Vorzeit: Spuren der Menschheit in vorgeschichtlicher Zeit


Der Mensch, gekennzeichnet durch aufrechten Gang, hoch entwickeltes Gehirn und zurückgebildetes Haarkleid, entstand in den Savannen des warmen Klimas. Wo die erste und entscheidende Phase seiner Evolution ablief, war lange Zeit umstritten.

Die ältesten und vollständigsten Dokumente stammen mittlerweile aus Afrika, besonders östlich des Grabenbruches, weniger gut datierte Funde auch aus dem südlichen Afrika; in Ostafrika kennen wir aufrecht gehende Hominiden seit etwa sechs Millionen Jahren. Am Anfang der Entwicklungslinie, die zum heutigen Menschen geführt hat, steht der vor etwa 2,5 Millionen Jahren auftretende Homo habilis: Ihm wird der Beginn der Nutzung von zugerichteten Steinen als Werkzeug zugeschrieben.

Besonders die von den Abschlägen herrührenden Kanten dienten als scharfe Schneiden, mit denen man Fleischstücke aus größeren Tieren heraustrennen konnte. Da somit außer eingesammelten Pflanzen, Wurzeln, Samen, Kleingetier und Insekten auch größere Tiere zur Nahrung der Menschen wurden, kam es zu einer schnellen Zunahme der Bevölkerung und - hierdurch bedingt - auch zu einer Vergrößerung des Siedlungsgebiets. Allerdings wurde das angestammte Biotop, die offene Graslandschaft der Savanne, noch nicht verlassen.

Nach dem Gebrauch von Werkzeugen unterschied sich der Mensch vom Tier dann definitiv durch die zweite entscheidende Innovation: den Besitz und die Nutzung des Feuers seit etwa 1,4 Millionen Jahren.

Das Feuer schützte des Nachts vor den Raubkatzen, den bis zu diesem Zeitpunkt gefährlichsten Feinden des Menschen; es wurde aber auch zum Mittelpunkt der Gruppe und erlangte dadurch eine enorme soziale Bedeutung. Die Wärme des Feuers erlaubte darüber hinaus die Besiedlung der gemäßigten Klimazonen.

In den Kaltphasen des Eiszeitalters zogen sich die Menschen aus diesen nördlichen Gebieten aber wieder zurück. Erst vor etwa 500 000 Jahren wurde zunehmend auch die eiszeitliche Steppe, in der es im Sommer warm, im Winter jedoch bitterkalt war, besiedelt. Aus diesen ersten beiden Millionen Jahren der Menschheitsgeschichte kennen wir bisher keinerlei Hinweise auf Schmuck und Kunst; viele Gegenstände können sich allerdings schon deshalb nicht erhalten haben, weil sie aus Geflecht aus pflanzlichen Fasern oder aus Holz bestanden.

1829 teilte der dänische Altertumskundler Christian Jürgensen Thomsen bei der Ordnung der Sammlungen des Nationalmuseums in Kopenhagen die vorgeschichtliche, das heißt die nicht durch schriftliche Zeugnisse erschließbare Zeit in drei Perioden, die er nach den in ihnen verwendeten Hauptwerkstoffen benannte: die Steinzeit mit ihren drei Unterphasen Altsteinzeit, Mittelsteinzeit und Jungsteinzeit, die Bronze- und die Eisenzeit.

Dieses »Dreiperiodensystem« wird trotz teilweise großer Unterschiede in der Entwicklung einzelner Regionen und zeitlicher Verschiebungen auch heute noch als Grundordnungsschema verwendet.

Die älteste und weitaus längste Epoche der bisherigen Menschheitsgeschichte, die Altsteinzeit (Paläolithikum), fällt im Wesentlichen zusammen mit dem durch den Wechsel von Kalt- und Warmzeiten gekennzeichneten Eiszeitalter (Pleistozän); sie begann vor etwa 2,5 Millionen Jahren und endete mit der letzten Kaltzeit um 8000 v. Chr.

