Consciousness Beyond Life
The Science of the Near-Death Experience
Dr. Pim van Lommel


 

Der renommierte holländische Herzspezialist Dr. Pim van Lommel hat ein Buch basierend auf Hunderten von Interviews mit Herzstillstandspatienten seiner Klinik geschrieben, die alle klinisch tot waren, bevor sie wiederbelebt wurden. Eine signifikante Prozentzahl dieser Patienten berichtete ihm über eine Nahtoderfahrung.
 

Die Beweise, die Dr. van Lommel gesammelt hat, sprechen dafür, dass Nahtoderfahrungen real sind und dass Wissenschaftler ihre Theorien bezüglich des menschlichen Bewusstseins überdenken sollten. Dr. van Lommel stellt mit seinem Buch: “Endloses Bewusstsein“ ein neues Paradigma vor, das unsere Ansichten zum Tod und unsere gesamte Lebensweise verändern könnten.

 

Dr. van Lommel wurde in einem längeren Interview gefragt, wie er zur Veränderung seines Weltbildes kam.

 

 

Hier das Interview:

 

Frage: Ich könnte mir vorstellen, dass Sie Ärzten und Wissenschaftlern, die sich an ein rein materialistisches Weltbild klammern, mit Verständnis begegnen, denn Sie waren selbst schließlich lange einer von ihnen. Wie kam es zu diesem Wandel Ihres Weltbildes?

Antwort: Ich bin Kardiologe und deshalb hatte ich permanent mit Patienten zu tun, die einen Herzstillstand überlebt hatten. Nachdem ich das Buch: „Rückkehr von morgen“ gelesen hatte, welches der Armee-Arzt George Richie über seine eigene Nahtoderfahrung im Jahre 1943 geschrieben hat, begann ich, meinen Patienten Fragen darüber zu stellen, ob sie über irgendwelche Erinnerungen an die Phase ihrer Bewusstlosigkeit während des Herzstillstands verfügen.

 

Das Ergebnis dieser Befragung überraschte mich selbst, denn von den ersten 50 befragten Patienten berichteten mir 12 über eine Nahtoderfahrung.

 

Das war der Moment, wo mein wissenschaftliches Interesse an diesem Phänomen geweckt wurde.

 

Auf die Frage, ob er sich getraut habe, über sein Interesse mit seinen Kollegen und anderen Ärzten zu sprechen, antwortete er:
„Nun, viele Ärzte sind nicht dazu bereit, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen, denn es passt nicht ins Modell, das uns bei unserer Ausbildung  zum Arzt beigebracht wurde. Ich habe als Student und angehender Arzt gelernt, dass das Bewusstsein vom Gehirn erzeugt wird und dass man diese Hypothese besser nicht hinterfragen sollte. Aus diesem Grund scheint es unmöglich, während eines Herzstillstands noch bewusste Erfahrungen zu machen.

 

Frage: Gibt es denn irgendwelche wissenschaftlichen Beweise dafür, dass das Bewusstsein vom Gehirn erzeugt wird?

Antwort: Nein, das ist eine unbewiesene Hypothese, aber sie wird praktisch von allen akzeptiert, denn die meisten Menschen wissen aus eigener Erfahrung, dass man bewusst ist, wenn man wach ist.
 

Frage: Das heißt also, dass das Bewusstseinsverständnis von Wissenschaftlern, die sich auf wissenschaftliche Verfahren und kontrollierte Experimente berufen, in Wirklichkeit auf einer Annahme basiert?

Antwort: Ja, das stimmt  -  die meisten wissenschaftlichen Forschungen beginnen mit Annahmen, und im Laufe der Zeit versucht man, dies als richtig zu beweisen. Solange Neurowissenschaftler durch bildgebende Verfahren irgendwelche Hirn-aktivität messen können, glauben sie, dass sie diese gemessene Aktivität mit Bewusstsein gleichsetzen können.
 

Frage: Wieso ist ein Herzstillstand so wichtig bei der Nahtodforschung?

Antwort: Es gibt viele Umstände, die dazu führen können, dass jemand über eine Nahtoderfahrung berichtet. Wenn man allerdings einen Menschen mit Herzstillstand hat,  der einem darüber berichtet, dass er zum Zeitpunkt des Herzstillstands einen erweiterten Bewusstseinszustand erlebt hat, indem er Wahrnehmungen gemacht und Gefühle erlebt hat und er sich an all das erinnert  -  speziell, wenn es dabei um außerkörperliche Wahrnehmung geht, dann stellen wir fest, dass der erweiterte Bewusstseinszustand zu einem Zeitpunkt auftritt, wo die Person völlig bewusstlos war, das Gehirn hat in diesem Moment nicht mehr funktioniert.  Und diese Beobachtung stellt die Hypothese, dass das Bewusstsein vom Gehirn erzeugt wird, infrage.

 

Frage: Als Sie zum ersten Mal mit diesen Nahtoderfahrungsberichten Ihrer Patienten  konfrontiert wurden, welcher Aspekt hat Sie dabei am meisten beeindruckt?

Antwort: Jeder Patient, der bereit war, seine Nahtoderfahrung mit mir zu teilen, war dabei emotional aufgewühlt -  man merkt, dass diese Menschen ehrlich und aufrichtig sind, aber sie sind auch zurückhaltend und äußern Zweifel bezüglich ihrer eigenen Erfahrung und tun sich schwer damit, die richtigen Worte zu finden. Wenn man mit solchen Patienten spricht, ist das jedes Mal eine beeindruckende Erfahrung.

 

Frage: Bitte, erklären Sie uns, was genau ist eine Nahtoderfahrung?

Antwort: Für mich ist eine Nahtoderfahrung  der Bericht über Eindrücke und Wahrnehmungen, die jemand in einem erweiterten Bewusstseinszustand gemacht hat. Dabei treten spezifische universelle Elemente auf,  wie z.B. außerkörperliche Erfahrung, Tunnelerfahrung mit einem hellen Licht, ein Lebensrückblick oder Treffen mit verstorbenen Angehörigen. Diese Elemente findet man bereits seit  Jahr-hunderten in historischen und religiösen Aufzeichnungen der Menschheit.
 

Frage: Was sind die typischen Argumente gegen eine Nahtoderfahrung, die von Menschen mit wissenschaftlichem Hintergrund vorgebracht werden? Warum sagen diese Menschen, dass Nahtoderfahrungen nicht real sein können?

