Der Jenseitige Mensch
Emil Mattiesen

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Kap XXIX. Mystisches Erkennen: 1. Automatistische Offenbarung.           (S. 276)

Diese Andeutungen lassen nicht daran zweifeln, daß die mystische Introversion auf ihrem Gipfel sich mindestens häufig mit einer starken Verarmung nicht nur des äußeren Lebens, sondern vor allem auch der sozialen Beziehungen verbindet.

Nur mit starken Einschränkungen also könnte man vollendete 'Sozialität' als das Wesen des mystischen Komplexes bezeichnen. Nun kann allerdings dem weltfeindlichen Mystiker selbst diese neue teilweise Enttäuschung unserer Suche nach dem Inhalt des mystischen


Kap XXIX. Mystisches Erkennen: 1. Automatistische Offenbarung.           (S. 277)

Komplexes nur willkommen sein. Denn jene Verarmung, die ihn als Vertreter erhöhter Sozialität unmöglich erscheinen läßt, ist in seinen Augen einer Bereicherung gleich zu achten; befreit sie ihn doch von dem, was er für wertlos hält, und sichert ihm damit den Genuß des höheren, des höchsten Gutes.

Er gibt Welt und Menschen auf, um 'Gott' dafür einzutauschen. In dieser Besitzergreifung der geistlichen Güter, in der Berührung mit Gott und der mehr erlebten als geglaubten Einwurzelung in seiner Überwelt behauptet der weItabgewandte Mystiker eine Wirklichkeit und einen Wert zu besitzen, die ihn über alle Werte des 'natürlichen' Menschen, selbst seine moralischen, weit hinausheben.

Es ist diese Inanspruchnahme eines die bloße Moralität  überschreitenden Innenlebens, was die letzten Probleme der Jenseitigkeit so eigenartig macht. Diese Unterscheidbarkeit (der Art nach) von natürlicher Güte - wir würden sagen: von einer kräftigen Entwicklung der Sozialität - einerseits und den entsprechenden Äußerungen nach dem Empfang der 'Gnade' in der geistlichen Erweckung anderseits ist von denen, die beides an sich erfahren hatten, stets mit großer Bestimmtheit behauptet worden.

'Jene aus der Gnade entspringenden Einflüsse', schreibt z.B. Jonathan Edwards, 'welche die Wirkungen des Geistes Gottes darstellen, sind ganz und gar übernatürlich, sind völlig verschieden von allem, was nicht-wiedergeborene Menschen erfahren.

Keine Verbesserung oder Zusammensetzung natürlicher Eigenschaften oder Elemente wird sie jemals erzeugen, weil sie von dem, was natürlich ist, und von allem, was Menschen im Zustande der Natur erfahren, nicht bloß dem Grade und den (näheren) Umständen, sondern auch der Art nach sich unterscheiden.' [1] - 'Bekehrung', sagt J. Alleine, 'bedeutet nicht das Aufsetzen eines Flicks von Heiligkeit, sondern... der aufrichtige Christ ist ein neuer Mensch, ein neues Geschöpf.'

Und er will den neuen 'geistlichen Sinn' des Erweckten nicht einmal als 'neue Fähigkeit' gelten lassen, sondern nur als ein 'neues Prinzip der Natur'. [2] – Der unendliche Abstand zwischen Körpern und Geistern veranschaulicht, nach Pascal, 'den unendlich viel unendlicheren (so!) Abstand zwischen Geistern und der (mystischen) Liebe, denn diese ist übernatürlich...

Die Größe der geistesmächtigen Menschen - gens d'esprit - ist den Reichen, den Königen, den Feldherren, allen den Großen des Fleisches unsichtbar. Die Größe der (mystischen) Weisheit, die nur in Gott ist, ist unverständlich den Fleischlichen und den Geistesmächtigen.

