer kleinen Pause erklang der Name Churchill, und plötzlich begann eine andere Männerstimme Deutsch zu sprechen. Trotz der akzentfreien Aussprache schien der Satz ungrammatikalisch gebildet zu sein, denn die Stimme sagte buchstäblich: "Zarengebiet müssen wir noch Frühlings (!) besprechen..."

Zarengebiet - klang das nicht eigentümlich? Ich mußte sofort an Anastasia denken.

"Friedrich, du wirst beobachtet..." fügte die gleiche Stimme mit festem Nachdruck hinzu.

Bevor diese Durchgabe endete, erklang ein Satz, der äußerst rasch hervorgestoßen wurde: "Friedrich!" rief die Stimme meinen Vornamen, "wenn du auch des Tages ins Deutsche übersetzt und deutest - jeden Abend versuche die Wahrheit zu lösen mit dem Schiff... mit dem Schiff im Dunkeln!"

Diese scharadenhafte Phrase setzte meine Phantasie in Bewegung. Wie rätselhaft das Ganze mich auch anmutete, so war es nur doch völlig klar, daß diese Sendung mir persönlich galt.

Noch am gleichen Nachmittag gelang es mir, einen sonderbaren Ton aufs Band zu bekommen, der an das vibrierende Pfeifen eines heranfliegenden Projektils erinnerte. Inmitten des Pfeiftones erklang aber plötzlich ein hohes "Federico!", und dann sagte eine tremolierende Stimme "in look" (Federico = mein Name auf Italienisch).

Wie konnte dieses eigentümliche Geräusch erklärt werden?

Um völlig ungestört experimentieren zu können, trug ich Seite 23 den Apparat in die Dachstube des größeren, damals noch unbewohnten Hauses hinüber. Hier brauchte ich den Schlaf meiner Frau nicht zu stören, hier herrschte völlige Stille, und ich brauchte auf nichts und niemanden Rücksicht zu nehmen.

Als der Halbmond über den dunklen Linden aufgegangen war, stellte ich das Mikrophon an das halboffene Fenster und schaltete den Apparat ein.

Diesmal dauerte es eine längere Zeit, bis das Kontrollämpchen zu blinken begann.

Ein ganz sonderbares Gefühl erfaßte mich angesichts der Möglichkeit, erneut persönliche Mitteilungen von "irgendwo aus dem Raum" zu erhalten. In unserer aufs äußerste rationalisierten Welt, wo der Alltag nüchtern und prosaisch gleich einem Güterzug seine vorgeschriebene Bahn dahinpoltert - in diesem Alltag gibt es wohl kaum Platz für Erlebnisse solch geheimnisvoller Art.

Als das Blinken der Kontrollampe erloschen war, spielte ich nur einmal das Band ab und begab mich müde, aber sehr zufrieden zu Bett.

Am nächsten Tage besorgte ich mir einen Kopfhörer und ein polnisches Wörterbuch. Es war eine harte Geduldsprobe, eine nervenaufreibende und höchst anstrengende Arbeit, die ich mir da vorgenommen hatte, denn diese neue Einspielung ließ sich besonders schwer erfassen, weil die Stimmen gleichzeitig Schwedisch, Russisch, Deutsch, Polnisch und Italienisch sprachen.

Eins aber stand fest: die Stimmen erwähnten den Fall Anastasia, brachten Einzelheiten über die dramatische Rettung der Zarentochter durch zwei Männer.

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