Wichtigste Quellen der Altsteinzeit sind die erhalten gebliebenen, nachweislich von Menschenhand gefertigten Steinartefakte (Steinwerkzeuge und die bei ihrer Herstellung entstandenen Abfälle), die aus hartem, spaltbarem Gestein (Quarz, Quarzit, Feuerstein) bestehen.

Die zunächst verhältnismäßig vielfältigen Formen der ursprünglich einfachen, aus Flussgeröllen hergestellten Steinwerkzeuge (Geröllgeräte, englisch »pebble tools«) entwickelten sich im Verlauf der Altsteinzeit mit der Verbesserung der Herstellungstechnik mehr und mehr zu standardisierten Formen (Faustkeile, Spaltkeile mit breiter Schneide, Schaber, Stichel, Spitzen).

Holzgegenstände finden sich nur äußerst selten, ehemals sicher vorhandene Gegenstände aus Fell, Leder oder Geflecht niemals. Während des Paläolithikums wurden die Kontinentalgebiete - die »Alte Welt« - nach und nach bevölkert. Die »aneignende Wirtschaftsform« der »Jäger und Sammler« wurde den Bedingungen der verschiedenen Klimazonen angepasst.

Die seit der mittleren Altsteinzeit (seit etwa 300 000 Jahren) belegbaren sorgsamen Bestattungen der Toten - zum Beispiel in einer Schicht roter Farbe und in festlicher, mit Perlen, Tierzähnen und Schmuckschnecken besetzter Kleidung - belegen die fortschreitende geistige Entwicklung des Menschen in dieser Zeit ebenso wie die Kunstwerke seit dem Anfang der jüngeren Altsteinzeit (Tierplastiken und Frauenfiguren, Felsbilder in Altamira oder Lascaux), deren Beginn man vor etwa 40 000 Jahren ansetzt.

Die besondere Prägung der Kulturen der Mittelsteinzeit (Mesolithikum) seit etwa dem 8. Jahrtausend v. Chr. findet ihre Erklärung in der verhältnismäßig raschen nacheiszeitlichen Klimaänderung und der dadurch notwendig gewordenen Änderung der Wirtschaftsweise.

Durch die Abwanderung der eiszeitlichen Tiere und die zunehmende Wiederbewaldung gewannen die Jagd auf Standwild (Hirsch, Reh, Wildschwein) sowie Vogeljagd und Fischerei an Bedeutung. Die Ausbeutung reicher Fischgründe mit Wasserfahrzeugen (Einbaum) und das Sammeln von Weichtieren, Früchten und Samen (Haselnuss, Wassernuss, Beeren) sicherten den Lebensunterhalt und führten in allen Gebieten zu einer relativen Ortsgebundenheit.

Bei den Steingeräten machte sich einerseits der schon im ausgehenden Jungpaläolithikum einsetzende Zug zur Verkleinerung bemerkbar (Mikrolithe), andererseits traten schwere Geräte zur Holzbearbeitung auf (Kernbeile und Spalter).

Während in Mitteleuropa noch mesolithische Strukturen anzutreffen waren, reichten die Anfänge der Jungsteinzeit (Neolithikum) in Kleinasien, Mesopotamien und der Levante bis in das 9. Jahrtausend v. Chr. zurück.

Das Ernten von Wildgetreide im »Fruchtbaren Halbmond« - den im Regenfeldbau ohne Bewässerung nutzbaren Steppenlandschaften der heutigen Staaten Jordanien, Libanon, Israel, Syrien, Türkei, Irak und Iran, die halbkreisförmig die Wüsten- und Halbwüstengebiete Arabiens im Norden umschließen - leitete wohl an dessen Randzonen den Übergang zum Pflanzenanbau ein, der mit der einsetzenden Haustierhaltung (Ziege und Schaf) schrittweise zum wirtschaftlichen Umschwung der Jungsteinzeit führte.