Dies sind drei der Art nach verschiedene Ordnungen.' [3] Daher könne auch keinerlei Belehrung den Unerfahrenen über die Eigenart der Gnadenerfahrung aufklären. 'Alles', sagt die Deutsche Theologie, 'was dieses göttliche Leben angeht im wahren vergotteten Menschen, das ist so gar einfach, gerad und schlicht, daß es mit kunstgerechten Begriffen niemals ausgesprochen oder geschrieben ward, denn allein: daß es da ist.

Wo es aber nicht ist, da kann man nicht einmal daran  glauben: wie sollt man dann gar ein Wissen davon haben!'. [4] - 'Keinerlei Lektüre', schreibt Mme. Guyon, 'kann denen, die sie nicht erfahren, eine Vorstellung von

[1] Bei James, Varieties 228f..
[2] faculty - principle: bei Hayes, in AJP XIII (1902) 571.
[3] different en genre: Pensées (Par. 1853) 126.
[4] aaO. 68; vgl. 71.


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Zuständen geben, die, weil übernatürlich, der Einbildungskraft nicht zugänglich sind, sondern eben nur der Erfahrung.' [1]

Diese wohlbekannte Behauptung der gründlich Erweckten, daß ihr neues Leben nicht mitteilbar sei, besagt im Grunde offenbar, daß hinter oder über allem, was als Folgewirkung ihrer Wandlung an ihnen zu bemerken sei, noch ein innerstes Erlebnis stehe, das man erfahren haben müsse, um es einigermaßen zu fassen.

Für das Bewußtsein des Mystikers wenigstens entspringt seine Entweltlichung dem Aufgehen einer neuen Welt. Und wenn auch der naturalistische Psychologe dies Bewußtsein ohne weiteres für ein subjektiv täuschendes erklären wird und muß, so ist doch nach den angeführten Behauptungen die Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen, daß er es tue, weil ihm als natürlichem Menschen eben die Erfahrung fehle.

Seine stillschweigende Voraussetzung, daß im Wesentlichen die Erfahrung aller Menschen die gleiche sei, könnte ja eine logische Erschleichung darstellen. Es könnte sein, daß der Unterschied zwischen Mensch und Mensch unter Umständen größer wäre, als der zwischen Mensch und Tier, in dem es besondere Erfahrungen gäbe, die der Masse der Menschen einstweilen völlig fehlen.

'Müssen denn alle Menschen Menschen sein?' fragte schon Novalis. 'Es kann auch ganz andere Wesen, als Menschen, in menschlicher Gestalt geben.' [2] Da wir überdies eine völlig überzeugende und ausreichende Inhaltsbestimmung des mystischen Komplexes immer noch nicht gefunden haben, derweilen wir den mannigfachen Anregungen der naturalistischen Psychologie folgten,

so wäre es zum mindesten heuristisch zu rechtfertigen, wenn wir nunmehr die über naturalistische Grundbegriffe hinausgehenden Ansprüche der mystischen Selbstdeutung soweit ins Auge faßten, als zur Fortführung unseres Gedankenganges dienlich erscheinen mag.

Der wesentliche Anspruch der mystisch Jenseitigen, daß sie ihre innersten Erfahrungen als Bürger einer unsichtbaren Welt machen, an die sie mit der Erweckung entscheidenden Anschluß gewonnen haben, stützt sich nun aber bekanntlich nicht nur auf einen 'Instinkt',

der sich mit ihrem neuartigen Fühlen und Wollen verbindet, kraft dessen sie sich als 'Pneumatiker', als Menschen des unbeschreibbaren 'Geistes' über die Menschheit der bloßen 'Seelenhaftigkeit' hinausgewachsen glauben, sondern er stützt sich auch auf angebliche Erlebnisse des Erkennens, auf Erfahrungen des unmittelbaren Schauens und Verstehens.

