Einleitung
Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens kommt man schnell dahinter, dass Sinn eine außerordentlich subjektive Angelegenheit ist, die sich unmöglich an irgendwelchen Kriterien festmachen lässt. Das führt schnell zu der Überlegung, dass das Leben an sich nun mal sinnlos ist, selbst wenn man sich in esoterischen Überlegungen ergeht oder gar an Gott glaubt.
Obwohl ich mit einem sinnlosen Dasein ganz gut leben kann, fand ich das doch nicht so ganz befriedigend und bin auf die lustige Idee gekommen, den subjektiven, relativen Sinn in einen absoluten zu überführen, indem ich einfach annahm, dass alle Subjekte irgendwann und dann für immer ein und dasselbe Sinnempfinden haben, wodurch dieser Sinn dann quasi zum absoluten Sinn wird, weil ihn ja jeder als solchen anerkennt.
Diese Überlegung bildet den Kernpunkt des folgenden Textes obwohl sie da nur relativ kurz behandelt wird. Alles andere behandelt Fragen, die sich aus dieser Überlegung ergeben, wobei ich bei deren Beantwortung fröhlich drauf los phantasiert und hemmungslos im esoterischen Grabbeltisch gewühlt habe, was vielleicht dem einen oder anderen etwas albern vorkommen mag.
Aber ist ja egal, denn das Weltbild, das dabei rausgekommen ist, muss ja niemand glauben. Ich selbst glaube das auch nicht so richtig, obwohl es mir ziemlich gut gefällt. Weil es sich flotter liest, habe ich meine Überlegungen in einer kleinen Geschichte zusammengefasst. Außerdem ist das suggestiver, und es kommt immer gut, den eigenen Gedankenschrott einer höheren Macht in den Mund zu legen. Viel Spaß.
Eine kleine Geschichte über Gott und die Welt
Eines schönen Tages ging ich gegen Abend im Wald spazieren, als ich auf einmal ein kleines Männchen am Rand des Weges sah. "Klasse", dachte ich mir, "Ein Gnom. Ich wollte schon immer mal einen Gnom treffen.
Hoffentlich läuft er nicht weg". Vorsichtig näherte ich mich ihm, darauf bedacht, ihn nicht zu erschrecken, doch er machte keinerlei Anstalten wegzurennen. Stattdessen sah er mich mit großen freundlichen Augen unverwandt an. "Hallo," sagte ich, "wer bist denn du?" "Ich bin Gott" lautete die etwas unerwartete Antwort. "Äh...", ich war ein wenig verwirrt. "DER Gott? Oder bloß ein Gott?" "DER Gott.
Du scheinst es ja nicht ganz zu glauben. Wieso?" "Nun ja", ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen, "ich dachte, du wärst größer". Er seufzte. "Bitte, wenn du Größe willst, das kannst du haben". Schlagartig wuchs er empor, zur Größe eines Riesen, 6 Meter hoch, mit vier Armen und zwei Köpfen.
Seine enorme Stimme schallte durch den Wald, dass mir die Ohren klingelten. "BESSER SO ???" "Öhmm... nun ja... nicht wirklich..." "Dachte ich’s mir doch!!“ Er wurde wieder kleiner, zu dem freundlichen Gnom und grinste mich vergnügt an. "Komm, setz dich erst mal, ich will dir was erzählen"..
Ich schaute mich irritiert um, denn ich hatte keine Lust, mich in den feuchten Dreck zu setzen. Wieder seufzte er, schnippte mit den Fingern und auf einmal stand dort eine Bank auf dem Waldweg, eine ziemlich harte und unbequeme, wie mir schien.
Er musste meine Gedanken gelesen haben, denn er lachte und auf einmal stand dort statt der Bank ein gemütliches, weiches Sofa. Während ich mich ins Polster kuschelte, drohte er mir ein kleines bisschen mit dem Finger. "Na, du bist mir ja ein ganz Verwöhnter."
Dann hopste auch er auf das Sofa und machte es sich an meiner Seite gemütlich. "So." Er schaute mich an. "Du hast doch eine Frage an mich, nicht wahr?" In der Tat war da diese Frage, die mir schon lange im Kopf rumging, die vielen Leuten im Kopf rumgeht, die Frage, die den Kern jeder Weltanschauung, jeder Philosophie und jeder Religion ausmacht und die vielleicht sogar der Kern einer jeden Form von Zivilisation ist.
Ich räusperte mich und fragte mit einem feierlichen, gewichtigen Ton in der Stimme: "Was ist der Sinn des Lebens?", wobei ich mir ziemlich klug und tiefsinnig vorkam. Gespannt schaute ich Gott an und wartete auf die Antwort.
Doch Gott zuckte nur mit den Schultern. "Was fragst du mich? Ich kann dir da nicht weiterhelfen." Das fand ich ja nun gar nicht toll. "Aber, du bist doch Gott“, nörgelte ich rum, "du musst doch wissen, was der Sinn des Lebens ist. Warum willst du's mir nicht sagen?" "Na gut."
Er seufzte. "Wenn du unbedingt eine Antwort willst, bitte schön: Der Sinn des Lebens besteht darin, jeden Tag acht Stunden einer stumpfsinnigen Arbeit nachzugehen, abends fernzusehen und möglichst viele Kinder in die Welt zu setzen, damit die später das gleiche machen können."
Vollkommen entgeistert starrte ich ihn an. "Was?..das kann ja wohl nicht sein... wirklich?" Er lachte. "Nein, natürlich nicht, Schlaumeier. Die Antwort soll nur demonstrieren, dass es dir überhaupt nichts bringt, wenn ich dir sage, dieses oder jenes wäre der Sinn des Lebens, du aber dieses oder halt auch jenes überhaupt nicht als sinnvoll empfindest.
Du erwartest irgendeine Antwort, bei der es bei dir klick macht, du dir mit der Hand an den Kopf schlägst und denkst 'natürlich, das isses, warum bin ich da nicht gleich drauf gekommen?’ So eine Antwort gibt es aber nicht. Denn Sinn ist nicht vermittelbar.
Entweder, man empfindet etwas als sinnvoll oder eben nicht. Verstehst du das?" Ich dachte eine Weile nach. "Ja, ich glaube schon. Du meinst, dass Sinn ein Gefühl ist, oder so was ähnliches, nicht wahr?
Auf jeden Fall etwas, das man empfindet und das sich nicht an äußeren Kriterien festmachen lässt, richtig? Und genauso nutzlos, wie es ist, einem Menschen zu sagen, dass ein anderer liebens- oder hassenswert ist, wenn der Mensch nicht das gleiche empfindet, ist es, ihm zu sagen, etwas sei sinnvoll. So in etwa?"
Er nickte. "Aber", kam ich ins Grübeln "das bedeutet dann doch, das Sinn grundsätzlich relativ ist. Dass jedes Leben nur genau den Sinn hat, den der Lebende darin sieht." "Du hörst dich ja nicht sehr begeistert an. Stört dich etwas daran?" "Ja, sicher. Ich dachte, es gibt einen Sinn für alle, etwas das jeder als sinnvoll anerkennt, halt einen absoluten Sinn.
Denn ohne absoluten Sinn ist das Leben doch eigentlich sinnlos, wenn es nur ein Durcheinander verschiedener Auffassungen gibt. Dann ist doch alles, was ich mache, gleichermaßen lächerlich und belanglos."
