TEIL 2 - Botschaften aus dem Nirgendwo
22.5 Io amore ora germanski
Am Nachmittag des 2. Januar 1992 schaltete der Experimentator Adolf Homes ohne ersichtlichen äußeren Anlaß seinen C 64 ein. Die Floppy war außer Betrieb. Wie üblich zeigte sich auf dem Bildschirm die Statusmeldung. Während Homes sie betrachtete, verschwand sie schlagartig.
Stattdessen war zu lesen:QUI KARDINAL AUGUST HLOND AMORE ADOLF HOMES. Obschon durch allerlei außergewöhnliche Phänomene abgehärtet, war der Experimentator so erschrocken, daß er erst einmal in die Küche ging, um zur Beruhigung seiner Nerven eine Zigarette anzuzünden.
Als er zurückkam, stand die neue Zeile unverändert da, und er erinnerte sich, daß er einige Wochen zuvor bei seinen Tonbandversuchen mehrere Male das vereinzelte Wort Kardinal gehört hatte, das niemand einordnen konnte. Er setzte sich an die Maschine und schrieb: 'Bist du der Kardinal?'
Unmittelbar nachdem er das Fragezeichen eingegeben hatte, erschien ein SI (JA), und im weiteren Verlauf entwickelte sich eine Art schriftlicher Dialog. Die Übersetzung ist jeweils in Klammern nachgestellt, Homes beherrscht kein Italienisch.
KOENNEN SIE EINEN DIALOG FUEHREN? SI PARLARE DIFFICILE (JA SPRECHEN SCHWIERIG)
GEHOEREN SIE DEN GRUPPEN ZEITSTROM UND CENTRALE AN? SI SETTE SETTIMANA (JA SIEBEN WOCHEN)
WIE KOENNEN SIE MICH WAHRNEHMEN? SPIRITO (GEIST)
KOENNEN SIE SICH UEBER FERNSEHEN ZEIGEN? SI ORA (JA JETZT)
WAS FUER EINE SPRACHE SCHREIBEN SIE? NON CAPITANO (NICHT VERSTANDEN)
KOENNEN SIE WIEDERHOLEN? NO (NEIN)
KOENNEN SIE MICH HIER GUT WAHRNEHMEN? SI (JA)
ICH HABE KEIN GERAET UM DIESES ZU SPEICHERN, DARF ICH ES ABFILMEN? SI (JA)
DARF ICH WEITERE FRAGEN STELLEN? NESSUNO DESIDERIO IO AMORE ORA GERMANSKI (KEIN WUNSCH ICH LIEBE JETZT DEUTSCH)
ES HAT SO KEINEN ZWECK WEITERZUMACHEN DA ICH NICHTS VERSTEHE. SI DIO IST LARGO AUGUST HLOND TERRA 1881-1948 FINE (JA GOTT IST GROSS AUGUST HLOND ERDE 1881-1948 ENDE)
Nachdem Homes den im Bildschirm stehenden Text mit seinem Camcorder aufgenommen und zusätzlich mit der Hand abgeschrieben hatte, berichtete er dem Verfasser in einem Telefongespräch. Dieser konnte zwar die teilweise fehlerhaften, italienischen Passagen übersetzen, vermochte aber die Frage nach einem Kardinal Hlond nicht unmittelbar zu beantworten.
Er vermutete lediglich aufgrund des Wortes GERMANSKI und des nicht italienisch klingenden Namens eine östliche Herkunft. Sie bestätigte sich an Hand des Lexikons, wonach der polnische Kardinal Augustyn Hlond von 1881 bis 1948 gelebt hatte und "ein energischer kirchlicher Verfechter der polnischen Politik gegen die deutsche Minderheit und - seit 1945 - der polnischen Ansprüche auf die Oder-Neiße-Linie" war.
Der Kardinal war also zu Lebzeiten kein Freund der Deutschen, er scheint es aber nach etlichen Jahrzehnten als notwendig erachtet zu haben, mitzuteilen, daß er jetzt Deutsch (oder die Deutschen) liebt.
Die Angelegenheit schien einer weiteren Prüfung wert. Bei der Suche fand der Autor in der Bibliothek der Universität Mainz ein Buch, in dem der ehemalige Pfarrer von Görlitz an der Neiße, Prof. Dr. Franz Scholz, unter dem Titel 'Zwischen Staatsräson und Evangelium' das Leben und Wirken des Kardinals ausführlich nachgezeichnet hat.
Besonders fragwürdig empfindet Scholz als persönlicher Zeuge des Elends der Vertreibung die möglicherweise dubiose Haltung des Vatikans. Hlond hatte in Breslau, wo wenige Tage vor seiner Rückkehr der amtierende Kardinal Bertram verstorben war, erklärt, der Papst habe ihm in Rom das Hirtenamt für 'ganz Polen' übertragen.
