Der Jenseitige Mensch
Emil Mattiesen

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Kap XLVIII. Wahrnehmbarkeit des Hinausversetzten.                 (S. 511)

Es gibt aber eine zweite Gruppe von Erfahrungen des Hellsehens, die das Problem der Exkursion und der hellsichtigen objektiven Wahrnehmung stellen.

Diese Beobachtungen schweigen meist über irgendwelche Wahrnehmung der 'Abreise' von dem äußerlich geschauten eigenen Leibe des Sehers, versetzen diesen vielmehr unmittelbar an einen bestimmten Blickpunkt am Orte des Gesichtes; dagegen gründet sich der Anschein einer Exkursion, nämlich einer übernormalen Anwesenheit am Orte des Geschauten, auf den weiteren Umstand, daß der Seher am Schauplatz seines Gesichtes selbst gesehen wird.

Der Seher tritt dort als 'Phantom' auf, und in vielen Fällen weiß er auch um sein Gesehenwerden, mit anderen Worten: das Phantom, das Subjekt einer solchen 'Telephanie', [2] ist seiner selbst bewußt. - Ein paar Beispiele mögen dies zunächst verdeutlichen.

'Am Abend des 27. Okt. 1906’ (eines Sonnabend), schreibt Herr L. Primavesi, 'hatte ich in meinem Schlafzimmer gelesen, war dann aufgestanden und hatte drei Schritte auf das Bett zu gemacht. Eine Lampe mit Lichtschirm befand sich hinter meinem Rücken, und nichts vor mir konnte Spiegelungen erzeugen.

Etwa 10 Sekunden lang war es mir, als befände ich mich im Hause einer Freundin in einem Vorort unserer Stadt (Antwerpen) und als sähe ich ein starkes Licht, wie von einer unverhängten Lampe, zu meiner Rechten. Als ich zu mir selbst kam, stellte ich fest, daß die Uhr 11.47 zeigte. Am Montag darauf besuchte ich meine Freunde, und ehe

        [2] Der Ausdruck von Aksakow vorgeschlagen.


Kap XLVIII. Wahrnehmbarkeit des Hinausversetzten.                 (S. 512)

ich von dieser Erfahrung gesprochen hatte, sagte die Dame: Ich sah Sie hier vergangenen Sonnabend. Sie sei, berichtete sie, mit einer Arbeit beschäftigt gewesen und habe, als sie die Augen erhob, mich in schwarzer Kleidung in einer Ecke des Zimmers stehend erblickt.

Sie habe mich gefragt, weshalb ich so spät komme, und einen Augenblick darauf mich weniger deutlich gesehen; darauf sei ich verschwunden, wie eine Wolke hinschmilzt. Sie habe nach der Uhr geschaut, die etwas nach 3/4 12 gezeigt habe. Die Lampe befand sich an der Stelle, an welcher ich sie zu sehen geglaubt, und nicht an ihrem gewöhnlichen Platz. Ich hatte am Sonnabendabend schwarze Kleidung getragen.' [1]

In der folgenden Erfahrung, von Mrs. Parker in London berichtet, wird das Subjekt der Telephanie, Mr. L., ein amerikanischer Magnetiseur, der den Gatten der Dame behandelte, bemerkenswerterweise nicht von demjenigen wahrgenommen, in dessen unmittelbare Nähe er sich versetzt fühlt, sondern von einer Dritten, etwas Entfernten:

eben der Berichterstatterin. – 'Während mein Gatte’, schreibt Mrs. P., 'im Rollstuhl im Garten saß, blickte ich. . . um 2 Uhr aus dem Fenster und sah einen Mann vor seinem Stuhle stehen, der mit ihm zu reden schien.

Ich... hielt ihn für einen Fremden, da ich weder seine Gestalt erkannte, noch den breitkrämpigen Filzhut und seltsam geschnittenen Mantelkragen, den er trug.' Einen Augenblick später, als sie wieder hinsah, war er verschwunden. Mr. Parker, der übrigens nicht geschlafen haben wollte, hatte nichts wahrgenommen.

Zwei Tage darauf sagte Mr. L. von sich aus zu Mrs. P.: 'Es ist sehr seltsam, aber dieselbe Erfahrung ist mir zweimal widerfahren, seitdem ich Ihren Gatten behandle, daß ich, während ich mich ganz woanders befinde, plötzlich das Gefühl habe, als stehe ich ihm zur Seite, in Ihrem Saal oder dort draußen im Garten.'