Gott schaute mich ernst an und meinte: "Da hast du vollkommen recht. Aber es gibt den absoluten Sinn." Da war ich erst mal verwirrt. "Wie jetzt? Ich denke, Sinn ist subjektiv und damit relativ. Wie kann er gleichzeitig relativ und absolut sein?
Das geht doch gar nicht." "Doch, das geht. Nämlich dann, wenn es ein absolutes Ziel gibt, einen Bewusstseinszustand, den jeder einmal erreicht, den er nie wieder verlässt und in dem er seine eigene Existenz und die von allen anderen Dingen als sinnvoll empfindet. Dadurch, dass sämtliche Subjekte irgendwann und dann für immer das gleiche Sinnempfinden haben, wird dieser Sinn zum absoluten Sinn.
Das war jetzt ein bisschen kompliziert. Konntest du das verstehen?" "Hmmm...hmm...hmmmmm...na ja... so ungefähr vielleicht. Aber gibt es denn diesen Zustand überhaupt?" Er grinste. "Na, was glaubst du denn, in welchem Zustand ich mich befinde?" "Na toll!" Frustriert sah ich mich in der Gegend um.
"Ich muss also nur wie Gott werden, damit der ganze Mist hier Sinn macht. Das ist ja wohl ein bisschen viel verlangt." "Na, na, du musst nicht genauso werden wie ich. Das würde auch in der Tat nicht gehen, da du ja immer nur ein Teil von mir bist. Doch du kannst den gleichen Geisteszustand erreichen, in dem ich mich befinde.
Du kannst im kleinen werden, was ich im großen bin und damit die Welt mit meinen Augen sehen. Und das schafft jeder. Wie ich schon sagte, es handelt sich beim Erreichen dieses Zustandes um ein absolutes Ziel, das jede Seele erreicht, auch du. Denn gäbe es nur eine, die es nicht erreicht, so wäre das Ziel nicht mehr absolut. Natürlich braucht man dafür ein kleines bisschen länger als die paar Jahre eines mickrigen Menschenlebens."
Oha. Jetzt kam auch noch dieser Blödsinn mit Seele und Reinkarnation ins Spiel. Ich dachte, Gott hätte mehr Klasse als auf diesen ausgelutschten Klischees rumzureiten. Doch bevor ich meinen Unmut darüber äußern wollte, hatte ich noch andere Fragen.
"Also gut, dann erreiche ich halt irgendwann mal einen Zustand in dem die Welt Sinn macht. Aber was ist das jetzt eigentlich für ein Zustand?" "Ein bewusster. Und zwar bist du dann nicht nur ein bisschen bewusst, wie jetzt, sondern absolut bewusst. Du bist dir dann der Existenz vollständig bewusst ohne von ihr abhängig oder beeinflussbar zu sein.
Du stehst gleichzeitig innerhalb und außerhalb der Welt. Du durchschaust sämtliche Zusammenhänge, kannst die Welt von allen beliebigen Blickwinkeln wahrnehmen. Alles, was so in der Welt vor sich geht, fängt dann eben an 'Sinn zu machen'. Man könnte sagen, dass du dann zufrieden in dir selbst und im absoluten Bewusstsein ruhst.
Na ja, zumindest so ähnlich. Das ist jetzt wirklich eine sehr schlechte und oberflächliche Erklärung, die die wahren Verhältnisse nicht besonders gut trifft. Sie soll dir nur einen flüchtigen Eindruck vermitteln. Wie es wirklich ist, kannst du gegenwärtig noch gar nicht begreifen."
"Na ja, hört sich aber ja schon ganz nett an. Allerdings bin ich mit dieser Sinngeschichte noch nicht ganz zufrieden. Als ich nach dem Sinn des Lebens fragte, dachte ich eigentlich mehr an die Erfüllung einer Aufgabe oder so was. Ich wollte wissen, warum wir da sind, aus welchem Grund, was der Zweck der ganzen Sache ist.
Kannst du mir das denn sagen?" "Ach ja", meinte er, "die Zweckgeschichte". Er schüttelte langsam mit dem Kopf. "Bevor ich darauf was sage, beantworte du mir doch mal eine Frage: Was ist mein Zweck? Warum bin ich da, was ist meine Aufgabe? Was meinst du?"
Also, das war ja nun wirklich einfach. "Na ja, du bist schließlich Gott", sagte ich. "Du hast die Welt erschaffen und sorgst dafür, dass der ganze Laden hier vernünftig läuft. Das ist doch eine sehr wichtige Aufgabe." "Aha. So ist das also. Und wer hat mir die Aufgabe gegeben, wenn ich fragen darf?"
"Öhm...naja... weiß nicht... Okay, niemand hat dir diese Aufgabe gegeben. Aber trotzdem erfüllst du einen Zweck, als Schöpfer." "Ah ja, und wozu soll das gut sein, dieses ganze Schöpferei? Wäre es nicht viel besser, wenn es gar nichts geben würde, anstatt etwas? Warum gibt es mich? Wer hat mich erschaffen? Und wozu?"
Nun ja, vielleicht war das doch nicht so einfach. "Ja, also... weiß ich nicht." Er zwinkerte mir gutmütig zu. "Ich weiß. Deshalb erkläre ich's dir jetzt auch. Also, es ist doch offensichtlich so, dass es etwas gibt, nicht wahr? Und die Gesamtheit aller Existenz bin ich.
Deswegen kann man auch nicht wirklich sagen, dass ich die Welt erschaffen habe, denn ich bin ja gleichzeitig diese Welt. Natürlich gibt es innerhalb der Gesamtheit immer wieder Neuschöpfungen und Zerstörungen, doch an der Summe allen Seins ändert sich nichts. Die ist nämlich unendlich und somit von deinem Geist noch nicht zu erfassen.
Nun gut, warum gibt es mich also, was ist der Grund? Es ist doch ganz einfach: Dafür gibt es keinen Grund, zumindest keinen in deinem Sinne, keinen, den du erfassen könntest. So einen Grund kann es nach deiner Logik auch gar nicht geben, denn diese fordert, dass der Grund außerhalb von mir liegt.
Doch außerhalb von mir gibt es nichts. Nicht mal das Nichts selbst, denn auch dieses ist Teil von mir. Sagen wir einfach, dass ich nun mal da bin, ewig, zeitlos und grundlos. Wohlgemerkt, dass bedeutetet nicht 'sinnlos', denn ich selbst finde meine Existenz außerordentlich sinnvoll. Und wenn du da im Moment noch anderer Meinung bist, ist das deine Sache.
Nun denn, da alles, was existiert, Teil von mir ist und meine Existenz grundlos und zweckungebunden ist, ist auch die Existenz von jedem Ding, von jeder Seele grundlos und zwecklos. Niemand muss eine Aufgabe erfüllen. Nichts existiert für irgendetwas.
Natürlich kann man manche Sachen für sich nutzen. Zum Beispiel nutzt du Pflanzen und Tiere, um deinen Körper zu erhalten. Das bedeutet aber nicht, dass diese Lebewesen dafür da sind. Genau so wenig ist dein Körper dazu da, einer Armee von Kleinstlebewesen ein gemütliches Zuhause zu geben, obwohl sie ihn so für sich nutzen.
Es ist ganz einfach so, dass die Dinge für sich selbst existieren. Genau wie ich. Ist doch eigentlich ganz einfach, oder?" "Na ja, also so gesehen, eigentlich schon."
Dann schwieg ich eine Weile und dachte darüber nach, was er mir gerade gesagt hatte. Auf einmal meinte ich, einen Schwachpunkt erkannt zu haben. "Ha! Du hast doch gesagt, jede Seele erreicht das absolute Ziel, also sind wir doch für etwas da. Und unsere Aufgabe ist es, das Ziel zu erreichen.