Von diesen Erfahrungen ist bisher noch kaum die Rede gewesen; wennschon bei der innigen Verwobenheit aller Arten mystischen Erlebens ihre Erwähnung gar nicht zu vermeiden war. Am nächsten wurde diese Mystik der Erkenntnis gestreift, als

[1] Torrens I, 2, 13. Vgl. GichteI, Theos. V 3659. Allg. vgl. in diesem Zusammenhang v. Hügel, Eternal Life: a Study of its Implications and Applications (Edinb. 1912) und die Schriften R. Euckens.
[2] WW. (hrsg. v. Wille) III 197.


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Kap XXIX. Mystisches Erkennen: 1. Automatistische Offenbarung.           (S. 279)

die Erfahrungen der 'Gegenwart Gottes' beschrieben wurden: in denen ja der Erweckte 'Gott' unmittelbar zu 'fassen', zu 'wissen', nicht bloß zu 'fühlen' meint. Jetzt aber, nach den großenteils unbefriedigenden Ergebnissen unserer Suche nach dem Inhalt des geistlichen Komplexes und nach den letzten seltsamen Warnungen aus mystischem Munde, drängt sich uns eine genaue Betrachtung dieser angeblich übersinnlichen Erkenntnis gebieterisch auf.

Und zwar sollen drei Arten dieser erkenntnisgebenden Erfahrungen bei Erweckten wie bei verwandten Menschentypen hier zunächst besprochen werden: In der ersten kommt dem Einzelnen der begriffliche Ausdruck einer 'theologischen' Lehre in einer Form und Weise, die seinem wachen, persönlichen Denkwillen entzogen scheint,

der Mystiker wird anscheinend zum Mundstück einer dem Jenseits entstammenden, deutlich gegliederten Offenbarung: wir haben diesen Vorgang an sich bereits als Automatismus und ekstatische Inspiration kennengelernt.

Oder aber der Mystiker erfährt die angebliche jenseitige Welt in der Form ursprünglicher sinnlicher Wahrnehmung, als Halluzination, wie der Psychologe, als Vision, Gesicht, wie der Gläubige sagt; auch dieser Vorgang an sich ist uns bereits mehrfach begegnet.

Oder endlich der Mystiker erfaßt die letzten Zusammenhänge und Ordnungen der unsichtbaren Welt kraft einer Intuition oder Einsicht, einer Art von höherer Vernunft, die selten eine Umprägung in klare Begriffe des normalen Denklebens zuläßt: von diesen letzteren Gaben der via illuminativa haben wir bislang noch kaum etwas gehört. -

Betrachten wir jede dieser Arten mystischer 'Erkenntnis' ein wenig näher.

Über die wesentliche Häufigkeit der automatischen und ekstatisch-inspiratorischen Vorgänge im Mystisch-Religiösen haben wir uns bereits verständigt, bisher aber nur die charakterbildenden Leistungen jener Komplexäußerungen berücksichtigt. Hier handelt es sich um die Feststellung, daß sie dem Anschein nach auch belehren.

Diese Feststellung gilt für die religiöse Erfahrung aller Zeiten und aller Länder. 'Allen Religionen gemeinsam ist der Glaube, daß religiöses Wissen entsteht, Worte ausgesprochen werden nicht durch bewußte Gedankenbildung und überlegende Absicht, sondern durch die Eingebungen einer Kraft, die über und jenseits des Einzelnen steht.

Propheten und Schamanen, Evangelisten und indianische Medizinmänner, sie alle behaupten, und alle mit ehrlicher Überzeugung, daß sie vom Gotte im Innern, dem Deus in nobis bewegt werden.' In diesen Worten spricht Brinton eine unbestreitbare Wahrheit aus. [1]

Eine Übersicht über alles auf diesem Wege zutage geförderte Lehrgut würde wahrscheinlich den größten Teil aller je in Geltung gewesenen Gedanken über die Dinge des Jenseits enthalten. Diese Aufgabe hier

[1] Rel. of Primit. Peoples, 2. Aufl. 52. Vgl. Philo Judaeus bei Zeller, D. Philos. d. Griechen III, 2, 2. Aufl. 304 Anm. 7; vgl. 364.