Antwort: Das ist eine Annahme, dass das Bewusstsein durch das Gehirn erzeugt wird. Es gibt eine Reihe an retrospektiven Studien, die versuchen,  Nahtod-erfahrungen durch Sauerstoffmangel, Todesangst,  Nebenwirkungen von Medikamenten oder einfach durch Halluzinationen zu erklären. Nahtoderfahrungen passen einfach nicht in unsere gegenwärtigen medizinischen Konzepte.

 

Frage: Wissenschaftler, die sich auf die Erforschung menschlichen Bewusstseins spezialisiert haben,  sagen, dass das Bewusstsein allein durch die Materie in unserem Gehirn erzeugt wird. Danach ist unser Bewusstsein nur das Ergebnis einer Maschine, deren Funktionsweise durch Physik und Chemie beschrieben werden kann und unser Verhalten ist nur das Resultat von neurologischer Aktivität in unserem Gehirn.  Würde das nicht bedeuten, dass es keinen freien Willen gibt und wir im Grunde nur Roboter sind?

Antwort: Wenn diese Wissenschaftler Recht hätten,  träfe es zu, dass wir keinen freien Willen haben und unser Bewusstsein nur eine Illusion darstellt.
 

Frage: Andererseits gibt es Beweise dafür, dass Bewusstsein allein zur Veränderung im Gehirn führt.

Antwort: Ja, das stimmt, man nennt diesen Effekt Neuroplastizität. Das bedeutet, dass sich physische Strukturen im Gehirn allein durch eine Veränderung des Bewusstseins verändern können. Das ist vergleichbar mit dem Placebo-Effekt, wo ein Patient ein Placebo-Medikament - also eine Tablette ohne jeglichen medizinischen Wirkstoff erhält -  z.B. gegen Depressionen,  Schmerzen oder die Parkinsonsche Krankheit. Klinische Studien zeigen, dass es einem erheblichen Teil der Patienten trotz fehlendem Wirkstoff danach besser geht und durch bildgebende Verfahren lässt sich zeigen, dass die Rezeptoren im Gehirn, die für Schmerzen oder Depressionen zuständig sind, sich durch die Gabe eines Placebo-Präparats positiv verändern. Man sieht also Veränderungen im Gehirn allein durch den Glauben der Patienten, dass sie behandelt werden. Auch durch Aufmerksamkeitstraining oder längerfristige Meditation zeigen sich messbare Veränderungen im Gehirn.

Es lässt sich also zeigen, dass Veränderungen des Bewusstseins zur Veränderung der Funktion und der Struktur des Gehirns führen.
 
Frage:
Ihre Studie zur Nahtoderfahrung  war deshalb so bedeutsam,  weil viele frühere Studien  zu retrospektiv waren, wohingegen Ihre Studie prospektiv ist.  
Wieso ist ein prospektiver Ansatz aussagekräftiger?

Antwort: Wir begannen diese holländische Studie im Jahre 1988 und untersuchten die Fälle von 344 Patienten, die einen Herzstillstand überlebt hatten.  Die medizinische Diagnose war in allen Fällen also Herzstillstand und basierend auf dieser Diagnose begannen wir mit der Befragung der Patienten, ob sie über Erinnerungen zu dem Zeitpunkt verfügen, wo sie klinisch tot waren. Bei einer retrospektiven Studie schaltet man z.B. Anzeigen in der Zeitung oder fragt Besucher von Vorträgen, ob sie über eine Nahtoderfahrung verfügen.
 
In diesem Fall weiß man nie, wer sich melden wird und wie das Verhältnis von Menschen, die so etwas erlebt haben und sich daran erinnern,  zu solchen Menschen ist, die keine Erinnerung daran haben,  weil Letztere sich gar nicht melden werden. Retrospektive Studien  führen also zu einer unfreiwilligen Vorauswahl der betroffenen Patienten, speziell,  wenn das Ereignis 20 oder 30 Jahre zurückliegt, lassen sich meist die medizinischen Umstände nicht mehr genau zurückverfolgen. In unserer prospektiven Studie mit  Herzstillstands-Patienten hingegen, wissen wir genau, dass sie klinisch tot waren. Die Definition dafür ist Bewusstlosigkeit aufgrund von Atemstillstand und Herzstillstand.
 

All diese Menschen würden definitiv sterben, falls sie nicht innerhalb weniger Minuten wiederbelebt werden. Sie befinden sich also am Anfang des Sterbeprozesses, und wenn man sie in diesem Moment nicht wiederbelebt, werden sie zweifellos sterben,  weil bereits nach 10 Minuten irreversible Schäden im Gehirn entstehen. Wir wissen bei diesen Patienten sehr genau, was in diesem Moment im Gehirn vor sich geht. Außerdem kennt man den Gesundheitszustand der Patienten, man kann seinen psychologischen Zustand einschätzen und man weiß genau, welche Medikamente verabreicht wurden. Man kennt also alle Faktoren, mit denen sich eine Nahtoderfahrung erklären lassen könnte.
 

Frage: Die Konfrontation mit diesem Phänomen muss doch ziemliche Verwunderung bei Ihnen ausgelöst haben. Wie kann ein Mensch, der einen Herzstillstand erfährt, über bewusste Erfahrung zu diesem Zeitpunkt berichten? Sie zitieren in Ihrem Buch eine Ausgabe des Journal of Science aus dem Jahre 2005, in dem 125 Fragen aufgeworfen werden, die von der Wissenschaft zur Zeit nicht beantwortet werden können. Die erste dieser 125 Fragen ist: „Woraus genau besteht das Universum?“
 

Und die 2. Frage lautet: „Worin besteht die biologische Basis von Bewusstsein?“ In Ihrem Buch regen Sie dazu an, diese Frage anders zu formulieren und stattdessen zu fragen: „Hat Bewusstsein überhaupt eine biologische Basis?“ Zu welchen Schlüssen hat Sie das Stellen dieser Frage geführt?

Antwort: Nun, zunächst Mal, wieso stellen Sie diese Frage? Vermutlich aufgrund der Ergebnisse unserer Studie und aufgrund dessen, was wir bei der Untersuchung dieser 344 Patienten herausgefunden haben, nämlich, dass 62 Patienten, also 18 %, über eine Nahtoderfahrung berichtet haben. 282 Patienten  - also 82 % - berichteten  hingegen, über keinerlei Erinnerung an eine Nahtoderfahrung  zu verfügen.
 