Völkerrechtlich konnte diese Formulierung nur 'Polen in den Grenzen von 1939' bedeuten, ohne Einschluß der annektierten deutschen Gebiete. Hlond war also keineswegs berechtigt, den deutschen Klerus zu verjagen und durch polnische Priester zu ersetzen.
Dem Kenner der Geschichte der Geschichten ist die zweitausendjährige unheilige Allianz von Staat und Kirche nicht neu. Zu diesem speziellen Fall sei bemerkt, daß der Vatikan die Dokumente über die Ereignisse von 1945 jedenfalls bis zum Abschluß des Buches von Dr. Scholz 1988 nicht veröffentlicht hatte, und daß von Hlond eine direkte Linie über Wyschinski zum gegenwärtig amtierenden Papst führt.
Ein Artikel des 'Ölser Heimatkreisblattes', Nr. 8/96, S. 3, enthält folgendes Zitat: "Die deutsche Bischofskonferenz hat sich mit der Frage der Seligsprechung von Kardinal Hlond befaßt. Dabei bestand Übereinstimmung, daß eine Seligsprechung des Kardinals aus deutscher Sicht keine Zustimmung finden kann. Die Bedenken der deutschen Bischofskonferenz wurden auch gegenüber dem Apostolischen Stuhl zum Ausdruck gebracht."
Vier Tage nach dem Kontakt mit dem Kardinal, erhielt Adolf Homes einen Computertext von seiner Mutter, in dem sie ihn aufforderte, seine Videokamera wie üblich auf den Bildschirm des Fernsehers zu richten und das 'Flimmern' eines freien Kanals aufzunehmen Der Kardinal legt Wert darauf, sich zu zeigen.
Zwölf Sekunden nachdem Homes die Geräte eingeschaltet hatte, erschien etwa sechs Sekunden lang das Porträt eines Mannes und wurde aufgezeichnet. Trotz mannigfacher Bemühungen ist es bisher nicht gelungen, eine Fotografie des Kardinals zu finden, die dem Transbild überzeugend ähnlich ist.
Am Nachmittag des 10.2.92 saß der Verfasser im Dachgeschoß seines Hauses am Computer und arbeitete an einem Vortragstext. Mitten in einem Satz, der sich auf die Aufzeichnungsmöglichkeit metanormaler Anrufe bezog, läutete das Telefon wie üblich.
Unmittelbar nach dem Abheben meldete sich der verstorbene Freund Klaus Schreiber, (vgl. Abschnitt 20.5); in seinem Aachener Dialekt und der ihm zu Lebzeiten eigenen ungewöhnlichen Intonation. Auf die Frage, ob das Gespräch aufgezeichnet werden dürfte, kam ein deutliches Ja, und danach wurde der Anrufbeantworter auf Aufnahme geschaltet.
Und sag auch dem Rainer Holbe Bescheid, daß die Verbindung geklappt hat. Es ist phanta73stisch, lieber Klaus.
Die Leute in Luxemburg werden sich freuen. Ja.
Ich habe jemand, der mit Dir sprechen will. (Der Satz wurde nicht sogleich verstanden.) Klaus, hast Du versucht, Dich manchmal über Radio zu melden?
Selbstverständlich, aber ich habe hier jemand, der sich bei Dir melden will, Ernst. Ich gebe ihm das Gerät. Gut, grüße bitte alle Freunde.
Hier hallo. Ja.
Hier Augustyn Hlond. Augustyn Hlond.
Vielen Dank für Ihre Bemühungen. (Der Satz wurde nicht sogleich verstanden.) Bitte wiederholen.
Augustyn Hlond. Ich habe verstanden. Was sollen wir tun mit Ihrer Mitteilung?
Wir haben hier eine Gruppe der Theologen, und es gibt keine bösen Menschen hier. Aber die Heimat, die Heimat vermißt man. Hier, wo ich mit Freunden hier bin, die Landschaft erinnert an das Schneegebirge, das Schneegebirge in seiner weißen Pracht. Herr Kardinal, was sollen wir ...
Nennen Sie mich nicht Kardinal, sonst sagt man wieder hier, der Pfarrer stichelt. Ihr Vater, ich kenne ihn, er sagte mir: Man hat den Menschen den Magen reingemacht. Ja, das hat er gesagt.
Das muß Ihnen genügen. Vertrauen Sie den Leuten. Das ist unwahrscheinlich. Wir haben hier Gruppen. Das ist hier das Schneegebirge, das Schneegebirge in seiner ganzen Pracht. Das müssen Sie mitteilen. Danke.
Unwahrscheinlich, das muß der Menschheit mitgeteilt ... Danke für die Mitteilungen. Kann noch jemand sprechen? (Besetztzeichen.)