Darauf müssen wir hinarbeiten!" Triumphierend schaute ich ihn an und war ganz stolz auf meine cleverness. Und er schaute mich an. Und fing an zu lachen. "Wirklich, das ist gut. Also ihr Menschen kriegt auch alles in den falschen Hals.“
Er kicherte noch ein wenig vor sich hin, wobei er leise meine Worte wiederholte, was zu einem erneuten Lachanfall führte. Ich fand das natürlich nicht so witzig. Und außerordentlich unhöflich. "Ja und? Was ist daran so lustig?" fragte ich etwas ungehalten.
Gott schaute mich vergnügt an, dann bequemte er sich, mich aufzuklären. "Also, denk noch mal nach. Du verdrehst einfach alles. Natürlich bist du nicht hier, um das Ziel zu erreichen. Wozu sollte das auch gut sein? Es ist andersherum. Weil du da bist, wirst du das Ziel erreichen. Es ist der zwangsläufige Endpunkt deiner Seelenentwicklung. Ist das denn so schwer zu begreifen?"
Ich dachte ein bisschen darüber nach. Langsam fing ich an, zu verstehen. "Ach, so ist das. Aber..." ich kam wieder ins Grübeln, "muss ich nicht irgendwas Bestimmtes machen, um das Ziel zu erreichen? Das kann einem doch nicht einfach so zufliegen." "Tut es auch nicht". "Und, was muss ich nun dafür machen?" "Na, was machst du denn gerade?" "Ich rede mit dir." "Und sonst?" Ich zuckte die Schultern. "Nichts". "Also, das ist aber eine gehörige Untertreibung.
Du bist doch die ganze Zeit beschäftigt, nämlich mit Leben. Und das ist gar nicht mal so leicht. Allein dadurch, dass du lebst, also deinen Körper erhältst und ständig irgendwelche Reize wahrnimmst, verarbeitest und interpretierst, sammelst du Erfahrungen und erweiterst dein Bewusstsein. Und diese Tätigkeiten führen dazu, dass du irgendwann das absolute Bewusstsein erlangst."
"Hmm, aber gibt es nicht bestimmte Tätigkeiten, die das Bewusstsein steigern? Meditation zum Beispiel?"
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"Klar, gibt's die. Aber du musst diese Tätigkeiten auch ausüben wollen. Und der Wille dazu fällt ja nicht vom Himmel. Wer beschließt, sich von äußeren Dingen abzuwenden und sich stattdessen auf das Selbst konzentriert, der tut das deswegen, weil er die Erfahrung gemacht hat, das er das, was er sucht, nicht in äußeren Dingen finden kann.
So suchen zum Beispiel alle Menschen das Glück. Doch sie machen es von äußeren Dingen abhängig, und da diese Dinge vergänglich sind, verlieren sie es wieder. Wer dagegen sein Glück nur in sich selbst findet, im eigenen Dasein, der kann es auf ewig behalten, denn das Selbst ist ewig.
Gefestigtes Selbst-Bewusstsein ist eine Voraussetzung für das endgültige All-Bewusstsein, denn wer sich aller Dinge bewusst ist, ohne im Selbst gefestigt zu sein, der verliert sich in den Dingen. Man sollte das Selbst auch nicht mit dem Ego verwechseln, denn das Ego ist nach außen gerichtet, es ist eine Rolle, die man in der Welt spielt, so eine Art Image. Und viele, die von Selbstverwirklichung sprechen, die begehen in Wirklichkeit Egoverwirklichung, sie definieren sich über ihre Rolle in der Welt.
Aber die hat wenig mit dem Selbst zu tun. Wer im Selbst gefestigt ist, den berühren die Dinge der Welt nicht mehr. Wer sich von der Welt abwendet, wer aufhört Ziele innerhalb der Welt zu verfolgen, der tut das, weil er die Welt sozusagen satt hat. Und wer die Welt noch nicht satt hat, der wird sich nicht von ihr abwenden.
Es ist also so, dass die Beschaffenheit der Seele die Handlungen formt und die Handlungen führen wiederum zu Erfahrungen, welche die Seele formen. Es bringt also wenig, darüber nachzugrübeln, was man tun soll, um das Ziel zu erreichen, denn diese Handlungen stellen sich irgendwann von selbst ein.
Genauso, wie das Grübeln darüber sich von selbst eingestellt hat. Es ist schlicht und einfach so, dass man nichts falsch machen kann. Alles, was man tut, bringt einem dem Ziel näher, selbst wenn die Handlung scheinbar den genau gegenteiligen Effekt hat." Da hatte ich erst mal was zum Nachdenken. Doch bei mir machte sich langsam begriffliche Verwirrung breit.
"Du redest vom Bewusstsein, vom Selbst, der Seele, vom Willen. Was sind denn da jetzt eigentlich die Unterschiede zwischen den Begriffen?" "Nun, im Prinzip ist das alles das gleiche. Aber je nach Zusammenhang eignen sich einige Begriffe besser als andere, um bestimme Dinge zu begreifen."
"Aha. Na ja, Begriffe sind halt Schall und Rauch. Aber ich habe da noch was zu meckern, denn du sagst, dass sich die Seelen entwickeln, bis sie das absolute Bewusstsein erreichen. Was soll das? Warum hast du die Seele nicht gleich so erschaffen, dass sie im absoluten Bewusstsein ruht?"
"Die Antwort ist einfach. Ich habe die Seele gar nicht erschaffen." "Wie jetzt? Ich denke die Seelen kommen von Gott?" "Tun sie ja auch. Aber etwas anders, als du dir das vorstellst. Ich bin das absolute Wesen, das absolute Bewusstsein. Ich bin gleichzeitig Persönlichkeit und Energie.
Diese Energie ist kreative Bewusstseinsenergie, die sich selbst aber nicht bewusst ist. Es ist ein natürlicher Impuls dieser Energie, ein Selbst zu entwickeln. Dabei spaltet sich ein Teil dieser Energie vom Rest ab, natürlich nicht wirklich, sondern nur in seiner Wahrnehmung. Das erreicht er dadurch, dass er inkarniert, also zu Fleisch wird, zu Materie.
Erst in dieser Isolation vom Ganzen ist es möglich ein Selbst zu entwickeln, da sich das ungefestigte Selbst sonst sofort wieder im Ganzen verlieren würde. Metaphorisch könnte man sagen, dass die materielle Hülle das Selbst vor den Stürmen der spirituellen Welt schützt, die es ohne diesen Schutz verwehen würde. Nun fängt die Seele natürlich nicht als Mensch an, sondern ganz unten. Als Einzeller zum Beispiel.
Solche primitiven Lebewesen haben nur eine sehr eingeschränkte Wahrnehmung von der Welt, ein sehr eingeschränktes Bewusstsein. Ihre ungefestigte Seele könnte noch nicht mehr Information verarbeiten oder einen komplizierteren Körper verwalten.
Doch mit der Zeit lernt die Seele. Später kann sie in komplizierteren Körpern inkarnieren und mehr Wahrnehmungen verarbeiten. Ihr Bewusstsein erweitert sich mit der Zeit und verfestigt sich. Sie ist sich aber in ihrer tierischen Form immer noch nicht selbst bewusst, höchstens nur sporadisch und in sehr eingeschränktem Maßstab.