Dies sei ihm zuletzt 'vorgestern, etwa um 2 Uhr' zugestoßen. Mrs. P. bemerkte jetzt zum erstenmal, wie sie behauptet, seinen Mantel und Hut, deren Ähnlichkeit mit der Kleidung der Gestalt, wie auch die des Mannes selbst, ihr jetzt auffiel. [2]  -

Der Garten war ein öffentliches Square, und der Möglichkeit, daß Mrs. P. die Gestalt eines Dritten nachträglich als die des L. 'erkannt' habe, steht nur die Versicherung des Patienten entgegen, daß niemand bei ihm gewesen, sowie das anscheinend ziemlich genaue Zusammentreffen der Zeitangaben von Agent und Perzipientin.

Die besondere Bedeutung des Falles beruht dann, wie gesagt, auf dem Umstande, daß L. nicht eigentlich 'der Perzipientin erschien', vielmehr nur soz. zufällig von ihr bemerkt wurde, während er in der Nähe desjenigen zu stehen glaubte, dem seine Gedanken und darum wohl auch sein Erscheinen eigentlich 'galten'.

Diese Besonderheit würde sich bedeutsam zuspitzen, wenn das Phantom des Subjektes, das sich an den Ort seines Schauens versetzt fühlt, von jemand gesehen würde, dem dies Subjekt seinem Aussehen nach überhaupt unbekannt wäre, und noch mehr, wenn das Subjekt nachträglich auf Grund dieses Aussehens identifiziert würde.

Ein Beispiel für den ersteren Typ ist z.B. die Erfahrung der Mrs. P. R. Wilmot, die sich kurz folgendermaßen zusammenfassen läßt: Herr E. R. Wilmot, am 3. Okt. 1863 auf der City 01 Limerick von Liverpool nach New-York in See gegangen, träumt

[1] Leo Primavesi im Antwerpener Bull. du bur. d'étude des phén. spir.; daraus in APS V 127f. (Alsbald berichtet)
[2] Gurney II 162f.


Kap XLVIII. Wahrnehmbarkeit des Hinausversetzten.                 (S. 513)

am 8. Tage eines heftigen Sturmes, daß seine Frau ihn in seiner Kabine besuche, 'angetan mit Nachtkleidung'. 'An der Tür schien sie zu bemerken, daß ich nicht der einzige Fahrgast in der Kajüte sei, zögerte ein wenig, trat dann an meine Seite vor, neigte sich herab und küßte mich. . .

Als ich erwachte, sah ich mit Überraschung, daß mein Kabinengenosse, dessen Koje sich über der meinen befand, aber nicht gerade über ihr - weil unsre Kajüte sich am Heck des Schiffes befand -, auf den Ellbogen gelehnt mich starr ansah.' Es erwies sich, daß dieser Mitreisende, W. J. Tait, ein ernster und glaubwürdiger Zeuge, Wahrnehmungen gemacht hatte, die 'genau mit (Herrn W.s) Traum übereinstimmten'.

Unmittelbar nach W.s Heimkehr berichtete ihm seine Gattin, sie habe in der betreffenden Nacht, nach anhaltendem sorgenvollem Denken an den Abwesenden, etwa um 4 Uhr morgens den Eindruck gehabt, daß sie sich hinausbegebe, ihn zu suchen, den Ozean überquere, die Bordseite eines niedrigen schwarzen Dampfers ersteige und am Heck eine Kabine betrete.

'Sage mir,' sprach sie, 'gibt es solche Kajüten wie die, welche ich dort sah, in denen die obere Koje weiter zurückreicht, als die untere? Ein Mann befand sich in der oberen Koje und blickte mich gerade an, und einen Augenblick fürchtete ich mich hineinzugehen, bald aber trat ich an die Seite deines Bettes heran, neigte mich hinab und küßte dich...

Die Beschreibung, die meine Frau von dem Dampfer gab, war genau in allen Einzelheiten, wiewohl sie ihn nie gesehen hatte.' [1]

Ein Beispiel der zweiten Art - also der nachträglichen Identifizierung des Phantoms durch jemand, dem es zur Zeit seiner Erscheinung unbekannt war - bietet der nachstehende Vorgang.