Beim Vergleich dieser beiden Gruppen ergaben sich keinerlei erkennbare Muster bezüglich der Unterschiede bei der Dauer des Herzstillstands von 2  -  8 Minuten oder der Dauer der Bewusstlosigkeit von 5 Minuten bis hin zu drei Wochen im Koma. Auch die verabreichten Medikamente,   das Verhältnis zur Todesangst vor dem Herzstillstand oder Vorwissen darüber, dass Nahtoderfahrungen möglich sind, das Geschlecht des Patienten oder seine religiöse Orientierung. Bei all diesen Faktoren ergab sich kein erkennbares Muster bei diesen beiden Gruppen.

 

Wir fanden es wirklich erstaunlich, dass es keine erkennbare Erklärung dafür gibt, warum gerade diese 18 % der Patienten eine Nahtoderfahrung hatten und die anderen 82 % nicht. Es gibt keine physiologische Erklärung dafür, denn Sauerstoffmangel im Gehirn ist nicht der ausschlaggebende Faktor. Sauerstoffmangel trat nämlich bei allen 344 Patienten auf. Es gibt keine pharmakologische Erklärung, denn die verabreichten Medikamente spielten keine Rolle. Es gibt auch keine psychologische Erklärung.

 

Diese Patienten erlebten einen erweiterten Bewusstseinszustand zum Zeitpunkt ihres Herzstillstands, wo ihr Gehirn nicht mehr normal funktioniert hat. Die zweite Frage, die wir uns gestellt haben, war, woher wissen wir eigentlich, dass das Gehirn nicht mehr normal funktioniert. Wenn man diese Frage beantwortet hat, dann kann man sich auch die Frage stellen, ob es eine biologische Grundlage für Bewusstsein gibt.

 

Frage: Ok, und zu welchen Erkenntnissen hat Sie das Stellen dieser Frage geführt?

Antwort: Gehen wir zunächst einmal auf die Frage ein, wieso wir wissen, dass das Gehirn nicht mehr normal funktioniert und kommen danach auf die Frage der biologischen Grundlage vom Bewusstsein zurück. Man muss nämlich erst einmal wissenschaftlich beweisen, dass das Gehirn nicht mehr normal funktioniert.

 
Viele Wissenschaftler sagen nämlich, dass es nur so scheint, als ob die Menschen bewusstlos sind, denn wenn sie über Erfahrungen zu diesem Zeitpunkt berichten, müssen sie ja bei Bewusstsein gewesen sein. Diese Wissenschaftler gehen davon aus, dass das Gehirn normal weiter funktioniert, weil sie sich an der Annahme festklammern, dass Bewusstsein vom Gehirn erzeugt wird. Wenn man also beweist, dass das Gehirn nicht mehr normal funktioniert, dann kann man auch die Annahme, dass das Bewusstsein vom Gehirn erzeugt wird, widerlegen.

 

Es gibt einige Studien zu künstlich eingeleitetem Herzstillstand sowohl bei Menschen als auch bei Tieren. Man macht so etwas, um z.B. Herzschrittmacher zu testen und um sicherzustellen, dass sie im Ernstfall auch funktionieren. Durch diese Studien wissen wir, dass der Blutfluss zum Gehirn nach einer Sekunde zum Erliegen kommt und dass Menschen nach 1  -  2 Sekunden bewusstlos sind. Die Körperreflexe, die eine Funktion der Cortex,  also der Hirnrinde sind,  funktionieren ab diesem Moment nicht mehr. Auch die Hirnstammreflexe, die  der Würgereflexe, sind inaktiv und man beobachtet z.B. auch erweiterte Pupillen. Auch das Atmungszentrum, das sich in der Nähe des Hirnstammes befindet, ist inaktiv und die Patienten atmen nicht mehr.

 

Wenn man die Hirnaktivität mit einem EEG misst, dann sieht man etwa 15 Sekunden nach dem Herzstillstand keinerlei Hirnaktivität mehr. Über EEG und Körperreflexe also lässt sich zeigen,  dass das Gehirn spätestens nach 15 Sekunden nicht länger normal funktioniert.

 

Erfahrungswerte zeigen, dass es selbst auf einer gut organisierten Intensivstation jedes Krankenhauses wenigstens 60 bis 120 Sekunden dauert, um einen Patienten erfolgreich wiederzubeleben.  In den meisten Fällen dauert das eher länger.

 

Wir wissen von unseren 344 Patienten, dass sie alle keinerlei EEG-Gehirnaktivität mehr aufgewiesen haben. Trotzdem berichten 62 von ihnen über einen erweiterten Bewusstseinszustand. Diese Patienten berichteten, dass sie bewusster waren, als sie es je im normalen Wachbewusstsein waren. Dadurch stellt sich natürlich die Frage: „Wie ist dies möglich?“

 

Nun, wir müssen unsere Annahme bezüglich des Entstehens von Bewusstsein überdenken. Die Annahme, dass das Bewusstsein vom Gehirn erzeugt wird, kann nicht stimmen. Meiner Ansicht nach ist unser Gehirn so etwas wie ein Sender und ein Empfänger für Bewusstsein. Das Gehirn empfängt Informationen vom Bewusstsein und es sendet körperbasiert Informationen unserer fünf Sinne an das Bewusstsein. Das Gehirn ist also so etwas wie ein Transceiver und fungiert als Schnittstelle.

 
Das Gehirn ermöglicht uns, dass wir, solange wir wach sind, uns im Wachbewusstsein befinden. Aber Bewusstsein selbst befindet sich nicht im Körper oder im Gehirn. Bewusstsein ist nicht lokal.

 

Menschen berichten uns über einen erweiterten Bewusstseinszustand und sie können innerhalb von nur 2 Minuten eines Herzstillstands einen Lebensrückblick erleben, über den sie Stunden oder sogar tagelang berichten können. Während einer Nahtoderfahrung existiert keine Zeit und auch keine räumliche Distanz.

 
In diesem Zustand kann jedes Wort, das der Mensch je in seinem Leben gesagt hat, erinnert werden. Alle Handlungen seines bisherigen Lebens und ihre Auswirkungen auf andere Menschen sind ihm augenblicklich bewusst. Bewusstsein befindet sich also in einer Dimension, in der keine Limitierung durch Zeit und Raum existieren.