Eine Seele, die anfängt, ein stetiges Bewusstsein von sich selbst zu entwickeln, inkarniert als Mensch. Unter anderem. Natürlich gibt es noch andere vergleichbare Lebensformen. Nun hat der Mensch das Problem, ein Selbstbewusstsein zu besitzen, ohne zu wissen, was das Selbst ist.
Er sucht es in allen möglichen Dingen, zum Beispiel im Körper, wo er es aber nicht findet. Das Dasein als Mensch ist ein ständiges Suchen, nach dem Sinn und dem Selbst.
Doch der Mensch kann die Antworten nicht finden, dafür ist er zu primitiv. Wenn die Seele einen gewissen Reifegrad erlangt hat, geht die Suche weiter, in anderen Inkarnationen, die höherentwickelt sind als der Mensch.
Und so geht es immer weiter, bis die Seele so gefestigt ist, dass sie ins absolute Bewusstsein eingehen kann. Dann verlässt sie endgültig die materielle Welt, wird wieder Teil der spirituellen, nur ist sie jetzt ein bewusster Teil. Sie ist dann so gefestigt, dass sie ohne materielle Hülle ihr Selbst erhalten kann.
Natürlich ist die Seele auch während der ganzen Entwicklung Teil der spirituellen Welt, aber ihre Wahrnehmungen sind auf das Materielle gerichtet. Sie identifiziert dich damit, ist sozusagen darin verwoben. Und je ungefestigter die Seele ist, desto stärker ist sie in die Materie verwoben."
"Das bedeutet also, dass ich mich in gewisser Weise selbst erschaffe?" "Na, so ungefähr. Zum einen schaffst du dich selbst durch deine Handlungen, zum anderen wirst du geformt durch deine Erfahrungen und dein Umfeld." "Hast du denn auch so eine Entwicklung hinter dir?"
"Nun, da ich die Summe alles Seins bin, bin ich natürlich bei jeder Entwicklung dabei, jede ist mir voll bewusst, auch deine. Aber im Gegensatz zu dir berühren mich deine Erfahrungen nicht. Was du als Freude oder Leid wahrnimmst, dem stehe ich vollkommen neutral gegenüber, denn ich kann jede beliebige Erfahrung auf jede beliebige Art wahrnehmen.
Wenn du leidest, dann nur deswegen, weil deine ungefestigte Seele sich in einen Zustand des Leids versetzen lässt. Das gilt auch für körperliche Schmerzen, denn die gibt es gar nicht. Alles Leiden ist seelischer Natur. Der Körper ist dabei nur so eine Art Stimulator. Wenn du Schmerzen empfindest, dann nur deswegen, weil deine Seele über den Körper entsprechend stimuliert wird.
Und das passiert, weil deine Seele ungefestigt ist und sich mit dem Körper identifiziert. Eine gefestigte Seele kann auf so eine Art nicht mehr in verschiedene Zustände versetzt werden, auch nicht in angenehme."
"Stehst du denn allen Dingen neutral gegenüber?" "Ja." "Hmmm. Ich dachte, Gott würde Regeln aufstellen, an die sich die Menschen halten müssen. Und jeder wird geprüft, wobei die Guten belohnt und die Bösen bestraft werden." Gott seufzte tief.
"Ach ja, dieser Unfug wir immer wieder erzählt. Aber denk doch mal nach. Wozu soll ich Regeln aufstellen, wenn ich genau weiß, dass diese je nach Entwicklungsstand der Lebewesen sowieso nicht eingehalten werden? Wofür soll ich jemanden bestrafen, wo doch jede Handlung nur ein Aspekt meines eigenen Daseins ist? Warum sollte ich jemanden prüfen, wo ich doch sowieso ganz genau weiß, wie es in jeder Seele aussieht? Und schließlich:
Wenn du das bisherige verstanden hast, wirst du leicht verstehen, dass es so etwas wie gut und böse gar nicht gibt. Das sind bloß Interpretationen, die dadurch zustande kommen, dass man sich nur auf Teilaspekte konzentriert und das Ganze vernachlässigt. Ich aber bin das Ganze. Daher bin ich gleichzeitig gut und böse und keins von beidem. Ethik ist eine Sache der Menschen und anderer relativer Lebewesen.
Sie stellen auf der Grundlage ihres eigenen Empfindens ethische Systeme auf. Diese Ethik ist durch nichts gerechtfertigt als dadurch, dass sie von der Mehrheit anerkannt wird. Und so wie sich die Glaubensvorstellungen abwechseln, wechseln sich die ethischen Systeme ab. Meine Ethik, die Ethik des Absoluten besteht darin, dass man keine mehr nötig hat."
"Das heißt also, es gibt tatsächlich keine höhere Instanz, die meine Taten bewertet?" "Doch die gibt es. Und zwar dich selbst. Wenn du etwas tust, was deinem eigenen ethischen Empfinden widerspricht, dann bestrafst du dich selbst, indem du dich in einen Zustand des Leidens versetzt, zum Beispiel in Form eines schlechten Gewissens.
Und wenn du jetzt Dinge tust, die du auf einem späteren Entwicklungsstand als unethisch empfindest, so wirst du dich dann in einen Zustand des Leidens versetzen, auch wenn du dann nicht mehr weißt, wieso."
"Und wie ist das mit dem Karma? Wenn ich jetzt jemandem etwas böses tue, muss mir dann nicht das gleiche widerfahren? Wegen ausgleichender Gerechtigkeit und so?" "Diese Idee beruht doch offensichtlich nicht auf Gerechtigkeit, sondern auf Rache. Wer dir was tut, von dem willst du, dass er es selber knüppeldick abkriegt.
Dabei wird natürlich übersehen, dass unglaublich viele Dinge zu einer Tat führen, die der Täter selbst nicht beeinflussen kann. Du darfst auch nicht vergessen, dass der Wille nicht wirklich frei ist, sondern durch die Erfahrungen geformt wird.
Wer etwas tut, dass du als böse wertest, weil es zum Beispiel bei dir Leiden auslöst, der weiß es halt nicht besser. Und wenn er es besser weiß und es trotzdem tut, dann war der Teil, der es besser weiß eben nicht stark genug gegenüber dem anderen. Daher gibt es auch keine Schuld.
Und wenn es keine Schuld gibt, dann kann Strafe auch nicht gerecht sein. Die ausgleichende Gerechtigkeit gibt es aber trotzdem, nämlich in der Form, dass jeder letztlich das Ziel erreicht. Natürlich liegt es in deiner Natur, es einem 'bösen Menschen' ordentlich heimzahlen zu wollen. Und das ist durchaus verständlich. Das weißt du eben nicht besser."
"Wenn das so ist, wodurch wird dann bestimmt, unter welchen Umständen eine Seele inkarniert?" "In erster Linie richtet sich das nach so etwas wie Resonanz. Die Seele zieht es in ein Umfeld, das ihrem eigenen Zustand entspricht.
Ist zum Beispiel jemand der Gewalt verfallen, so kommt er in einem gewalttätigen Umfeld zur Welt. Ob er da Opfer oder Täter ist, wird aber nicht festgelegt. Vielmehr wird sozusagen der erstbeste freie Platz belegt. Außerdem wird nur der Zustand des Umfelds zum Zeitpunkt der Inkarnation berücksichtigt.
Und da kann sich innerhalb von kurzer Zeit ganz gewaltig was ändern, so dass kaum ein erwachsener Mensch in einer Umgebung lebt, die tatsächlich seiner ursprünglichen Resonanz entspricht. Daneben gibt es noch andere Faktoren, wie die Bindung an eine Landschaft.