'Betas' Frau hatte wiederholt Träume von einem Hause, dessen innere Einrichtung sie genau beschrieb, obwohl ihr kein Gedanke daran auftauchte, wo sich dies Haus befinden möge; Im Jahre 1883 mietete Beta im schottischen Hochland von Lady B. ein Haus mit Jagd und Fischerei.

Während Lady B. das Haus noch bewohnte, schlief er in einem Zimmer, das 'vor längerer Zeit von einer kleinen Dame spukend besucht worden sein sollte, die beständig darin erschienen war'. Doch sah er selber nichts dergleichen.

Als seine Frau ihm nachgereist kam, war ihr das ganze Haus bekannt und ein genaues Abbild ihres Traumhauses, mit welchem sie 'beim Augenschein vom Vorflur bis zum Dache jede kleinste Einzelheit in Übereinstimmung' fand. Als sie wieder in den Vorflur hinabstieg, sagte sie: 'Nein, das kann schließlich doch das Haus nicht sein, da es in meinen Träumen eine andere Zimmerreihe auf jener Seite gab.'

Erst jetzt wurde sie unterrichtet, daß es eine solche Zimmerreihe tatsächlich gebe, die sich nicht an den Vorflur anschließe, und bei ihrer Besichtigung erkannte sie jeden Raum auch davon wieder. Immer aber noch meinte sie, daß ein Schlafzimmer dieser Reihe in ihrem Traum als Gesellschaftszimmer erschienen sei, und es wurde festgestellt, daß dies der Fall gewesen, indem die Einrichtung eben erst verändert worden sei.

Als zwei Tage später Betas Frau Lady B. vorgestellt wurde, rief diese aus: "Oh, Sie sind ja die Dame, die in meinem Schlafzimmer umging' USW. [2]

[1] Sehr ausführlich, mit Nebenzeugnissen. Pr VII 41ff.
[2] Aus The Spectator in ÜW X 41f. Vgl. hierzu ferner Th. Pommers Bericht bei Daumer I 179f.; v. Güldenstubbe bei Perty, Spir. 82; Eckartshausen 95ff.; Harrison 152f. 161ff.; Prof. Kuster bei Perty,  M. E. II 133 (briefl. Berichte sich kreuzend, Agentin unabhängig-kollektiv gesehen); PS VII 483f.; XXXIV 82f.; APS II 321f.; Gurney I 164f. (Ag. sieht und 'ruft' am fernen Ort, wird aber selbst nur gehört).


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Kap XLVIII. Wahrnehmbarkeit des Hinausversetzten.                 (S. 514)

Diese Erfahrung, die wahrscheinlich eine bessere Beglaubigung durch alle Beteiligten verdient hätte, als ihr zuteilgeworden, zeigt eine beträchtliche Steigerung bezüglich der Masse des Hellgesehenen, sowohl als auch der Zahl der Exkursionen.

Außerdem findet sich in ihr ein Element jener biographischen Vorschau, die wir bereits aus einem früheren Kapitel kennen. [1] - Eine andere Richtung, in welcher die fraglichen Tatsachen einer Steigerung fähig sind, wird durch die zunehmende Reichhaltigkeit im angeblichen Benehmen des gesehenen Phantoms bezeichnet.

Unter diesem Gesichtspunkt führe ich nachstehendes Erlebnis an, das ein englischer Geistlicher, P. H. Newnham, aus seiner Oxforder Studentenzeit berichtet. Er litt damals an heftigen neuralgischen Kopfschmerzen, die jedesmal in Schlaf übergingen.

Eines Abends um 9, als diese Schmerzen unerträglich geworden und er darauf eingeschlafen, hatte er 'einen einzigartig deutlichen und lebhaften Traum. . . Ich träumte, ich sei zu Besuch in der Familie der Dame, die später meine Frau wurde.

Die jüngern (Mitglieder derselben) waren zu Bett gegangen, und nachdem ich am Kamin stehend im Geplauder mit Vater und Mutter verweilt hatte, wünschte ich ihnen gute Nacht, nahm meinen Leuchter und begab mich nach meinem Schlafzimmer. Im Hausflur angelangt, bemerkte ich, daß meine Braut sich jetzt erst nahe dem obern Treppenabsatz befand.