 
In dieser Dimension ist alles mit allem verbunden und das nennt man auch Nicht-Lokalität. Deshalb bezeichne ich es als Nichtlokales- Bewusstsein.

 

Frage: Wäre es angemessen, den Begriff spirituell zu verwenden, um diesen Zustand von Nichtlokalität zu beschreiben?

Antwort: Mir ist klar, dass jeder Arzt oder Wissenschaftler, der es wagt, das Wort „spirituell“ in den Mund zu nehmen,  sich im Grunde von seinem Berufsstand verabschieden kann.

 

Frage: Aber diese Frage kommt zwangsläufig auf. Würden Sie dabei von religiösen Erfahrungen sprechen oder von spirituellen Erfahrungen?

Antwort: Es gibt so viele Wörter, die man zur Beschreibung  dieser Art von Erfahrung verwenden kann. Es sind Erfahrungen von Einheit und Verbundenheit. Im Mittelalter sprach man von mystischen Erfahrungen. Man könnte sie auch als Erleuchtungserfahrungen oder als Erkenntnis des Lebens bezeichnen. Das sind alles Wörter, um eine im Grunde unbeschreibliche Erfahrung zu beschreiben. Eine Nahtoderfahrung verändert die Menschen in tiefgreifender Weise  -  wir können da später noch genauer drauf eingehen, aber praktisch 100 % der Betroffenen entwickelt deutlich mehr Interesse an Spiritualität als vor der Nahtoderfahrung.

 
Das gilt sogar für Atheisten und ist unabhängig  von der Religion, der die Betroffenen vor der Nahtoderfahrung angehört haben. Das ist ein anderer Aspekt unserer prospektiven Studie, denn in dieser Studie wurden auch die langfristigen Auswirkungen untersucht,  indem nach 2 und nach 8 Jahren nochmals Interviews durchgeführt wurden, und zwar sowohl mit Betroffenen, die eine Nahtoderfahrung hatten als auch mit einer Kontrollgruppe, die keine Nahtoderfahrung hatte. Dabei wurde untersucht, ob es der Herzstillstand oder die Nahtoderfahrung war, die zu einer tiefgreifenden Veränderung im Leben geführt hat. Und es hat sich  gezeigt, dass sich nur Menschen mit Nahtoderfahrungen wirklich verändert haben.

 

Frage: Dr. van Lommel, an dieser Stelle würde ich Sie gerne fragen, ob die Ergebnisse Ihrer Forschung und die Entdeckung, dass hier etwas ziemlich Seltsames vor sich geht, auch bei Ihnen persönlich zur Veränderung in Ihrem Leben geführt haben.

Antwort: Ja, das Ganze hat auf jeden Fall meine Ansichten bezüglich Leben und Tod verändert. Ich habe von meinen Patienten viel gelernt, nicht nur bezüglich des Inhalts der Nahtoderfahrung, sondern auch bezüglich der Lebenstransformation, die sie dadurch durchlaufen haben. Diese Menschen haben überzeugend erklärt, dass sie keinerlei Angst mehr vor dem Tod haben, denn der Tod ist für sie nichts Endgültiges mehr, weil ihr Bewusstsein weiterlebt.

 

Diese Menschen haben ihren toten Körper vor sich liegen sehen, aber sie fühlten sich dabei selbst vollkommen lebendig. Betroffene haben mir auch über einen Wertewandel in ihrem Leben berichtet. Was für sie wirklich wichtig geworden ist, ist bedingungslose Liebe und Akzeptanz sowie Mitgefühl für sich selbst, andere Menschen und die Natur. Und der dritte Veränderungsaspekt betrifft die intuitive  Sensibilität bezüglich nicht lokalem Informationsaustausch. Damit meine ich, dass diese Menschen Zugriff auf Informationen haben, die sie nicht über ihre fünf Sinne erhalten. Wenn Menschen ihnen über diese Art von Veränderung aufgrund einer Nahtoderfahrung berichten, dann müssen sie irgendwann ihre bestehenden Konzepte über die Welt hinterfragen und ändern,  und das habe ich gemacht.

 

Frage: Wenn Menschen mit Nahtoderfahrung  plötzlich über die Wichtigkeit von Liebe sprechen, dann würde ich vermuten,  dass sie vor der Erfahrung  vielleicht eher egozentrisch waren. Was genau ist der Aspekt einer Nahtoderfahrung,  der einen egozentrischen Menschen in einen mitfühlenden Menschen verwandelt, der sich um das Wohlergehen anderer Menschen bemüht? 

Antwort: Das liegt vor allem an dem Aspekt des Lebensrückblicks, den man während der Nahtoderfahrung erlebt. Dadurch erkennt man, dass alles,  was man tut oder auch nur denkt, Auswirkungen auf einen selbst und auf andere Menschen hat. Man fühlt in diesem Moment die Rückwirkungen des eigenen Handelns auf sich selbst.  Man spürt das Elend, das man anderen Menschen zugefügt hat, aber man fühlt auch die Liebe, die man anderen Menschen gegenüber empfunden hat.

 

Wenn man erkennt, dass alles, was man anderen gibt,  zu einem selbst zurückkommt, und zwar Liebe genauso wie Aggression, wenn man in diesem erweiterten Bewusstseinszustand  die Verbundenheit von allem erlebt hat, dann verändert man zwangsläufig das eigene Leben. Man verfügt ab diesem Moment über das innere Wissen, dass selbst die eigenen Gedanken sich auf andere Menschen auswirken. Dadurch entwickeln viele auch das Bedürfnis, ihren Nachbarn zu helfen, denn sie wollen von ihren Nachbarn geliebt werden. Dabei können auch eigennützige Motive zugrunde liegen und das ist im Grunde nicht gut, aber wenn man einfach die Absicht hat zu helfen,  dann ist man auf dem richtigen Weg.

 

Jede Form von Einsicht gewinnen Menschen durch eine Nahtoderfahrung.

 

Frage: Überrascht es Sie nicht, dass ein Mensch während dieses Lebensrückblicks alles Revue passieren lässt, was er je gedacht und getan hat? Dabei stellt sich zwangsläufig die Frage, wie das Gehirn solche Unmengen von Informationen speichern kann, die da auf einmal abgerufen werden. Ich wundere mich immer noch darüber, wo diese ganzen Informationen alle gespeichert sind.