Das ganze bedeutet auch nicht, dass man dort landet, wo man es sich wünscht, denn das, was man sich wünscht, hat häufig wenig mit dem wirklichen Zustand der Seele zu tun." "Na, da könnte man ja gleich würfeln." "Nicht ganz, aber fast. Letztlich ist es sowieso egal, wo man inkarniert.
Denn so lange man im Materiellen verhaftet ist, kann man eh kein dauerhaftes Glück finden oder auf lange Sicht Leiden vermeiden. Stell dir vor, du würdest auf einmal sterben. Wo würde es dich dann hinziehen?
Wenn du dich mit der Frage beschäftigst, und dabei ehrlich zu dir selbst bist, bekommst du vielleicht ein Gespür dafür, wie das ganze funktioniert. Erklären kann man das wirklich sehr schlecht."
Das musste ich jetzt erst mal alles verdauen. Bisher fand ich die Idee von der Reinkarnation immer vollkommen schwachsinnig, weil sie nie schlüssig erklären konnte, was das Ganze eigentlich soll, und ich statt dessen immer wahnsinnig schlaue Anleitung zur Erlösung präsentiert bekommen hatte.
Es wurde immer viel gefaselt von wegen Versündigung oder ähnlichem Mumpitz und die Seele müsse sich reinigen oder sich sonst irgendwie wieder zu Gott bekehren. Nie hatte mir jemand erklärt, warum Gott denn Seelen schafft, die sich versündigen oder sich von ihm abwenden. Doch jetzt, wo ich wusste, dass Gott die Seele gar nicht erschafft, sondern diese nur ein selbstständig gewordener Bewusstseinsimpuls ist, machte das Ganze auf einmal Sinn.
Einen Haken hatte die Sache aber noch.
"Sag mal, was passiert jetzt eigentlich, wenn alle Seelen ihren endgültigen Zustand erreicht haben?" "Tja, darauf kann ich dir zwei Antworten geben. Entweder‚ das passiert nicht’ oder ‚das ist schon längst passiert’, such dir eine aus." "Was soll das denn jetzt schon wieder? Es kann doch nur eine von beiden richtig sein."
Gott schüttelte den Kopf. "Nein, nein, das Problem ist dein Verständnis von Zeit. In der spirituellen Welt gibt es aber keine Zeit. Schau mal, ich male es dir auf." Und als er das sagte, stand auf einmal eine große Tafel vor uns.
Gott stellte sich auf das Sofa, fummelte ein Stück Kreide aus der Hosentasche und malte einen Kreis auf die Tafel. "Das ist die spirituelle Welt. Symbolisch natürlich nur. In Wirklichkeit ist sie unbegrenzt.
Und das hier", er malte ein paar kleine Kreise in den großen Kreis ,"sind verschiedene materielle Universen, in denen die Seelenentwicklung stattfindet. Sie werden durch das Wirken der Bewusstseinsenergie hervorgebracht und vergehen wieder. Allerdings nur aus ihrer eigenen Sicht.
Das bedeutet, dass ein Beobachter, der sich darin befindet, einen Anfang und ein Ende des Universums feststellen kann. Eine Seele kann den ersten Teil ihrer Entwicklung in einem Universum hinter sich bringen und, nachdem es endet, den zweiten Teil in einem anderen, das aus ihrer Sicht nach dem ersten entstanden ist. So.
Für eine zweite Seele kann das aber genau andersherum sein. Denn die Zeit existiert nur innerhalb der Universen und innerhalb der Wahrnehmung der materie- gebundenen Seelen.
Aus meiner Sicht existiert alles gleichzeitig, wobei 'gleichzeitig' ein schlechter Begriff ist, weil dort auch der Zeitbegriff drin vorkommt. Also, es gibt unendlich viele Universen und unendlich viele Seelen, die alle gleichzeitig existieren, aber zu unendlich vielen Zeitpunkten innerhalb aller Universen inkarnieren.
Daher gibt es aus zeitlicher Sicht weder einen Anfang noch ein Ende aller Seelenentwicklungen, weil diese zu allen Zeiten stattfinden. Aus spiritueller Sicht gibt es auch keinen Anfang und kein Ende, da es keine Zeit gibt.
Aus dieser Sicht gibt es nur ein geschlossenes Ganzes, nur das Sein an sich und keinen linearen Ablauf der Dinge. Und deswegen hat der gesamte Entwicklungsprozess kein Ende und ist gleichzeitig schon beendet.
Nur deine eigene Entwicklung hat einen Anfang und ein Ende, nämlich in deiner Wahrnehmung. Und wenn du am Ende angekommen bist, wirst du das alles viel besser verstehen als jetzt." "Moment mal. Wenn alles gleichzeitig existiert, dann müssen auch alle meine Entwicklungsstufen existieren, auch die endgültige. Wieso nehme ich aber diese, in der ich gerade mit dir rede, wahr?" "Gut erkannt.
Genau deswegen ist es falsch zu sagen, alle Seelen würden gleichzeitig existieren, da sie ja in Wirklichkeit zeitlos sind. Für dich, der du in der Zeit verhaftet bist, gibt es die endgültige Entwicklungsstufe noch nicht. Aber für mich, der zeitlos ist, gibt es alle deine Stufen." "Hmmm. Dann ist alles vorherbestimmt?" "Nein, nein, niemand bestimmt hier irgendwas vorher. Die Dinge ergeben sich. Schau mal."
Gott malte einen Punkt auf die Tafel. "Dies ist ein Punkt in der Zeit. Und dies hier symbolisiert die verschiedenen Ereignisse, die nach diesem Zeitpunkt geschehen." Er malte eine Linie mit vielen Kurven. "Wie du siehst, kann ich die Linie zeichnen, wie ich will, es ist nicht vorherbestimmt, wie sie verläuft.
Und hier haben wir jetzt einen zweiten Zeitpunkt." Er malte einen Punkt an das Ende der Linie. "Wir beide stehen jetzt außerhalb der Linie, die die Zeit symbolisiert, daher haben wir einen Gesamtüberblick. Jeder Punkt auf der Linie existiert für uns und wir können ihn gezielt aufsuchen.
Diesen zum Beispiel". Er malte noch einen Punkt in der Mitte der Linie. "Aber für denjenigen, der innerhalb der Linie, innerhalb der Zeit steht, existieren nicht alle Punkte. Dieser ist in der selben Situation, wie ich vorhin, als ich die Linie gezeichnet habe.
Es existieren dann nur die Punkte, die schon gezeichnet sind, und es ist nicht vorherbestimmt, wo die späteren Punkte liegen. Wie die Linie dann letztlich aussieht, das ergibt sich irgendwie. Wer innerhalb der Zeit ist, der folgt nicht einfach nur der Linie, sondern er formt sie auch. Wer außerhalb der Zeit ist, für den sind alle Punkte der Linie vorhanden. Und dennoch ist nichts vorherbestimmt."
"Das ist doch paradox." "Ja, das ist es. Aus deiner zeitlichen Sicht." "Aha. Aber es gibt doch Gesetze, auf deren Grundlage man vorhersagen kann, was geschehen wird." "Sicher gibt es die. Aber die funktionieren nur in einem engen zeitlichen Rahmen.
Die Welt läuft ja nicht mechanisch ab, wie ein Uhrwerk, sondern ihr liegt die schöpferische Bewusstseinsenergie zu Grunde. Und da gibt es Vorgänge, die durch strenge Ursache-und-Wirkung Konzepte nicht erfasst werden können, die sozusagen spontan ablaufen.