Ich lief die Treppe hinauf, holte sie auf der obersten Stufe ein und schlang von hinten meine beiden Arme unter den ihren um ihren Leib, obgleich ich mein Licht in meiner Linken trug. .. Damit erwachte ich und eine Uhr im Hause schlug fast unmittelbar darauf 10. Der Eindruck des Traumes war so stark, daß ich am nächsten Morgen meiner Braut einen genauen Bericht schickte.

Von ihr erhielt ich, nicht in Beantwortung meines Briefes, sondern mit diesem sich kreuzend, ein Schreiben, worin sich die Frage fand: Dachtest Du an mich gestern abend gerade um 10 Uhr ganz besonders? Denn als ich die Treppe hinauf zu Bette ging, hörte ich deutlich deine Fußtritte auf den Stufen und fühlte, wie du deine Arme um meinen Leib schlangst. . .' [2]

Etwas weiter noch geht folgender Bericht, nicht nur hinsichtlich der Mehrsinnigkeit der Wahrnehmung, sondern auch hinsichtlich des Umfangs des Hellgesehenen (denn natürlich müssen wir annehmen, daß Newnham nichts sah, was ihm nicht vertraut war).

Hier nun kommt die Exkurrierende plötzlich zu sich mit dem Ruf: '0, ich bin in X. gewesen', und zwar in einem ihr bekannten Zimmer, wo sie zwei alte Freundinnen und zwei Fremde gesehen habe, die unter Geplauder und Gelächter sich zum Schlafengehen bereiteten.

Eine von ihnen sah sie das Gas ausdrehen, folgte ihnen treppauf, trat in eins (der oben gelegenen Schlafzimmer) ein, sah Bessie einige Sachen in einen Kasten legen, sich auskleiden und ins Bett steigen, darauf ging sie auf sie zu, nahm sie bei der Hand und sagte: Bessie, wir wollen Freunde sein.'

Unabhängig von dieser Aussage wird uns bezeugt, daß Bessie um die gleiche Zeit aufgeschrieen habe: Ich habe eben N. gesehen; sie berührte mich und sagte: Wir wollen Freunde sein. Aber auch die übrigen Wahrnehmungen, vor allem die beiden Fremden, entsprachen der gleichzeitigen Wirklichkeit. [3]

[1] S. o. S. 460ff.
[2] Gurney I 225; Myers I 418f.
[3] Gurney II 159f. Vgl. den Fall der Constance S. Bevan das. I 318f.; ferner Lombroso 292f. 515; Kerners Magikon III 182; Theosoph. Rev. XXXIII 442.


Kap XLVIII. Wahrnehmbarkeit des Hinausversetzten.                 (S. 515)

Die volle Entwicklung in dieser Richtung ist in einer Geschichte gegeben, die aus dem 18. Jahrhundert überliefert wird und seitdem zu dem eisernen Bestand auch der populär-mystischen Literatur gehört hat. Joseph Wilkins, ein englischer Geistlicher, der 1800 starb, erzählt, daß er i. J. 1754, von Hause abwesend, ohne besondere Veranlassung mit größter Lebhaftigkeit geträumt habe, daß er, auf der Reise nach London begriffen, unterwegs sich nach Gloucestershire begebe, um seine Lieben zu besuchen.

Er erreichte sein Vaterhaus, fand die Vordertür verschlossen und trat daher durch die Hintertür ein. Die Leute waren zu Bett, er ging in des Vaters Schlafzimmer, der Vater schlief, aber zu der wachen Mutter sagte er: Mutter, ich habe eine weite Reise angetreten und bin gekommen, dir Lebewohl zu sagen.

Worauf sie erwiderte: 'O lieber Sohn, du bist tot.’ Ein oder zwei Tage später erhielt er einen Brief von seinem Vater, adressiert an ihn, falls er am Leben, an seine überlebenden Freunde, falls er tot sei.

In jener selben Nacht nämlich, wie sich herausstellte, hatte die Mutter, während der Vater geschlafen, gehört, daß jemand die Vordertür zu öffnen suchte, dann durch die hintere eintrat, und hatte ihres Sohnes Fußtritt erkannt, der in ihr Zimmer kam und die obigen Worte zu ihr sprach.

Worauf sie geantwortet: Mein lieber Sohn, du bist tot. Sie hatte ihren Mann geweckt und ihm dies mitgeteilt; behauptete selbst aber während des Herganges wach gewesen zu sein. [1]

Beschränkt sich die Exkursion auf eine geringe Entfernung, so kann es natürlich geschehen, daß Körper und Phantom des Subjekts von einer Person gleichzeitig wahrgenommen werden.