Antwort: Diese Informationen sind weder im Körper noch im Gehirn gespeichert.

 

Frage: Aber das ist schockierend für jeden Wissenschaftler.

Antwort: Ja, das ist schockierend für Wissenschaftler -  zumindest ist es neu für sie, denn wir denken oder wir glauben, dass alle Erinnerungen im Gehirn gespeichert sein müssen. Während einer Nahtoderfahrung hat man aber völlig neue Gedanken und neue Gefühle, die man vorher nie hatte  - alles während man klinisch tot ist.

 
Es kommt auch vor, dass man außerkörperliche Wahrnehmungen hat, während das Gehirn nicht mehr funktioniert. Diese außerkörperlichen Erfahrungen ermöglichen es Patienten genau zu beschreiben,  was während der Wiederbelebungsversuche um sie herum und mit ihrem Körper geschehen ist. Diese Berichte wurden nachträglich durch Ärzte, Krankenschwestern oder
Familienmitglieder als zutreffend bestätigt.

 

Diese Beschreibung ermöglichte es sogar, den Zeitpunkt einzelner Ereignisse in ihrer Abfolge zu rekonstruieren. Und all diese Dinge geschahen zu einem Zeitpunkt,  wo das Gehirn des Patienten nicht mehr funktioniert hat. Das Bewusstsein des Patienten muss sich also irgend woanders aufgehalten haben,  und ich nenne dies  „nicht lokales Bewusstsein“,  und dort sind alle Erinnerungen gespeichert.

 

Frage: Sie berichten auch über Fälle,  wo blinde Patienten während einer Nahtoderfahrung plötzlich sehen und taube Patienten plötzlich hören konnten. Es gibt selbst Fälle, wo Menschen, die von Geburt an blind waren, während der Nahtoderfahrung sehen konnten. Das ist ein unerklärliches Rätsel für mich. Wie ist das möglich? Ich könnte mir vielleicht  gerade noch vorstellen, dass Erinnerungen außerhalb des Gehirns gespeichert sind, aber wie können Menschen ohne Augen sehen und ohne Ohren hören?

Antwort: Nun, diese Menschen hören nicht, aber sie kennen die Gedanken anderer Menschen. Sie hören also keine Stimmen, aber sie können beschreiben, was gesagt wurde. Man kann auch nicht sagen, dass sie sehen, sondern sie nehmen wahr. Das Wort „wahrnehmen“ deutet an, dass  man nicht mit den Augen sieht, denn die sind geschlossen. Was die Patienten wahrnehmen,  entspricht einer 360 ° Sichtweise.
 
Sie können sowohl den Gesamtüberblick haben und gleichzeitig jedes noch so kleine Detail erfassen. Das ist etwas anderes, als zu sehen. Selbst von Geburt an blinde Menschen können während einer Nahtoderfahrung  wahrnehmen.
 

Ich kenne z. B. eine Frau, die eine sehr starke Brille trägt, ohne die sie praktisch nichts sieht. Während der Geburt ihres Kindes gab es Komplikationen und sie wäre fast dadurch gestorben. Während ihrer Nahtoderfahrung  sah sie ihre Brille neben sich liegen und da wurde ihr klar, dass sie plötzlich ohne Brille gestochen scharf wahrnehmen konnte. Ohne Brille konnte sie aber normalerweise praktisch nichts sehen.
 

Man kann sich auch mal die Frage stellen,  wer nimmt eigentlich wahr, wenn wir uns im normalen Wachbewusstseinszustand befinden? Es gibt optische Informationen, die auf die Netzhaut unserer Augen treffen und dort in elektromagnetische Informationen umgewandelt werden, die dann vom Gehirn verarbeitet  werden.

 
Aber das sind immer noch Informationen. Die Frage ist aber, wer nimmt diese  Informationen wahr? Wer wandelt die elektromagnetischen Informationen in unserem Gehirn in ein Bild um, das wir dann wahrnehmen? Es ist nicht unser Gehirn, das wahrnimmt.

 

Frage: Wie beantworten Sie die Frage danach, wer wahrnimmt?

Antwort: Nun, das ist die Essenz unseres Seins, es ist Bewusstsein selbst, das wahrnimmt.

 
Frage:
Und Bewusstsein ist nicht lokal?

Antwort:  Ja, das stimmt, Bewusstsein ist nicht lokal.

 

Frage: Für alle, die das Konzept von Nichtlokalität nicht kennen, können Sie das kurz erklären?

Antwort: Nichtlokalität ist eine Dimension, in der es weder Zeit noch Raum gibt. In dieser Dimension befinden sich alle Informationen, z.B. auch die, die man während eines Lebensrückblicks sieht. Jedes Wort, jeder Gedanke, jede Handlung ist dort gespeichert, aber man kann dort auch einen Blick in die mögliche Zukunft werfen.
 
In der Dimension der Nichtlokalität ist sowohl die Vergangenheit, die Gegenwart als auch die Zukunft verfügbar und alles ist dort miteinander verbunden bzw. vernetzt.
 Man kann eine Analogie zur Quantenphysik herstellen. Sie besagt, Nichtlokalität bedeutet Verbundensein ohne Zeit und ohne Raum.
 

Frage: In einigen der Erfahrungsberichte, die Sie zitieren, berichten Menschen darüber, dass sie während der Nahtoderfahrung das Gefühl hatten, nach Hause zurückgekehrt zu sein und dass diese erweiterte Realität, die sie in diesem Moment erlebt haben,  dem Ort entspricht, wo sie ursprünglich herstammen. Diese Menschen berichten außerdem darüber, dass diese erweiterte Realität der Nahtoderfahrung  der wirklichen Realität entspricht und dass ihr Leben hier auf der Erde in Wirklichkeit einem Traum gleicht. Was können Sie dazu sagen?

Antwort: Ja, das stimmt. Betroffene haben mir gesagt, dass die von ihnen erlebte Realität realer war als alles, was sie bisher erlebt haben.
 

Frage: Das heißt, während  ihre Patienten bewusstlos waren, hatten sie Erlebnisse, die realer waren als alles, was sie je zuvor erlebt haben?  Aber solche Berichte müssen ja schockierend für Sie als Arzt gewesen sein.