Das gesamte Gespräch wurde, unbemerkt vom Verfasser, von seiner Ehefrau an einem parallelgeschalteten Apparat mitgehört. Es enthält eine Reihe kommunikationstechnischer Besonderheiten. Nachdem der Verfasser die erste namentliche Meldung des Kardinals bestätigt und den folgenden Satz Vielen Dank für Ihre Bemühungen nicht verstanden hatte, sagte er 'Bitte wiederholen'.
In jedem normalen Gespräch hätte der Partner nun den letzten Satz wiederholt. Stattdessen wiederholte der Kardinal den Namen, also den vorletzten Satz, der bereits bestätigt worden war. Die Frage 'Was sollen wir tun mit Ihrer Mitteilung?' bezog sich gedanklich auf den von Homes empfangenen Satz Io amore ora germanski. Hlond ging nicht darauf ein, so als ob er sie nicht wahrgenommen hätte.
Stattdessen schilderte er aus seinem Umfeld von Freunden heraus die Sehnsucht nach der oberschlesischen Heimat, an die ihn das Schneegebirge erinnerte. Er unterbrach die wiederholte Frage: 'Herr Kardinal was sollen wir ... ' und verwahrte sich gegen die Anrede.
Er zitierte in leicht abgewandelter Form eine Redensart des 1959 verstorbenen Vaters des Autors und bestärkte die Echtheit des Anrufs mit den Sätzen Das muß Ihnen genügen. Vertrauen Sie den Leuten (das heißt, den Experimentatoren). Danach kam er noch einmal auf die Existenz jenseitiger Gruppen und auf das Schneegebirge zurück, das er nun - im Gegensatz zur ersten Erinnerung - augenscheinlich als 'Realität' wahrnahm, da er formulierte Das ist hier ... .
Ein unwiderlegbares Argument für die Metanormalität des Anrufs ist das dem Vater des Verfassers zugeordnete Zitat, dessen mindestens 33 Jahre zurückliegende Benutzung außer dem Autor keinem lebenden Menschen bekannt sein kann.
Außerdem wurde es in einer abgewandelten Form wiedergegeben. Während der Vater nach einer heftigen Diskussion mit einem Kollegen zu sagen pflegte: "Dem XY hab' ich den Magen rein gemacht" in der Bedeutung: 'Ich habe ihm die Meinung (oder die Wahrheit) gesagt', hieß es beim Kardinal: Man hat den Menschen den Magen rein gemacht.
Der Verfasser vermutete sogleich einen Hinweis auf die Aufklärung der Hinübergegangenen über ihre unzutreffenden Jenseitserwartungen. Tatsächlich wurde diese Ansicht in späteren Transkontakten bestätigt. Danach haben sich verstorbene Menschen zu einer 'Kirche der Zweiten Chance' zusammengeschlossen, nachdem sie erkannt hatten, daß Himmel, Hölle und Fegfeuer in den von den irdischen Kirchen propagierten Formen nicht existieren.
Die entsprechende Erklärung wurde in Luxemburg von der Kommunikatorin Salter, (vgl. Abschnitt 23.7), über Computer empfangen. Gründer der neuen Kirche sei eine hervorragende Persönlichkeit des 17. Jahrhunderts, der in Modena geborene Theatinermönch, Wissenschaftler, Architekt und Schriftsteller, Guarino Guarini, dessen Baustil das mitteleuropäische Barock nachhaltig beeinflußt hat.
Zu seinen Hauptwerken zählt als 'Wunder geometrischer Virtuosität' die Kirche San Lorenzo in Turin, "deren von schwebenden Rippen vergitterte Kuppel eine verklärende Lichtwirkung erzeugt". Außerdem erbaute Guarini die Kapelle des 'Turiner Grabtuches'.
Die Hlond-Episode scheint damit abgeschlossen zu sein, weitere Meldungen des Kardinals sind nicht bekannt. Eine Tonbandstimme beantwortete die am 7.5.1995 vom Verfasser gestellte Frage: 'Was macht der Kardinal?' mit Er denkt. Es ist vielleicht nicht überflüssig, zu betonen, daß weder Homes noch der Autor die geringste Ahnung von der Existenz des Kardinals hatten.
Der Autor hält sich diesbezüglich an Muellers Formulierung Mir ist egal ob Sie mir glauben oder nicht, wie denn auch die Gruppe 2109, (vgl. Abschnitt 23.4), darauf hinwies, daß es eine unnütze Anstrengung sei, der Welt etwas beweisen zu wollen. Zu den Skeptikern fällt dem Verfasser nur das Kind ein, daß sich angesichts eines furchteinflößenden Hundes die Augen mit den Händchen zuhält und ruft: "Jetzt kann er mich nicht mehr sehen".
Auch Majo ließe sich hier zitieren Beweise sind Zweifel an sich selbst. Die Suche danach ist wie der Versuch, euren Wind mit der Hand einfangen zu wollen.
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