Kap XXIX. Mystisches Erkennen: 1. Automatistische Offenbarung.           (S. 280)

anzufassen, verbieten nicht nur Rücksichten auf den Raum, sondern auch die Umstände überhaupt. Denn augenscheinlich verhüllen sich in vielen Religionen und Sekten die mystischen Quellen der Lehre, und darunter auch die automatistischen, durchaus hinter Bearbeitungen zweiter Hand.

So beziehen sich die indischen heiligen Bücher häufig auf auserwählte Weise, deren göttliche Einsichten sie bloß zu vermitteln beanspruchen, von deren lehrebegründenden Erlebnissen wir aber unmittelbar nichts erfahren.

Auch die Urkunden des Christentums deuten schließlich nur flüchtig auf ekstatische und verwandte Erfahrungen seines Stifters hin, in denen die eigentlichen Quellpunkte seines volkstümlichen Lehrens zu suchen wären, [1] wenn auch automatische Äußerungen erst unter seiner unmittelbaren Nachfolgerschaft wichtig geworden zu sein scheinen. [2]

Der Islam freilich legt in den Suren des Koran beträchtlichen Stoff von ausdrücklich ekstatisch-automatistischer Herkunft vor. [3] Und je näher wir der Gegenwart rücken, d.h. einer Zeit, in der die Aufbewahrung der eingegebenen Lehre in ihrer ursprünglichen Gestalt an sich wahrscheinlicher wird, desto massenhafter werden die Gelegenheiten, die mystische Lehrerzeugung im Vorgang selbst zu beobachten.

Zwei große, in sich und untereinander zusammenhängende Bewegungen des 19. Jahrhunderts haben besonders reiche Ausbeute inspiratorisch-automatisch auftretender Lehre über jenseitige und verborgene Dinge geliefert: die Somnambulen-Verehrung in den Glanztagen des 'tierischen Magnetismus' und der seit Mitte des Jahrhunderts aufkommende sog. Spiritismus.

Den Somnambulen der klassischen Zeit verdanken wir eine ansehnliche Bücherei von Trans-Offenbarungen, die von den vielfach dilettantischen Bewunderern jener geheimnisvollen Wesen mit großer Sorgfalt aufs Papier und zum Druck befördert wurden, nachdem diese bewundernde Sorgfalt wohl selbst am meisten zur endlosen Ausspinnung jener Orakel beigetragen hatte: halb Theologie und Metaphysik, halb Naturkunde und Kosmographie, worin den Somnambulen häufig jene Wichtigkeit zugeschrieben wird, die sich Hysterische so oft um den Preis ihrer Leiden sichern. [4]

Die nachfolgende Glanzzeit der Medien, die ja in mancher Hinsicht die Wesenserben der magnetischen Somnambulen sind, förderte ebenfalls einen Reichtum an jenseitiger Belehrung durch Transreden, 'Psychographie', 'Typtologie' und verwandte Verfahren zutage, der sich ohne ausgedehntes Sonderstudium nicht einmal überblicken läßt. [5]

Auf den kürzesten zusammenfassenden Ausdruck gebracht, lehren diese Offenbarungen etwa folgendes: eine Fülle und Rangordnung unsichtbarer Geistwesen,

[1] O. Holtzmann, aaO.
[2] H. Weinel, D. Wirk. d. Geistes (1899).
[3] Koran 69, 41; 21; 5 u. oft. Bezeugungen durch Dritte zusammengest. bei Sprenger 105ff.
[4] S. z.B. Kerner, Seherin 220-249; Perty, M. E. I 305f. (Auszüge aus: Mitteil. a. d. magn. Schlafleben der Aug. Kachler, Dresden 1843).
[5] Vgl. etwa Ch. Linton, The Healing of the Nations (N. Y. 1858); C. L. V. Tappan, Discourses through the mediumship of Mrs. C. L. V. T. (Lond. 1875); W. Stainton Moses' Spirit Teachings; PS XXXI (über Kordon); E. T. Bennett. Automatic Speaking and Writing (Lond. o.J.) 33ff.