Antwort: Ja, zunächst einmal ist es schockierend für die Patienten selbst, die das erlebt haben  und ich spürte, wie schockiert sie darüber waren. Betroffene können selbst nicht glauben, was sie da erlebt haben. Ich kenne einige Ärzte, die selbst eine Nahtoderfahrung  gemacht haben und die sagten zu mir, mir ist jetzt genau das passiert, wovon ich meinen Patienten stets gesagt habe, dass es unmöglich ist.
 

Das Ganze passt nicht in unsere bestehenden  materialistischen Konzepte der Wissenschaft. Aber es stimmt, Betroffene berichten darüber, dass sie sich wie zu Hause gefühlt haben. Das war der Ort, wo ich ursprünglich herstamme.
 

Frage: Ihre Forschung zur Nahtoderfahrung  sagt eindeutig,  dass Bewusstsein nicht lokaler Natur ist. Sie sagen selbst, dass sich dadurch im Grunde alles verändert und dass das alte materialistische Paradigma einen Knacks bekommen hat und dass die Struktur unseres Egos dadurch aufgebrochen wurde. Aber uns fehlt bisher noch ein neues Paradigma, um das alte zu ersetzen. Wir brauchen eine neue Sprache und eine neue Sichtweise, um unser Universum zu erklären. Was sind Ihre Ideen dazu, wie dieses neue Paradigma aussehen könnte?

Antwort: Das neue Paradigma würde zunächst einmal bedeuten, dass wir die Wissenschaft verändern müssen. Die gegenwärtige Wissenschaft akzeptiert etwas nur dann als real, wenn sie es messen kann. An dieser Stelle haben wir aber ein Problem, denn wir können Bewusstsein nicht messen. Wir können die Existenz von Bewusstsein nicht beweisen. Eine neue Wissenschaft müsste also auch die subjektiven Aspekte des Menschseins berücksichtigen und nicht nur die objektiven.
 

Frage: Wissenschaftler haben das Subjektive ja gezielt außen vor gelassen.

Antwort: Genau, weil man es eben nicht beweisen kann.
 

Frage: Man kann die eigenen Erfahrungen nicht beweisen?

Antwort: Ja, genau - man kann subjektive Erfahrungen nicht beweisen. Menschen berichten über ihre Erfahrungen, aber Wissenschaftler wollen Beweise. Die Langfriststudie, die wir durchgeführt haben, untersucht jedoch die subjektiven Erfahrungen auf objektive Weise, denn wir haben die langfristigen das Leben transformierenden Aspekte untersucht. Das sind quasi die objektiven Aspekte einer subjektiven Erfahrung.  Auf diesem Weg konnten wir zeigen, dass nur Herzstillstands-Patienten mit einer Nahtoderfahrung  sich wirklich signifikant verändert haben.
 

Frage: Aber Menschen, die nur einen Herzstillstand ohne Nahtoderfahrung erlebt haben, haben sich  auch etwas verändert,  oder?

Antwort: Ja, aber auf andere Weise. Es sind nur Menschen mit Nahtoderfahrung, die die Angst vor dem Tod verlieren. Auch tiefgründige Einsichten bezüglich des Lebens treten fast nur bei dieser Gruppe auf. Und der dritte Aspekt des Zugriffs auf nicht lokale Informationsfelder tritt ausschließlich bei Patienten mit Nahtoderfahrung auf, genauso wie das erhöhte Interesse an Spiritualität.

Frage: Dr. van Lommel, ich hatte Sie bereits vorhin gefragt, wie das Ganze Ihr eigenes Leben verändert hat. Also nach allem, was Sie mir gerade erzählt haben, müssen Sie Ihren Entdeckungen wirklich mit sehr viel Leidenschaft begegnen.

Antwort: Diese Entdeckungen haben mich tief berührt. Sie haben mich und mein gesamtes Weltbild verändert. Als wir unsere 10-jährige Studie im Jahre 2001 in der Zeitschrift „Lancet“ veröffentlicht hatten, erhielt ich ein so überwältigendes Feedback aus der ganzen Welt, dass ich mich entschieden habe, meinen Job als Kardiologe im Alter von 60 Jahren aufzugeben, um mich voll der Erforschung der Beziehung von Verstand und Gehirn zu widmen, um wissenschaftliche Veröffentlichungen dazu zu publizieren , um Vorträge dazu zu halten und schließlich, um mein Buch zu schreiben.
 

Frage: Was genau müsste denn getan werden, um materialistisch orientierte Wissenschaftler davon zu überzeugen, dass Bewusstsein in Wirklichkeit nicht lokal ist, denn -  wie Sie selbst sagen  -  die Veränderung der Ansichten  bezüglich Bewusstsein verändert automatisch alles andere. Was wäre also genau zu tun, um das zu erreichen?

Antwort:  Zunächst einmal müsste das Tabu zur Nahtoderfahrung gebrochen werden. Das Problem ist, dass Menschen, die eine Nahtoderfahrung machen,  darüber in der Regel mit niemanden  sprechen. Das liegt daran, dass sie schnell merken, dass so eine Erfahrung von anderen Menschen meist nicht als real akzeptiert wird. Es ist egal, ob es sich dabei um Ärzte, Krankenschwestern, Familienmitglieder oder den Lebenspartner handelt.  Mehr als 50 % der Menschen mit Nahtoderfahrung  lassen sich scheiden, weil sie die Erfahrung so tiefgreifend verändert hat.
 

Wir müssen also erreichen, dass Nahtoderfahrungen von der Gesellschaft  als real akzeptiert werden. 9 Millionen Amerikaner hatten in ihrem Leben eine Nahtoderfahrung, aber sie sprechen mit niemandem darüber. Weiterhin wäre es wichtig, Wissenschaftler mit den verfügbaren Informationen über Nahtoderfahrungen und über die Beziehung von Verstand und Gehirn vertraut zu machen.

 
Das ist der Grund, weshalb ich wissenschaftliche Artikel und mein Buch geschrieben habe oder an Universitäten und Krankenhäusern Vorträge zu diesem Thema halte. Dabei kann das Publikum sowohl aus Medizinern als auch aus Philosophen bestehen. In Holland beginnt sich das Paradigma bereits langsam zu ändern und ich erhalte zunehmend Einladungen, auch Vorträge vor Wissenschaftlern zu halten.
 

Frage: Aber es scheint doch so was wie ein Stigma bzw. ein  Vorurteil gegen diese ganze Thematik zu geben, was dazu führt, dass Ärzte, welche die von Ihnen vorgeschlagene Sichtweise übernehmen, ihre Glaubwürdigkeit als Arzt aufs Spiel setzen. Ist das vielleicht der Grund für die Hartnäckigkeit, das Thema zu tabuisieren?