Deren »archäologische« Definition durch geschliffene Steinwerkzeuge (Axt, Beil, Keule), Keramik, den Bogen und größere dörfliche Siedlungen mit mehrjährig bewohnten Häusern sowie Mauern und Türmen aus Lehmziegeln wurde besonders in der angelsächsischen und deutschsprachigen Forschung durch die »ökonomische« Definition überlagert:

Hiernach ist die Jungsteinzeit durch die »produzierende« Wirtschaftsform gekennzeichnet, die ein mit der industriellen Revolution der Neuzeit vergleichbares Bevölkerungswachstum nach sich zog (»neolithische Revolution«). Die frühesten historischen Staatsbildungen in Ägypten und Vorderasien, später auch in Indien und Ostasien wurden also von Kulturen getragen, die teils der Bronze-, aber auch noch der Kupferzeit, der Spätphase der Steinzeit (kupferführende Kulturen der Steinzeit) zugeordnet werden müssen. Der Prozess der Neolithisierung setzte sich dann zeitverzögert über Kleinasien und die Balkanhalbinsel im übrigen Europa fort.

Die mit der Jungsteinzeit einsetzende Landwirtschaft beruhte auf der Haustierhaltung (Domestikation von Schaf, Ziege, Schwein, Rind, Pferd in der Alten Welt) und dem Anbau von Kulturpflanzen (Einkorn, Emmer, Gerste und Hülsenfrüchte) in Form des Hackbaus und des (mit dem Einsatz des vom Rind gezogenen Pfluges verbundenen) Feldbaus.

Rodungs-, Feld- und Befestigungsarbeiten erforderten den Einsatz organisierter Menschengruppen. Die berufliche Spezialisierung wurde durch den technischen und wirtschaftlichen Fortschritt angebahnt und vollzog sich zunächst im Rahmen der Heimwirtschaft. Später führten die Intensivierung des Handels und die Entstehung politischer und geistlicher Führungsschichten (Adel, Priesterschaft) zu einer übergeordneten Organisation.

Von Vorderasien aus scheint sich die jungsteinzeitliche Kultur im 6. Jahrtausend über die Balkanhalbinsel nach Europa ausgebreitet zu haben; parallel und unabhängig davon setzte sie auch in Ost- und Südostasien sowie im Umkreis von Oberägypten ein.

Wasserfahrzeuge ermöglichten seit dem 8./7. Jahrtausend die Besiedlung der größeren Mittelmeerinseln, die mit Ausnahme Siziliens bis dahin unbewohnt gewesen waren. Pflanzenbau und Tierzucht lenkten die Aufmerksamkeit des Menschen stärker als zuvor auf die Idee der Fruchtbarkeit, den zyklischen Ablauf der Jahreszeiten und auf die Beobachtung der Gestirne.

Eine komplexe Fruchtbarkeitsreligion manifestierte sich in der Verehrung numinoser menschen-, tier- und mischgestaltiger Tonplastiken, die in den Kulten eine Rolle spielten. Die Natur galt als Sitz heiliger Kräfte, religiöse Bedeutung hatten das Feuer und die als höchstes Wesen oder Lichtgottheit verehrte Sonne.

Felsdarstellungen von Schiff, Wagen, Rad und vor allem die Beilfunde gehören in diesen Zusammenhang. Die Totenbeisetzungen im Haus und in Großsteingräbern (Megalithgräber) zeugen von dem Glauben an das Fortleben der Toten und der Ausübung des Ahnenkultes.

Da in Vorderasien Tagebau und metallurgische Kenntnisse bereits im 8./7. Jahrtausend v. Chr. verbreitet waren, sind die Übergänge zur Bronzezeit dort früher anzusetzen als in Europa. In der Ägäis begann sie um 2500 v. Chr., die Europäische Bronzezeit dauerte etwa von 1800 bis 800 v. Chr. Die Verwendung von Bronze (einer Legierung von Kupfer und Zinn) für die Herstellung von Geräten, Waffen und Schmuck bedeutete einen erheblichen technischen Fortschritt: Bronze ist wesentlich härter und zugleich leichter schmelzbar als Rohkupfer.

Voraussetzung war, dass man zum einen die Legierungstechnik beherrschte und zum anderen komplizierte Gießverfahren anzuwenden wusste. Zudem musste die Versorgung mit Zinn - über Transportwege von vielen hundert Kilometern - gewährleistet sein. Die verschiedenen technischen Verfahren der Metallgewinnung und -verarbeitung ließen zudem arbeitsteilige »Berufe« (Bergleute, Gießer, Schmiede, Händler) entstehen.