Und daher kann man auf der Grundlage von Naturgesetzen keine Vorhersage für die Ewigkeit machen. Schau dir noch mal die Linie an. Wie du siehst, gibt es keine Lücken, keine Sprungstellen.
Die Punkte liegen dicht aneinander, und daher kann man in etwa vorhersagen, wo der nächste Punkt gezeichnet werden wird. Doch je weiter man versucht, vorauszudenken, desto ungenauer wird die Vorhersage. Wenn ich am Startpunkt bin, weiß ich also ziemlich genau, wo der nächste Punkt sein wird, aber über den Endpunkt dort hinten kann ich gar nichts sagen." "Ach so. Aber du weißt natürlich, wie sich alle Dinge letztlich ergeben, was?"
Er grinste. "Klaro. Ich stehe ja auch außerhalb der Zeit." Ich seufzte. Dann dachte ich eine Weile nach, während Gott, der sich anscheinend langweilte, auf der Tafel herummalte, was ihm einen Heidenspaß zu machen schien.
Ich versuchte, meine Gedanken in Worte zu fassen. "Also, ich habe jetzt verstanden, dass mein Dasein keinen Zweck erfüllt, sondern dass ich nur ein Teil des ewigen Seins bin, der ein gefestigtes Selbst entwickelt, wobei man nichts falsch machen kann, sondern auf jeden Fall erfolgreich ist.
Und spätestens, wenn ich damit fertig bin, erkenne ich den ganzen Vorgang als sinnvoll an, womit der das dann auch tatsächlich ist. Außerdem gibt es keine göttliche Moral, weder Gut noch Böse und auch keine Schuld. Hmmm.
Da frage ich mich, wieso sämtliche Religionen und Mythen voll sind vom epischen Kampf Gut gegen Böse, und wieso es Leute gibt, die angeblich mit geistigen Wesen in Verbindung stehen oder Gotteserfahrungen haben, und denen eben solche moralischen Werte als absolut richtig eingetrichtert werden. Ist das alles Spinnerei, oder wie?" "Häh, was?"
Gott starrte ganz fasziniert auf sein Geschmiere auf der Tafel, dann entschied er wohl, dass das nicht so wichtig war und ging auf meine Frage ein. "Ah ja, Gut und Böse und Religion und der ganze Quatsch. Das hat was mit dem Aufbau der Seele und ihrer Entwicklung zu tun. Ich male es dir auf." Während er die Tafel sauber wischte, belehrte er mich. "Das ist jetzt natürlich alles sehr symbolisch zu verstehen. Also, fangen wir mal an."
Er malte einen großen Kreis. In den Kreis malte er ein gleichmäßiges Kreuz, dessen Enden links, rechts, oben und unten den Kreis berührten. Um den Mittelpunkt des Kreuzes malte er einen kleinen Kreis.
"So. Außerhalb des großen Kreises befindet sich die unbegrenzte spirituelle Welt, innerhalb des großen Kreises befinden sich die verschiedenen begrenzten materiellen Welten. Der kleine Kreis stellt deine Welt dar, in der die Regeln der Materie am starrsten sind, weshalb sie dort den meisten Schutz bietet. Es ist die Welt, in der die Entwicklung der Seele beginnt. Das Kreuz symbolisiert die vier Hauptwege der Seelenentwicklung.
In der Religion geht es nun ganz allgemein erst mal darum, die Materie zu überwinden, also den kleinen Kreis zu verlassen und in höhere Welten aufzusteigen, in denen der Geist mehr Freiheiten hat. Wie schafft eine Seele das also? Du erinnerst dich sicher, dass die Seele sich nur deswegen mit der Materie verbindet, um Festigkeit zu erlangen.
Will man die Materie hinter sich lassen, so muss also die Seele in sich selbst gefestigt werden, was auf vier Arten geschehen kann. Um das zu verstehen, muss man wissen, dass die Welt und die Seele polar aufgebaut sind. Dies hier sind die beiden Pole, die aus dem spirituellen auf die Welt und die Seele einwirken."
An das linke Ende des Kreuzes malte er einen großen schwarzen Punkt und an das rechte Ende einen großen weißen Punkt. "Dies sind die beiden gegensätzlichen Prinzipien, die alle Bewegungen, sowohl im materiellen als auch im seelischen hervorrufen. Da es uns hier um die Seele geht, nennen wir sie einfach mal Böse, das ist der schwarze Punkt, und Gut, das ist der weiße Punkt.
Nur wegen des symbolischen Inhalts natürlich. Man könnte sagen, dass es sich dabei um energetische Aspekte von mir handelt." An das obere Ende des Kreuzes malte er jetzt ein Ying-Yang Symbol. "Und das hier, das bin ich. Genauer gesagt ist dies meine Persönlichkeit. Mein Wesen umfasst alle Dinge, so dass sich meine Persönlichkeit im absoluten Gleichgewicht befindet. Sie ist die Synthese von Gut und Böse, von sämtlichen Gegensätzen.
Und hier unten", er malte einen leeren Kreis an das untere Ende des Kreuzes, "befindet sich das absolute Nichts, in dem es weder Gut noch Böse noch sonst irgendwelche Gesetze oder Prinzipien gibt. Noch nicht mal das Prinzip von Sein und Nichtsein ist dort vorhanden. Und auch dieses Nichts ist ein Teil von mir.
Gut. Deine Seele ist, wie jede andere, polar aufgebaut, da sie ein Teil des Ganzen ist. Es ist darin also ein kleines bisschen Weiß und ein kleines bisschen Schwarz, wobei sich beide Teile von ihren Entsprechungen in der spirituellen Welt angezogen fühlen.
Und, im Gegensatz zu mir, bist du nicht im Gleichgewicht, mal dominiert der weiße Teil und mal der schwarze. Dies führt dazu, dass du ständig von den beiden Polen angezogen und wieder abgestoßen wirst, deren Energien quasi auf dem horizontalen Balken des Kreuzes in die Welt einströmen, sich in der Mitte treffen und dort verwirbeln.
Dominiert in dir das Schwarze, so wirst du also nach links gezogen, dominiert das Weiße, nach rechts. Befindest du dich im Gleichgewicht, so wirst du vom energetischen Wirbel nach oben getragen zu mir, verlieren deine Pole an Intensität, so fällst du nach unten, ins Nichts. Da deine Seele ungefestigt ist, pendelt sie ständig unter den Einflüssen der Welt zwischen diesen vier Zuständen, weshalb es dir nicht möglich ist, den inneren Kreis der dichtesten Materie zu verlassen.
Der Trick, in höhere Welten aufzusteigen, liegt also darin, sich gegen die widersprüchlichen Einflüsse der Welt auf einen der vier Wege zu konzentrieren. Am leichtesten ist dabei die Konzentration nach rechts oder links, weil dabei einfach nur ein Aspekt des Daseins ausgeblendet und der andere verstärkt wird.
In den menschlichen Religionen dominiert dabei häufig der rechte Weg, sozusagen der Gute. Dabei werden Tugenden wie Nächstenliebe, Selbstlosigkeiten, Ehrenhaftigkeit und ähnliches hochgehalten."
Er runzelte die Stirn, "euch Säugetiere sprechen diese Dinge wohl eher an, als die entsprechenden Gegentugenden Eigenliebe, Selbstsüchtigkeit und Verschlagenheit. Nun denn, um also den weißen Weg zu gehen, muss der schwarze Anteil in der Seele dem weißen gegenüber verringert werden, da dann ein gerichteter Sog zum Prinzip des Guten entsteht. Und je kleiner der schwarze Anteil ist, desto weiter kommt man auf diesem Weg.