Antwort: Ich kann die Zurückhaltung bezüglich des Themas schon verstehen.
 
Frage:
Denn in der Anfangsphase, als Sie mit dem Thema konfrontiert wurden, waren Sie ja selbst zurückhaltend, oder?

Antwort: Ja, am Anfang schon, weil die ganze Thematik  völlig neu für mich war, aber ich würde es nicht Zurückhaltung nennen, denn ich war wirklich neugierig diesbezüglich. Es war etwas Neues und es passte nicht zu dem, was man mir in meiner Ausbildung als Arzt beigebracht hatte, aber speziell Wissenschaftler haben wirklich Angst vor diesem Thema, denn es rüttelt  an den Fundamenten der Wissenschaft und sie fürchten auch, ihren Job oder Forschungsgelder zu verlieren.
 

Ich habe also Verständnis für die Zurückhaltung. Außerdem habe ich oft erlebt, dass es einen großen Unterschied gibt zwischen der privaten Meinung eines Wissenschaftlers und der Meinung, die er in seiner Rolle als Wissenschaftler vertritt.
 

Frage: Dr. van Lommel, ich finde Ihre Arbeit und auch Ihr Buch wirklich sehr inspirierend und ich hoffe, dass es dazu führt, dass sich einige Menschen dadurch für die Thematik öffnen. Gerade gestern hat übrigens Clint Eastwood seinen neuen Film  You‘re after“  in die Kinos gebracht.

Antwort:  Wie heißt der Film?
 

Frage: You‘re after“ das Leben danach. Haben Sie noch nicht davon gehört? Ich habe ihn gestern gesehen und ich finde, es ist ein guter Film. Er behandelt das Thema Nahtoderfahrung und auch andere paranormale Phänomene in diesem Bereich. Die Themen werden sehr klar und direkt angegangen.

Antwort: Echt? Und der Film ist objektiv und schürt kein Vorurteil? Ist das wirklich ein Hollywood-Film?
 

Frage: Ja,  Sie sehen also, der Umgang mit der Thematik verändert sich wirklich.

Antwort: Ja, ich denke der Normalbürger wird sich leichter damit tun, Nahtoderfahrungen als real einzustufen als Wissenschaftler, denn wir wissen aus Umfragen, dass  50% bis 60% der amerikanischen Bevölkerung an irgendeine Form von  „Leben nach dem Tod“ glauben.
 

Wenn man den Glauben an Spiritualität und ein Leben nach dem Tod“ zusammennimmt, liegt die Prozentzahl noch höher, aber von den 200 bekanntesten Wissenschaftlern, die der amerikanischen Akademie der Wissenschaften angehören, glauben nur 7 % an Religion und an Spiritualität.  93 % glauben an gar nichts. Man muss auch berücksichtigen, dass die offizielle Meinung  eines Wissenschaftlers durch seine privaten Ansichten darüber, was möglich und real ist, in wesentlicher Weise geformt wird. Diese 200 Wissenschaftler haben wichtige Positionen in wissenschaftlichen Journalen inne, wodurch es kaum möglich ist, diese Themen überhaupt in die Mainstream der Wissenschaft einzubringen.
 

Frage: Ich kenne einige Menschen, die evangelikale Atheisten sind, und sie betrachten den Evolutionsprozess als Beweis dafür, dass Spiritualität nur ein Mythos ist. Nun, der Evolutionsprozess mag ja so abgelaufen sein, aber er berücksichtigt nirgends die Aspekte von Bewusstsein, und Bewusstsein ist eines der Themen, das die evangelikalen Atheisten wirklich verblüfft.
 

Wie bringen Sie  Nichtlokales Bewusstsein und den Evolutionsprozess zusammen? Wie kam es dazu,  dass Bewusstsein vom Gehirn empfangen wurde, um bei Ihrer Analogie des Gehirns als Sender und Empfänger von Bewusstsein zu bleiben?

Antwort: In dem von mir vorgeschlagenen Modell postuliere ich, dass es das Nichtlokale Bewusstsein schon immer gab. Für mich ist also Bewusstsein etwas Fundamentales im Universum und alles andere leitet sich daraus ab. Alle materialistischen Aspekte, die wir hier wahrnehmen, konstruieren wir selbst durch unser eigenes Bewusstsein. Bewusstsein ist also fundamental.
 
Materie
kann durch Bewusstsein verändert werden. Wenn man die Neuroplastizität unseres Gehirns betrachtet, dann wissen wir, dass sich die Struktur des Gehirns verändert, wenn sich unser Bewusstsein verändert. Evolution ist also ein Veränderungsprozess in der Funktionsweise wie Menschen funktionieren und diese Veränderungen werden durch Veränderung von Bewusstsein ausgelöst.
 

Frage: Es gibt zwei unterschiedliche Sichtweisen bezüglich Kausalität, die auf englisch downward causation und upward causation genannt werden.
Upward causation steht dabei für den Evolutionsprozess.
Aus Atomen entwickelten sich Moleküle, dann entstanden Zellen, Körper und das Gehirn. Gemäß dieser Sichtweise ist Bewusstsein eine Begleiterscheinung des Gehirns und es ist eher Zufall, dass wir darüber verfügen. Die gegensätzliche Sichtweise ist downward causation. Nach dieser Sichtweise ist Bewusstsein fundamental, durchzieht das gesamte Universum und ist im Grunde die Quelle der Schöpfung und erzeugt die Materie. Können Sie dazu etwas sagen?

Antwort: Ja, ich stimme zu. Ich stimme der zweiten Sichtweise zu. Das hatte ich Ihnen ja bereits erklärt. Bewusstsein ist nach meiner Auffassung fundmental und alles lässt sich auf Bewusstsein  zurückführen.
 

Frage: Das ist eine radikal andere Sichtweise verglichen damit, was wir bisher geglaubt haben.

Antwort:  Ja, das stimmt, aber ich bin ja nicht alleine mit meiner Auffassung.
 

Frage: Obwohl das eine radikal andere Sichtweise ist, existiert sie bereits seit Tausenden von Jahren.