Von Frl. Swoboda, die wir bereits als ungesehene Exkurrierende kennen lernten, liegt ein Bericht dieser Art vor; ich gebe ihn, unbeglaubigt, wie er im übrigen ist, zur Verdeutlichung des Typs hier wieder.

Frl. Sophie, neben Frau N. auf einem Sofa sitzend, während ihre Freundin  Irma (Frau N.s Tochter) Klavier spielt, lehnt sich zurück, schließt die Augen, tritt dann im Geiste an die Seite der Spielerin und bemerkt, wie die Hausfrau verwundert nach ihr (am Klavier) sowie nach ihrem Platz auf dem Sofa blickt, wo sie (Sophie) nun sich selbst mit geschlossenen Augen liegen sieht.

Sie eilt in ihren Körper zurück, schlägt die Augen auf, und Frau N. versichert ihr, sie habe sie neben dem Klavier und zugleich auf dem Sofa gesehen. [2]

Es ist kaum nötig zu sagen, daß - wie das letzte Beispiel schon andeutete - die Exkursion auch willkürlich vorgenommen, also zum Gegenstand eines Experimentes gemacht werden kann. Z.B.: Ein Subjekt, 'Harry', dem dies möglich ist, hat sich um 11 Uhr nachts zu Bett begeben, 'konzentriert' seine Gedanken auf zwei ihm bekannte Damen,

[1] Ich kann nicht sagen, wo dieser berühmte Fall zuerst das Licht der Presse erblickt hat. Er findet sich in Jos. Taylors Apparitions (Lond. 1815) und einem alten Bande des London Magazine: Harrison (150ff.) entnimmt ihn einem 'Leben' des Rev. J. Wilkins. Abercrombie, s. Zt. ein Gelehrter von Ruf, setzte sich für ihn ein (endorsed), so daß die (Lond.) Ges. f. psych. Forsch. ihn dem 1. Bericht ihres Litt. Komitees einfügte (Pr I 122f.). Danach in fast allen Sammelwerken (Welby, Gerber, Crowe, Perty, BP usw.). - Einen noch erstaunlicheren Fall dieser Art s. bei Delanne 95f. (aus Dr. Brittons Man and his relations).
[2] Perty in PS VI 346.


Kap XLVIII. Wahrnehmbarkeit des Hinausversetzten.                 (S. 516)

verliert das 'Bewußtsein seiner Umgebung, glaubt 'im Schlafzimmer jener Damen zu stehen, blickt sich um und achtet besonders auf einen Gegenstand auf dem Ankleidetisch.

Die Damen berichten von sich aus einem Dritten (ihrem Onkel), sie hätten H. um 11 Uhr nachts in seinem braunen Rock in ihrem Zimmer stehen sehen, er habe sie angelächelt, sich zum Ankleidetisch begeben, dort etwas geprüft, und sei, ohne seine Stellung zu ändern, verschwunden. [1]

Ich habe die Frage der Glaubwürdigkeit dieser Berichte bewußt vernachlässigt; vor allem die der Glaubwürdigkeit jener Einzelheiten, die dem naiven Leser am ehesten den Eindruck erwecken könnten, daß er in diesen Phantomen objektive Wesenheiten im Raume vor sich habe.

Diese Einzelheiten werden alsbald genauer für sich besprochen werden, und auf dem hellseherischen Anteil der Vorgänge als solchem liegt hier schon nicht mehr die Beweislast. Mir lag zunächst nur daran, jenen Typ von Berichten deutlich werden zu lassen, in welchem sich Fernsehen und Telephanie in der Weise verbinden, daß das innere Erleben des Phantoms (wenn ich so sagen darf) mit den Wahrnehmungen der Ortsanwesenden mehr oder weniger sich deckt.

Die Genauigkeit dieser Deckung läßt sich wohl in keinem der angeführten - ich darf wohl sagen: in keinem der mir bekannten - Fälle erweisen, gegenüber der Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit, daß der eine der Nächstbeteiligten seine Erinnerungen und Aussagen denen des andern nachträglich angeähnlicht habe.

Gerade die seltsameren Übereinstimmungen, das Sichberührtfühlen, das angebliche Öffnen von Türen u. dgl. m. mögen auf diese Weise nachträglich eingeschoben worden sein.