Die Seele festigt sich also im Guten, womit sie sich in höheren Welten geringerer materieller Verdichtung halten kann. Das gleiche funktioniert natürlich auch in die andere Richtung. Nun gibt es auf den Wegen von Gut und Böse jeweils eine mächtigste Seele, die in unmittelbarer Nähe des jeweiligen spirituellen Pols sitzt.
Weil sie beide kein mächtigeres Wesen über sich haben, halten sich beide für Gott. Und beide glauben, sie müssten den verwirrten Seelen den richtigen Weg zeigen, ihren Weg. Der jeweils andere wird dabei als der Böse angesehen, der Korruptor, der die Seelen vom wahren Weg der Erlösung abbringt.
Daher entsteht zwischen diesen beiden Göttern, denn Götter sind sie aus deiner Sicht, ein Kampf um die Seelen, bei dem die geringeren Seelen, die sich auf den jeweiligen Wegen befinden, mithelfen." "Aha, und diese Götter sind es dann auch, die eine bestimmte Moral vertreten, die sie für absolut richtig halten, nicht wahr?" "Ja, so ist das."
"Merken die denn nicht, dass du der echte Gott bist?" "Sie können mich nicht erkennen. Der Gute hält sich selbst für die Verkörperung des Guten, auch wenn er ständig versucht noch besser zu werden. Und die Ursache für das Böse sieht er im Wirken seines Gegenspielers.
Und der Böse sieht das aus seiner Sicht genauso. Für mich ist da kein Platz mehr." "Wundern die sich nicht darüber, dass sie überhaupt einen Gegenspieler haben? Oder darüber, dass die Seelen eben nicht von Natur aus gut sind? Wundern sie sich nicht darüber, dass sie selbst diese Seelen nicht hervorbringen?"
"Sie haben sich eingeredet, dass sie diese Seelen hervorbringen. Und dass sie den Seelen einen freien Willen gegeben haben, der von einigen missbraucht wird, so dass die sich von ihnen abwenden. Und sie haben sich eingeredet, dass es sich beim jeweils anderen auch um so eine gefallene Seele handelt."
"Die reden sich aber ziemlich viel ein. Sollten so hochstehende Wesen nicht ein bisschen realistischer sein?" "Aus ihrer Sicht ist das sehr realistisch. Du darfst nicht vergessen, dass sie einen langen Weg der Entwicklung hinter sich haben, auf dem sie bestimmte Aspekte der Welt und von sich selbst einfach ausgeblendet haben, weswegen sie sich auch nicht mehr an ihre früheren, weniger einseitigen Daseinsformen erinnern können.
Je weiter man auf dem Weg nach rechts oder links fortschreitet, desto einseitiger wird die Orientierung, da auch alle Wesen, die man dort trifft eine vergleichbare Einstellung haben. Man wird dann gewissermaßen verblendet, und diese Verblendung ist die Voraussetzung dafür, dass man sich dort überhaupt halten kann.
Sobald man gegensätzliche Handlungen vollbringt oder auch nur solche Gedanken hat, wird man vom Pol, den man eigentlich erreichen will, abgestoßen und vom Gegensätzlichen angezogen, bis man wieder hier im innersten Kreis der dichtesten Materie landet, wo sämtliche Ausrichtungen nebeneinander existieren können."
"Aha. Das ist dann also der berühmte Seelensturz und der Grund, warum in Religionen so gerne von Versündigung gefaselt wird, richtig?" "Ganz richtig." "Wie kann man denn den Seelensturz verhindern?"
"Gar nicht. Zumindest nicht auf den Wegen nach rechts, links oder unten. Hast du vergessen, dass die Seele polar aufgebaut ist? Keiner dieser Pole lässt sich entfernen oder auf Dauer verdrängen. Irgendwann fordert er sein Recht. Auch die Götter des Guten und Bösen werden irgendwann zurückstürzen, sobald ihre unterdrückten Aspekte durchbrechen. Aber dann ist sofort ein Nachfolger zur Stelle."
"Ist das der Grund, warum du sie nicht von ihrem Irrtum unterrichtest?" "Ja, unter anderem. Außerdem mische ich mich nicht ein in die Entwicklung der Seelen. Ich bin schließlich neutral. Deswegen offenbare ich mich auch nicht, weil das eh nichts bringen würde.
Entweder man würde meine Offenbarung vergessen oder mit der Zeit so umschreiben, dass sie besser in das ethische Konzept der entsprechenden Spezies passt. Also lass ich das bleiben." "Also, wann immer irgendwo irgendwelche Wahrheiten von einem angeblichen Gott verbreitet werden, dann stammen die auf keinen Fall von dir?" "So ist das."
"Hmmm. Machst du eigentlich überhaupt irgendwas?" Er lachte. "Natürlich. Da ich die Summe aller Lebewesen bin, handele ich immer, wenn ein Lebewesen handelt. Da ich die Summe aller Naturgesetze und Prinzipien bin, wirke ich durch das Wirken dieser Gesetze und Prinzipien.
Doch meine Persönlichkeit handelt nicht, da sie sich im absoluten Gleichgewicht befindet und somit keinen Grund zum Handeln sieht." "Aber du redest doch gerade mit mir!" Er lachte noch mal. "Das ist hier ja auch nur eine Geschichte, die sich irgend so ein Schweinchen Schlau aus den Fingern saugt." "Ooops, hatte ich vergessen." Ich dachte ein bisschen nach. "Sind die Wege nach links und rechts tatsächlich gleichwertig?
Ich meine, ist Liebe nicht besser als Hass?" "Hass ist nur unangenehm, wenn man ihm nicht nachgehen kann. Außerdem ist der Weg des Schattens nicht der Weg des reinen Hasses.
Es gibt auch dort Zusammenarbeit, solange sie für alle Beteiligten nützlich ist. Hass ist dort ein willkommener Freund, etwas, dass dir die Energie gibt, deine Ziele zu ereichen. Ein guter Hasser ist dort hoch angesehen. Hass verleiht dir dort Macht und Stärke. Und Liebe, Liebe ist nur angenehm, wenn sie auch erwidert wird.
Der Liebende braucht ein Objekt seiner Liebe, und derjenige der geliebt wird, braucht jemanden, der ihn liebt. Und beide werden von der Liebe abhängig, genau so, wie der Hassende vom Hass abhängig wird, ohne den er seinen Halt verliert.
Daran kann man auch erkennen, dass die Wege nach rechts und links Sackgassen sind, denn sie führen nicht dazu, dass man zufrieden in sich selbst ruht, unberührt von äußeren Dingen. Auch die Götter dort sind abhängig von den anderen Seelen, denn ohne die Seelen hätten sie nichts, worauf sie ihr Bewusstsein richten könnten.
Sie wären dann alleine mit sich selbst, und den Zustand könnten sie nicht ertragen, da sie nicht im Gleichgewicht sind. Deswegen kämpfen sie so verbissen um die Seelen und auch dieser Kampf gibt ihnen Halt."
"Also sollte man sich besser nicht auf die Seite von Gut oder Böse stellen?" Gott schüttelte mit dem Kopf. "Du sollst überhaupt nichts. Und du wirst dich abwechselnd auf beide Seiten stellen. Das Erfahren der Polarität gehört mit dazu auf dem Weg zum absoluten Ziel. Erst derjenige, der erfahren hat, dass Gut und Böse Sackgassen sind, wird den Weg nach unten oder oben einschlagen.