Antwort: Ja, das ist nichts wirklich Neues. In meinem Buch gehe ich in einem Kapitel darauf ein, dass es keine wirklich neuen Ideen in der Welt gibt. Durch die Nahtoderfahrungsberichte kommen wir eben wieder in Kontakt  mit diesen alten gedanklichen Konzepten, die wir bereits seit Tausenden von Jahren aus östlichen Kulturen kennen. Genauso finden wir diese Ideen im alten Ägypten, bei Plato oder in der Kabbala, im Hinduismus, im Buddhismus oder im Taoismus. Kulturen, die wir häufig als primitiv aburteilen, kannten diese Zusammenhänge bereits. Das ist alles nichts wirklich Neues, aber aufgrund der Entwicklung der westlichen Wissenschaft in den letzten zwei Jahrhunderten, ging dieses Wissen verloren und wird jetzt nicht länger akzeptiert.
 

Frage: Wie konnte das passieren? Wie ging dieses Wissen verloren? Wie kam es zum Bruch mit diesem alten Wissen?

Antwort: Newton mit seiner Physik und Descartes mit seiner Aufteilung  von Körper und Geist haben wesentlich dazu beigetragen. Durch diese Aufspaltung konnte man die Forschung auf die rein physischen Aspekte des Menschseins reduzieren und das Thema Bewusstsein ließ man unter den Tisch fallen.
 

Frage: Wenn ein Psychiatrie-Patient über eine Nahtoderfahrung berichtete, dann passte diese Erfahrung nicht in das gängige Wissen der Psychiatrie und man stufte so einen Menschen als geisteskrank ein. Die Behandlung sah in diesem Fall vor, dem Menschen klarzumachen, dass seine mystische Erfahrung reine Einbildung war. Ich finde es sehr verstörend zu sehen, dass das vorherrschende Paradigma dazu benutzt wurde, Menschen an der Entfaltung ihres geistigen Potentials zu hindern und sie dadurch an den Rand der Gesellschaft zu drängen. Ich finde das echt schockierend.

Antwort: An den Rand der westlichen Gesellschaft zu drängen. Man muss hier klar unterscheiden, denn in Indien hätte man ihnen zu einer Nahtoderfahrung gratuliert und sich mit ihnen darüber gefreut, aber in der westlichen Gesellschaft ist dieses Thema tabu, denn es kann unmöglich wahr sein. Besser gesagt, es wird so wahrgenommen, als ob  es unmöglich wahr sein kann. Ich kenne einige Menschen mit Nahtoderfahrung, die von Psychiatern in eine Isolationszelle gesteckt wurden, weil sie das Bedürfnis hatten, über ihre Erfahrung zu berichten und das wurde einfach nicht toleriert.
 

Frage: Das ist schockierend und das muss sich wirklich ändern, denn Nahtoderfahrungen machen Betroffene ja zu liebevolleren, friedfertigeren und weniger egozentrischen Menschen. Ein Psychiater sollte ja eigentlich zur geistigen Gesundheit seiner Patienten beitragen, aber in diesem Fall verhindert er genau dies.

Antwort: Das liegt an der Ignoranz, und in einigen Fällen liegt nach meiner Auffassung vorsätzliche bzw. gewollte Ignoranz zu Grunde.  Ja, hier liegen wirklich viele Vorurteile zu Grunde. Wenn wir hingegen offen für die Veränderungen sind, die die Menschen mit Nahtoderfahrungen durchleben, dann kann uns das selbst verändern. Die Erfahrungen anderer können uns selbst verändern, wenn wir bereit sind, unser eigenes Bewusstsein zu verändern.
 

Frage: Dr. van Lommel, die internationale Gesellschaft zur Erforschung von Nahtoderfahrungen hat vor einigen Jahren versucht, Nichtlokalität durch die Anwendung materialistischer Messmethoden zu beweisen. Dieser Ansatz scheint mir nicht wirklich zielführend zu sein. Wenn man hingegen die eigene Perspektive für das Konzept der Nichtlokalität öffnet und man spirituelle Ansätze in Erwägung zieht, dann bringt man die Materialisten gegen sich auf. Mit welchem Ansatz kommen wir am besten weiter?

Antwort: Der beste Ansatz wäre, die Physik zu überdenken. Wir müssten die altmodische Newtonsche Physik durch Quantenphysik  ersetzen, denn in der Quantenphysik  wird  Bewusstsein als fundamental angesehen. Außerdem kennt man in der Quantenphysik das Konzept der Nichtlokalität und hat auch bewiesen, dass es eine Verbindung jenseits von Raum und Zeit gibt, die  die Kommunikation zwischen zwei Teilchen ohne Zeitverzögerung ermöglicht.
 
Es gibt da also eine Verbundenheit und sie ist nicht lokal. Das  entspricht genau dem, was Patienten während einer Nahtoderfahrung erleben und beschreiben.
Wenn man also die Quantenphysik akzeptiert, dann kann man auch nicht lokale Aspekte von Bewusstsein akzeptieren.
 

Frage: Wenn Nichtlokalität zum neuen Paradigma würde, wie würde das unsere Welt verändern?

Antwort: Wenn wir erkennen, dass es diese nicht lokale Verbindung wirklich gibt, dann erkennen wir auch, dass alle Menschen auf diesem Weg miteinander verbunden sind. Wenn wir also Krieg gegen andere führen, dann führen wir im Grunde Krieg gegen einen Aspekt von uns selbst. Wenn wir den Planet Erde so behandeln,  wie wir es zurzeit tun, dann schaden wir uns selbst. Wenn man weiß, dass alles miteinander verbunden ist,  ändert man auch sein Verhalten gegenüber anderen Menschen und man behandelt auch Planet Erde anders als zuvor.
 

Frage: Was Besseres könnte uns im Grunde gar nicht passieren.

Antwort: Ja, wir müssen uns Gedanken über die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder machen. Die müssen auf der Erde überleben, aber wenn wir so weitermachen wie bisher,  werden sie nicht überleben.
 

Frage: Dr. van Lommel, ich möchte Ihnen ganz herzlich für dieses  Interview danken.

Antwort: Gern geschehen!

 


 

Weitere Informationen zu dem Interview und der Arbeit von Dr. Pim van Lommel finden Sie hier:

 

Matrix Wissen:  http://www.matrixwissen.de   das Video-Interview

 

www.pimvanlommel.nl
 

Sie können das Interview auch auf YouTube finden.

Dezember 2013


Sie befinden sich auf der Website: 

Hier geht es zur Homepage!