Der Handel mit Rohmetall (Kupfer, Zinn, Gold, Silber), Bronze, Bernstein, Salz, Pelzwerk, kunstvoller Keramik und überschüssigen Nahrungsmitteln wurde ausgedehnt; er verband West-, Nord-, Süd- und Mitteleuropa untereinander sowie mit den Ländern des östlichen Mittelmeergebietes und solchen jenseits des Urals.

In der bronzezeitlichen Landwirtschaft führte die zunehmende Verwendung des Pfluges zur Intensivierung des Ackerbaus. Im Rahmen der Hauswirtschaft wurden Textilien, Lederwaren, Arbeitsgeräte und Tonwaren für den eigenen täglichen Bedarf hergestellt.

Die vielfältigen Möglichkeiten bei der Bronzeverarbeitung brachten eine sich ständig wandelnde Formenfülle bei Schmuck, Waffen und Gerät in stetem Wechselspiel zur Entwicklung der Kleidung, des Kriegswesens und der Arbeitsprozesse hervor.

Die Bronzewaffen (Dolch, Stabdolch, Beil, Axt und dann auch das Schwert) waren weitgehend auch Herrschafts- und Rangabzeichen; dazu trat der von Pferden gezogene zweirädrige Streitwagen. Felsbilder, Kultsteine, Kleinplastiken, Kultwagen, Blasinstrumente (Luren) und symbolische Darstellungen auf Bronzemessern geben neben den verschiedenen Formen der Totenbestattung - weiträumig verbreitete Sitte der Bronzezeit war die Urnenbestattung in Flachgräbern - wichtige Aufschlüsse über Kult und Religion.

Im Hausbau und Siedlungswesen kam es zu keinen grundlegenden Neuerungen; besonders zu erwähnen sind die seit der Jungsteinzeit verbreiteten, als Pfahlbauten bekannten Seeufersiedlungen des nördlichen und südlichen Alpenvorlands.

Die nachfolgende Eisenzeit ist vielgestaltiger als die Bronzezeit. Da diese Bezeichnung aber in sehr vielen Gebieten nicht nur als historische Periodenbezeichnung, sondern auch zur Kennzeichnung der archäologischen und kulturgeschichtlichen Verhältnisse benutzt wird, wird sie zunehmend zum Terminus der archäologischen Fachsprache mit örtlich sehr verschiedenem Bedeutungsinhalt, während der allgemeine Periodisierungsbegriff allmählich verblasst.

Als Erfinder der Eisentechnik, die keiner Legierung, wohl aber der weiteren Verarbeitung durch das Schmieden bedarf, gelten die Hethiter, die um 1300 v. Chr. eine Art Eisenmonopol im Vorderen Orient hatten. Die Kenntnis der Eisenverarbeitung gelangte zu Beginn des 1. Jahrtausends v. Chr. nach Persien und wahrscheinlich auch ins Gebiet des heutigen Pakistan, bis zum 6. Jahrhundert v. Chr. nach Indien und Nordchina.

Von der Balkanhalbinsel aus verbreitete sich die Eisenverarbeitung in einem deutlichen Zeitgefälle von Südosten nach Nordwesten über ganz Europa, wobei eine Fülle regionaler Kulturgruppen entstand: In Griechenland setzte die Eisenzeit um 1100 v. Chr., in Skandinavien um 500 v. Chr., stellenweise aber auch erst um Christi Geburt ein.

Das Ende der Eisenzeit wird, dem Einsetzen schriftlicher Quellen entsprechend, gebietsweise sehr unterschiedlich datiert. Als »vorrömische« Eisenzeit werden häufig die von der Hallstattkultur und der La-Tène-Kultur geprägten Perioden Mittel-, West- und Osteuropas zusammengefasst (8. bis 1. Jahrhundert v. Chr.); in Nordeuropa bildete erst die Wikingerzeit den Abschluss der frühgeschichtlichen Eisenzeit.

(c) Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, 2001

rodiehr Juni 2005


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