Und jede Seele geht alle vier Wege viele Male, doch nur der nach oben führt zum endgültigen Ziel." "Na, toll. Und wie ist das nun mit den Wegen nach oben und unten? Ich denke, unten ist das Nichts. Wer will da schon hin?"
"Dort will der hin, der erkannt hat, dass Gut und Böse nur Illusionen sind, dass es zwar gegensätzlich Konzepte gibt, deren Wertung aber willkürlich ist und nur von der momentanen Ausrichtung der Seele abhängt. Er hat es satt, einen ewigen Kampf um Werte zu führen, die ihm allesamt blödsinnig erscheinen.
Also wird er neutral. Auf eine negative Weise, dadurch dass er beide Pole seiner Seele schwächt. Man könnte sagen, dass er emotionslos wird. Wer den Weg nach unten geht, den berühren die Dinge der Welt nicht mehr, weil sie keine Resonanz mehr in seiner Seele finden.
Und weil die Dinge ihn nicht berühren, kann er die Welt der dichtesten Materie verlassen, seine Emotionslosigkeit verleiht ihm die notwendige Festigkeit.
Er wird frei von Trieben und Verlangen, er befindet sich auf dem Weg der reinen Logik und darüber hinaus auf dem Weg in Regionen, wo es noch nicht einmal mehr Logik gibt, er sucht das Nichts, will selber im Nichts aufgehen, seine Seele zum Erlöschen bringen, den angenehmen Zustand der eigenen Nicht-Existenz erfahren.
Aber die Seele kann nicht verlöschen. Die beiden Pole der Seele können zwar unendlich klein werden, aber niemals verschwinden. Und irgendwann erstarken sie wieder, und die Seele steigt wieder auf aus dem Abgrund der Nichtigkeit hinauf in den chaotischen Wirbel des Seins."
"Und ich nehme mal an, da unten gibt es keine Götter, die sich wichtig machen, weil denen eh alles egal ist, was?" "Ja, so ist das. Und im Gegensatz zu den polaren Göttern können diese Seelen auch in sich selber ruhen, denn sie befinden sich im Gleichgewicht. Ihr Fehler ist nur, dass sie das Sein negieren, doch weil das Sein nun mal da ist, kann dieser Versuch auf Dauer nicht von Erfolg gekrönt sein.
Solange das klappt, ist das natürlich eine feine Sache. Vielleicht sogar noch besser als die Ekstase von Macht oder Liebe, die man auf den polaren Wegen erfährt." "Tja, dann bleibt ja wohl nur noch der Weg nach oben. Aber wo ist da jetzt eigentlich der Unterschied zu dem nach unten?
Da ist man doch auch neutral." Gott nickte. "Ja, aber auf eine positive Weise. Man erlangt die Neutralität nicht dadurch, dass man seine Pole schwächt, sondern ausbalanciert, indem man dafür sorgt, dass beide gleich stark sind, wodurch man nicht irgendwelchen Extremen verfällt. Gleichzeitig wachsen die Pole, könnte man sagen.
Man nimmt immer mehr gegensätzliche Aspekte der Welt in sich auf und führt sie zur Synthese. Auf dem Weg nach unten negiert man das Sein. Auf dem Weg nach oben erfährt man es, wodurch man es durchschaut.
Man wird nicht emotionslos, sondern kontrolliert emotional. Man kann dann nach belieben Ereignisse als Gut oder Schlecht werten, da man beide Sichtweisen in sich vereint. Die Neutralität kommt also nicht dadurch zustande, dass man Wertungen ablehnt, sondern dadurch, dass man alle Wertungen überlagert, wodurch man alle als gleichermaßen richtig und falsch erkennt.
Dieser Weg ist natürlich sehr schwierig, allzu leicht ergreift man dann doch Partei und verliert das Gleichgewicht und damit seinen Halt. Nur die erfahrensten Seelen schaffen es weit auf diesem Weg und auch diese sind vor Rückschlägen nicht gefeit.
Doch nur dieser Weg führt zur absoluten Erkenntnis, zum absoluten Bewusstsein, zum absoluten Sinn. Denn es ist der einzige Weg, der die Synthese des Ganzen betreibt, der einzige, der sich nicht bloß auf Teilaspekte beschränkt oder gar das Sein negiert.
Es ist der einzige Weg, der zurück in die spirituelle Welt führt, der eigentlichen Heimat der Seele. Alle anderen Wege bleiben im Materiellen verhaftet, auch wenn sie in Regionen führen, in denen dem Geist weniger restriktive Fesseln auferlegt sind, als in deiner Welt.
Denn nur, wer das Sein als Ganzes in sich aufnimmt und durchschaut, erlangt die nötige Festigkeit, um frei in der spirituellen Welt als absolut bewusster Teil des Ganzen zu existieren, um ohne schützende und beschränkende materielle Hülle zufrieden in sich selbst zu ruhen und sich dabei aller Dinge bewusst zu sein, ohne dass sie ihn berühren, da sie ihn auf jede mögliche Art berühren können. Dann hat man das absolute Ziel erreicht und erfährt die Existenz als absolut sinnvoll. Noch Fragen?"
Das kam jetzt etwas überraschend. "Äh, ja, das hört sich ja alles ganz toll an, aber was habe ich jetzt eigentlich konkret davon, dass du mir das alles erzählst? Wo du mir doch keine Verhaltensrichtlinien gibst, wo ich doch jetzt immer noch nichts anderes machen kann, als mich mehr schlecht als recht durchs Leben zu stümpern und wo ich wohl oder übel sämtliche Erfahrungen, von denen du da redest, noch machen muss? Und wo sich an diesem Umstand überhaupt nichts ändern würde, würde ich das alles gar nicht wissen.
Wenn das, was du erzählst, stimmt, dann ist es doch vollkommen egal, ob man das alles weiß oder nicht. Also, was bringt mir das Wissen?" Gott sah mich belustigt an. "Tja, ein angenehmes warmes Gefühl ums Herz vielleicht? Reicht dir das nicht?"
So langsam wurde ich ziemlich misstrauisch. "Sag mal, bist du überhaupt Gott oder doch nur ein Gnom, der sich einen Spaß mit mir erlaubt?" Da lachte er. "Was fragst du mich? Soll ich 'ja' sagen oder 'nein'? Dann weißt du es doch immer noch nicht." Ich fluchte.
"Also, ich habe keine Ahnung, ob du Gott bist oder nicht, und daher habe ich keinen blassen Schimmer, ob das alles stimmt, was du mir erzählt hast. Und selbst, wenn das alles stimmt, bringt mir das überhaupt nix. Ja, warum hast du mir das denn dann alles erzählt, wenn ich fragen darf?"
Gott grinste mich an und zuckte mit den Schultern. "Nur so." Dann machte es 'Puff' und er verschwand mitsamt der zugemalten Tafel. Kurz darauf machte es noch mal 'Puff', und auch das Sofa verschwand, woraufhin ich unsanft im Matsch landete.
Und während ich da so im Dreck saß und noch mal über das Gefasel des kauzigen kleinen Gnoms nachdachte, musste ich auf einmal lachen. Denn seine letzten beiden Worte hatten den gesamten Inhalt unseres Gesprächs treffend zusammengefasst und so langsam begann ich zu begreifen, soweit dies meinem primitiven Hirn möglich war, was der Sinn des Ganzen war und warum die Welt eigentlich existierte. Nur so.
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