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die in mannigfachem Betracht auf ihren Urheber Gott hin sich steigern, ein Reich der Liebe und Harmonie, an das der Mensch Anschluß gewinnen könne, indem er sich der fortschreitenden Entwicklung anvertraue, die den Kosmos der Wesen von den niederen zu den höchsten Formen durchpulse und nach unwandelbaren Gesetzen aus Regungen und Taten der Liebe - Aufstieg, aus Bosheit und Trägheit - Niedergang folgen lasse.

Reinheit und Liebe tragen auf allen Stufen den Himmel in sich, Haß, ungezügelte Lust, Reue und Jammer dagegen bilden die HölIe im Innem der Seele.

Auch außerhalb des großen Stromes der spiritistischen Bewegung haben in neueren Zeiten vereinzelte Inspirierte massenhaften Lehrstoff über die unsichtbaren Dinge geliefert.

Noch ehe jene Bewegung in Gang gekommen war, hatte beispielsweise der fromme Steyrer Jacob Lorbeer, ein Mann ohne Bildung, aber von großer Güte des Herzens, schon lange ein lebhafter Träumer und wohl auch Visionär, eines Tages (1840) eine Stimme in der Herzgegend vernommen:

'Stehe auf, nimm deinen Griffel und schreibe’; worauf er 24 Jahre hindurch, als demütiger 'Knecht des Herrn', mäßig schnelI, aber ohne Pausen des Nachdenkens niederschrieb, was ihm die Stimme 'links in der Brust' in die Feder sagte.

Seine Schriften - wovon über 7000 Seiten gedruckt! - enthalten unter anderem einen Briefwechsel zwischen dem Herrn Jesus Christus und Abgarus, König von Edessa; Belehrungen über die 'naturgemäßen und spirituelIen Verhältnisse des Mondes', der Erde und der Sonne; eine Geschichte der Urschöpfung oder Haushaltung Gottes; Belehrungen der ewigen Liebe und Weisheit über das ewige Wort, die Wiedergeburt des Geistes, den Geist und die Materie, und Des ewigen Wortes Erweis der Unsterblichkeit der Seele des Menschen.

Ein typisches deutsches Schreibmedium lehrhafter Prägung war auch J. Lohse, der unter der 'KontrolIe' der Geister Franckes, Schleiermachers, Baaders, aber auch derjenigen des Petrus, Paulus, Johannes und selbst Christus schrieb und im Jahre 1872 in Altona eine Schrift 'Jesus Christus und seine Offenbarungen über Zeitliches und Ewiges, oder das neue Christentum' herausgab, worin der Heiland zu berichtigen sucht, was an seiner Lehre falsch verstanden worden sei.

Lohse behauptet das Vorhandensein von 30 Regionen oder Entwicklungsstufen des Menschen, sowie eines 'Führers' bei jedem Menschen auf seinem Entwicklungsgang aus der zweiten Region; er lehrt, daß der gegenwärtig in der 6. Region stehende Erlöser den Keim des Göttlichen im Menschlichen zu entwickeln bemüht sei, um ihn der Erlösung entgegenzuführen usw.

Das Buch enthält u. a. eine sehr eigenmächtige Kosmologie, nach der z. B. unsere Sonne 100 Planeten, andere Sonnen 50-280 haben, und eine Biologie oder Lehre von der Aufwärtsentwicklung der Wesen, die auch den Gedanken der Wiederverkörperung verwendet.

Der Vorgang des Schreibens bei Lohse war derartig, daß er sich gleichzeitig mit den ihn beherrschenden Geistern unterhalten konnte, sie zB. fragte, ob er gewisse Abschnitte nicht lieber auslassen solIe, wo er dann wohl die Antwort erhielt: Nein, du solIst es sagen. [1]

Einige dieser Propheten des Jenseits haben ihre Offenbarungen mit

[1] Ref. in PS V (1878) 81 ff.