Aber auch zugestanden, daß diese Genauigkeit der Deckung hier und da wirklich gegeben sei, ist das wissenschaftliche Denken natürlich weit entfernt davon, dergleichen Erfahrungen deshalb als das gelten zu lassen, was sie dem naiven Betrachter zu sein scheinen.

Es hat sie bisher gewöhnlich als Fälle von doppelter, gegenseitiger Telepathie gedeutet: der eine Agent rege den einen Perzipienten zur Halluzination seiner (des Agenten) Gestalt an, während dieser Perzipient jenem Agenten die halluzinatorische Vorstellung seiner (des Perzipienten) Gestalt und Umgebung verschaffe.

Daß so viele der Berichte die Exkursion, einige auch ihre Wahrnehmung in einen 'Traum' verlegen, könnte dieser Deutung nur willkommen sein. Hier und da erscheint ja das lediglich Traumhafte des Exkursionserlebnisses mit Händen greifbar: wir hören z.B. nichts davon, daß Newnhams künftige Schwiegereltern, mit denen er vor dem Zusammentreffen mit seiner Braut geplaudert haben will, auch nur seine Gestalt gesehen hätten. Telepathisch zusammenhängende Träume, sogar von ineinandergreifenden

[1] PS VII 484-6, Einen Fall experiment. travelling clairvoyance (Aussendung) mit nachprüfbaren Angaben und gleichzeitigem Gesehenwerden s. Pr VII 206f. (Dr. Backman).


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Kap XLVIII. Wahrnehmbarkeit des Hinausversetzten.                 (S. 517)

Inhalten auf soz. idealem Schauplatz, sind ja ohnehin eine der banalsten Tatsachen der metapsychischen Forschung. [1]

Aber selbst die Annahme - wofür die allgemeinen Gründe dem früher Gesagten entnommen werden mögen -, daß in vielen der angeführten Fälle sich echtes Hellsehen mit Telepathie verbinde, daß also die Doppelseitigkeit des Hergangs entstehe, indem der Hellsehende zugleich am gesehenen Orte telepathisch eine Halluzination seiner Gestalt erzeuge, selbst diese Annahme bliebe natürlich noch weit zurück hinter der Auffassung, die das naive Denken kaum umhin kann, sich von Vorfällen wie den beschriebenen zu bilden.

Diese Auffassung beruft sich erstens darauf, daß der Hellsehende hier nicht so sehr ein Fernes aus der Ferne zu schauen, als vielmehr am Orte des Geschauten wie ein normal Blickender anwesend zu sein glaubt.

Und diese Beobachtung kann natürlich nur an Nachdruck gewinnen in Verbindung mit jener andern, daß dem Blicken in der Ferne so häufig ein bewußtes Hinausgehen aus dem Leibe vorausgeht, wobei der verlassene Körper selbst zu Beginn der 'Reise' aus nächster Nähe geschaut wird.

Das naive Bewußtsein beruft sich aber vor allem auf die Art des Auftretens solcher Phantome des Hellsehenden , welche nicht nur dem Bewußtsein des Hellsehers in allem Einzelnen entspreche, sondern auch häufig die Art eines wirklich anwesenden Lebenden sei. Er glaubt zu sprechen und wird gehört; er glaubt zu handeln und wird so handelnd gesehen, er glaubt zu berühren und wird gefühlt.

Hält man dem naiven Beurteiler vor, daß gerade diese Übereinstimmungen die Deutung durch Telepathie herausfordern, indem ja bei Hellsehen ein Hindenken zu dem Ferngesehenen und somit seine telepathische Beeinflussung an sich wahrscheinlich sei,

so hängt jener seinen Glauben an das verblüffend 'natürliche' In- und Aneinander so vieler Merkmale wirklichen Reisens: das Verlassen des Leibes, das Anschauen des Leibes, das Bewußtsein der Fortbewegung, das Bewußtsein der Anwesenheit und das Wahrgenommenwerden am Ziele, das natürliche Verhalten.

Irgendwie, meint er, müsse der Hellseher wirklich in der Ferne 'anwesend' gedacht werden, und vielleicht sei er es wirklich als das, woran die Welt von jeher im Grunde als an ein objektives Ding, wenn auch besonderer Art, geglaubt habe: als 'Gespenst'.

Die Beobachtungen über Hellsehen führen so unausbleiblich auf dieses alt ehrwürdige Fragezeichen. Damit aber streifen wir erstmalig ein Problem, das für die besonderen Zwecke unsrer Untersuchungen offenbar entscheidendes Gewicht hat: das der persönlichen Fortdauer nach dem Tode.

Denn käme das Hellsehen (in irgendeinem Falle) durch ein objektives Gespenst zustande, so wäre ein solches Gespenst eines Lebenden von vornherein nicht leicht vom Gespenst eines Toten zu unterscheiden, wie die

[1] Ein gerade in diesem Zusammenhang sehr beachtenswertes Beispiel (fast als aus erster Hand zu werten) s. Crowe 107. Vgl. auch Gurney II 154.


Kap XLVIII. Wahrnehmbarkeit des Hinausversetzten.                 (S. 518)

vorübergehende Exkursion während des Lebens das Vorbild der dauernden Exkursion nach dem Tode abgeben würde. Anderseits gewönnen wir vielleicht in einem objektiven Gespenst des Verstorbenen irgendwelche Grundlagen für das Verständnis der Möglichkeit, daß sich menschliches Einzelbewußtsein nach der Auflösung des Leibes erhalte.

Eine solche Erhaltung aber müßte wiederum Licht werfen auf Erlebnisse (wie die mystischen), welche innerhalb des irdischen Lebens eine Bedeutung beanspruchen, die angeblich erst bei der Abkehr von diesem Leben und der Hinkehr zu einem jenseitigen zu begreifen wäre.

Wir haben also hinfort ein doppeltes Interesse an jenem 'äußern' Bestandteil des beschriebenen Typs von Ereignissen: dem Phantom – wie ich fortfahren will zu sagen, um volkstümlichen Vorurteilen keinen Einfluß zu gönnen.

Ja unser Interesse verliert sogar zeitweilig die Theorie des Hellsehens (mit der wir doch beschäftigt sind) aus den Augen und spitzt sich auf jene andere Tatsache zu, auf die wir dabei gestoßen sind. Das Phantom ist uns zu einem Eigenproblem geworden; und es mag die Mühe lohnen, wenn wir diesem nicht verächtlich aus dem Wege gehen, etwa indem wir uns sofort auf eine ausschließlich telepathische Deutung der 'wahrgenommenen' Exkursion festlegen.

Dabei wird es sich aber empfehlen, daß wir, entsprechend dem eben bezeichneten erweiterten Interesse, die Erörterung nicht auf das Material beschränken, das uns in Fällen vom letzt besprochenen Typ geboten wird.

Auch 'telepathische' Phantome überhaupt drängen sich unsrer Untersuchung auf, sowie Phantome Verstorbener, darunter vor allem auch 'Spukphantome’, die ja von Manchen für telepathische gehalten werden, zugleich aber den verhältnismäßig besten Anspruch auf Rückführung auf Verstorbene haben.

Und das um so mehr, als wir gar nicht umhin können, eine 'Innenseite' des Phantoms, d.h. ein bewußtes Subjekt in Verbindung mit dem Phantom (wie der letzte Typ es zeigte) weit häufiger anzunehmen, als uns ausdrücklich durch seinen 'Agenten' bezeugt wird. Schon Myers wies in einer Einschaltung zu Gurneys Werk darauf hin, daß der abnorme Zustand, in welchem der Agent einer Erscheinung sich fast immer während ihrer befindet, eine nachfolgende:

Erinnerungslosigkeit für die etwaigen eigenen Erlebnisse 'als Phantom' wahrscheinlich mache, jedenfalls hinreichend erkläre, und ferner, daß die Mehrzahl solcher Agenten, selbst wenn sie eine Erinnerung an ihre hellsehende Exkursion bewahrten, uns nicht von ihr berichten könnten, da sie eben Sterbende sind und der Tod meist unmittelbar nach dem Erlebnis ihren Mund für immer schließt. [1]

Und er fügte die wertvolle Andeutung bei, daß Hypnotisierung eines Agenten, dessen Doppelgänger soeben gesehen worden, vielleicht die Erinnerung an ein Schauen des Ortes der Erscheinung vom Standpunkt des gesehenen Phantoms aus zutage fördern würde. [2]

[1] Gurney I 303ff.
[2] aaO. 314. in Verbindung mit einem Einzelfalle.

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