Kap XXIX. Mystisches Erkennen: 1. Automatistische Offenbarung.           (S. 282)

erstaunlicher Fülle und Fertigkeit in das Gewand einer glänzenden Poesie gekleidet. Blake, der berühmte Sonderling unter den Zeichnern, schrieb seine mystischen Gedichte, wie er selber glaubte, nach dem Diktat der wahren Verfasser, die 'in der Ewigkeit' seien, 'zwölf, zuweilen zwanzig oder dreißig Zeilen zur Zeit, ohne Vorbedacht und selbst gegen meinen Willen'. [1]

Weit übertroffen wurde er an Schnelligkeit der Erzeugung und vielleicht auch Schönheit der Erzeugnisse durch den Amerikaner T. L. Harris, der in 14 aufeinander folgenden Tagen des November und Dezember 1853 - genauer: in 30 1/2 Stunden - ein 'Epos des gestirnten Himmels' von 3-4000 Zeilen und im Jahre darauf in ähnlich kurzer Zeit eine Dichtung von über 5000 Zeilen, 'A Lyric of the Morning Land', ohne jedes normale Bewußtsein von ihrem Inhalt im Trans diktierte.

Soweit sich nach Auszügen urteilen läßt, [2] sind die Verse nicht nur genau und reich in Bau und Reim, sondern auch von schönem dichterischem Schwung und phantastischem Reichtum der Bilder.

Dies sind Beispiele jener Belehrung, die dem Mystiker und seinem Anhang durch die unpersönliche, ihn ungewollt überfallende Darbietung sich als übernatürlich aufdrängt. Ich halte indes mit theoretischen Erwägungen zurück, um zunächst Beispiele der zweiten Gattung seines 'Erkennens', nämlich durch visionäre Anschauung, zu geben.

Wir wissen bereits, daß die Halluzination nur eine andere Ausdrucksweise desselben unterbewußten Lebens ist, das sich auch in Gestalt von motorischen Automatismen äußern kann; ja selbst die obigen Beispiele zeigten gelegentlich die Niederschrift der Lehre in unmittelbarer Abhängigkeit von fortlaufenden Auditionen (Gehörshalluzinationen) oder untermischt mit ihnen.

Sie kann natürlich ebensogut in Abhängigkeit von fortlaufenden, gleichsam diktierenden Visionen stehen, wie z.B. bei jener namhaften mystischen Lehrerin, Dr. Anna Kingsford.

Diese sah etwa im 'Traume' ein Buch mit silbernen Lettern, in dem sie lesen konnte, oder hörte einen Mann in priesterlicher Kleidung ihr eine Vorlesung halten, die sie nach dem Erwachen aufschrieb, indem sich ihr die Worte noch einmal leuchtend darstellten.

Ein Kapitel über das Verhältnis des Menschen zu den Tieren wurde ihr in der gleichen Weise durch die Gestalt eines Arbeitspferdes gegeben. Oder in einem Zustande 'noch wach, aber mit geschlossenen Augen' wurde 'ihr im Gesicht ein großes geöffnetes Buch gezeigt, ..... von einem Lichtkreis in hellen Regenbogenfarben umzogen, und in der Luft waren (einige) Zeilen, die Maitland nach ihrem Diktat niederschrieb'. [3]

Die Problemlage dürfte also bezüglich der automatischen wie der visionären Offenbarungen großenteils die gleiche sein und wir ersparen uns Wiederholungen, wenn wir wenigstens diese bei den Klassen gemeinsam zur Erörterung stellen.

[1] S. W. M. Rossettis Prefatory memoir S. XLI in Blakes Poetical Works.
[2] S. Podmore, Spir. I 277f.
[3] Kingsford I 268f. 329. 331. 349f.

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